Der 2. Vertrag mit Frankreich vom 1. Dezember 1757

Ein Blick auf die Karte genügt, um den hohen Wert würdigen zu können, welchen die Minister Louis des XV. unter diesen Umständen darauf legen mußten, in Mecklenburg festen Fuß zu fassen. Der Vertrag vom 1. April hatte den französischen Truppen nur das Recht des freien Durchmarsches gegeben; das genügte jetzt nicht mehr, man mußte Plätze in Händen haben, welche man befestigen und dauernd mit Truppen besetzen konnte, man mußte, wie der Comte de Bernis sich auszudrücken beliebte „Herr des Landes Mecklenburg sein“. Weitere Verhandlungen in diesem Sinne anzuknüpfen, wurde Mr. de Champeaux mit Vollmachten versehen und Anfang November wiederum nach Schwerin geschickt.

Der Gesandte fand am Schweriner Hof im Ganzen ein günstiges Terrain für seine Aufträge. Mit lebhafter Freude und weitgehenden Hoffnungen hatte man hier die Waffenerfolge der Alliierten begrüßt, namentlich das Vorrücken der Franzosen an die Elbe und der Schweden über die Peene. Auf der anderen Seite verschloss man sich aber auch nicht den ernsthaftesten Befürchtungen. Die Sprache des preußischen Comitialgesandten in Regensburg war eine geradezu bedrohliche geworden und als ein sicheres Merkmal einer feindseligen Gesinnung sah es der Herzog an, dass der König von Preußen es unterlassen hatte, ihm den im Juni erfolgten Tod seiner Mutter anzeigen zu lassen. Allerdings widerstrebte es dem Gefühl Herzog Friedrichs sein Land durch fremde Truppen besetzen zu lassen und so vielleicht zum Schauplatz eines blutigen und verheerenden Krieges zu machen, und deshalb hatte der französische Unterhändler so leichtes Spiel, wie der Hof von Versailles es geglaubt, in Schwerin nicht. Erst als der Baron Dittmar in einem sehr ausführlichen Promemoria die Notwendigkeit der Einräumung eines festen Platzes in Mecklenburg an die Franzosen bewiesen hatte, willigte der Herzog ein, stellte aber als Gegenleistung sehr hohe Forderungen - zahlbar allerdings erst beim Friedensschlusse -. „Si j'avais Lauenburg et Wismar avec mes douzes baillages par le moyen de Mr. l'Envoyé, cette acquisition vaudra à Mr. l' Envoyé deux cents milles livres“, hatte der Herzog, um Mr. de Champeaux willfähriger zu stimmen, eigenhändig unter den Vertragsentwurf, welcher dem Gesandten zur Abänderung zurückgeschickt worden war, geschrieben.


In diese weitaussehenden Pläne der Coalition fuhr wie ein Donnerschlag die Nachricht von der Schlacht bei Roßbach hinein. Selten hat ein Waffenerfolg eine so große moralische Wirkungssphäre gehabt, wie dieser Sieg Friedrich des Großen. Am 5. November wurde die Schlacht geschlagen und schon am 9. desselben Monats schrieb der Marschall von Richelieu dem schwedischen Oberbefehlshaber, dass ihm nunmehr eine Cooperation mit der schwedischen Armee völlig untunlich erschiene. Allerdings trug zu dieser Entmutigung des Marschalls der Umstand nicht wenig bei, dass er zu dieser Zeit bereits wusste, dass die hannoverschen Truppen die Konvention von Kloster Zeven demnächst brechen würden und dass er sich dann schwerlich an der Elbe werde behaupten können.

Die französischen Minister waren indes anderer Ansicht. Sie hofften noch immer, dass die Konvention von Kloster Zeven, wenigstens was die braunschweigischen und hessischen Truppen anbeträfe, zur Ausführung kommen und es ihnen dann gelingen würde, diese Truppen in französischen Sold zu nehmen. Geschah dies, so konnte sich der Herzog von Richelieu, trotz der Niederlage der Reichsarmee, sehr wohl an der Elbe behaupten. Derselben Ansicht waren auch die mecklenburgischen Minister und so nahmen die Verhandlungen ihren Fortgang.

Am 1. Dezember 1757 wurde von dem Grafen von Bassewitz und dem Baron Dittmar ein zweiter Traktat mit Mr. de Champeaux folgenden Inhalts abgeschlossen, welcher nur eine Erweiterung (développement) des ersteren sein sollte:

Art. I. Der Herzog verspricht für den Fall, dass die französische Armee nach Brandenburg oder Pommern vordringt, Stadt und Festung Dömitz dem König von Frankreich oder dem Kaiser und Reich in Verwahrung zu geben, jedoch soll der französische Kommandant dem Herzog von Mecklenburg als Eigentümer dieses Platzes den Eid leisten; auch willigt derselbe ein, dass französische Truppen die an Preußen und Hannover verpfändeten Ämter während des Krieges besetzen und dieselben für die Sache des Reichs benutzen.

Art. II. Dagegen verspricht der König von Frankreich, seine Truppen nicht aus den mecklenburgischen Plätzen herauszuziehen, ohne den Herzog davon zu benachrichtigen, und dieselben zurückzugeben, wenn Letzterer beabsichtigt, die Städte und Ämter durch seine Truppen besetzen zu lassen.

Art. III. Dem Könige soll es freistehen, Dömitz und die übrigen besetzten Plätze des Landes mit Befestigungen zu versehen, um dieselben zu sichern und vor Überrumpelungen zu schützen.

Art. IV. Für den Fall, dass die Ereignisse des Krieges ungünstig ausfallen und die Festung Dömitz von den Truppen des Königs von Preußen eingenommen würde, verspricht der König nur unter der Bedingung Frieden zu schließen, dass der Platz oder sonstige ihm abgenommene Gebietsteile dem Herzog von Mecklenburg wiedergegeben werden. Auch verheißt der König seine guten Dienste zu dem Ende, dass der Kaiser beim Friedensschluss sein Versprechen wegen Schadloshaltung des Herzogs erfülle.

Art. V. Der König verpflichtet sich, beim Friedensschluss den Herzog in denselben mit einzubegreifen und nach Abschluß des Friedens, um den Herzog gegen das Übelwollen der demselben feindselig gesonnenen Mächte sicher zu stellen, eine Defensiv-Allianz mit Mecklenburg und Schweden einzugehen, welche den Zweck hat, im Falle eines Angriffs diese Staaten sicher zu stellen.

Art. VI. Für den in Artikel IV angenommenen Fall verspricht der König, beim Friedensschluss seinen ganzen Einfluss anzuwenden, damit dem Herzog die 12 Ämter gegen Zahlung der Pfandsumme von Preußen und Hannover zurückgegeben werden.

Art. VII. Nehmen die Kriegsereignisse aber einen günstigen Verlauf, verspricht der König, sich die 12 Ämter abtreten zu lassen und sie an Mecklenburg zurückzugeben, unter der Bedingung, dass der Herzog für den Dienst des Königs in Deutschland . . .

Jahre lang 1000 Mann Fußvolk unterhält, welche jedoch niemals gegen Kaiser und Reich, noch in einem Religionskriege gegen die protestantischen Höfe verwendet werden dürfen.

Art. VIII. Wenn die Feindseligkeit mit dem Kurfürsten von Hannover wieder beginnen sollte, verspricht der König, sobald der Lauf der Ereignisse es gestattet, die 8 an Hannover verpfändeten Ämter, sowie das Fürstentum Sachsen-Lauenburg besetzen und dem Herzog unter den im vorigen Artikel aufgeführten Bedingungen unvorzüglich übergeben zu lassen, gegen die weitere Verpflichtung des Herzogs, ein zweites 1.000 Mann Fußvolk für den Dienst des Königs zu unterhalten. Erlauben aber die Verhältnisse eine Besetzung Lauenburgs nicht, so verheißt der König, beim Friedensschluss seine guten Dienste, um die Rechte des Herzogs auf dies Fürstentum anerkennen und in Kraft treten zu lassen.

Art. IX. Der König verpflichtet sich mit seinen Bundesgenossen, den König von Preußen zu veranlassen, gerechte Ansprüche, welche der Herzog an diesen Monarchen hat, zu erfüllen, auch den Vertrag über die Werbestreitigkeiten vom 1. August 1756 zu ratifizieren.

Art. X. Der König verspricht zu bewirken, dass der Kaiser, die Kaiserin von Österreich und der König von Schweden diesem Vertrage beitreten.

In zwei Separat-Artikeln heißt es weiter:

Art. I. Der König von Preußen hat sich vor mehreren Jahren widerrechtlich einiger mecklenburgischer Dörfer bemächtigt und dieselben mit der Besitzung eines seiner Vasallen in Pommern vereinigt. Da es nun nicht in der Absicht Schwedens liegen kann, diese Dörfer zu behalten, wenn es die brandenburgische Provins Pommern erobert haben wird, so verspricht der König von Frankreich, sein Möglichstes zu tun, um Schweden zu bewegen, dass es die Dörfer an Mecklenburg zurückgibt.

Art. II. Da der Herzog geltend gemacht, dass es für ihn sehr vorteilhaft sein würde, in den Besitz der Stadt Wismar und der Ämter Poel und Neukloster zu gelangen und dass hieraus Vorteile für den König durch Abschluß eines Handels- und Schifffahrtsvertrages mit Frankreich, welchen der Herzog sich verpflichten würde, abzuschließen, sich ergeben könnten, verspricht der König, seinen ganzen Einfluss aufzuwenden, um Schweden zu bewegen, gegen Erlangung anderer Vorteile dem Herzoge von Mecklenburg Wismar und die genannten Ämter abzutreten. Dagegen würde der Herzog seinen Ansprüchen auf Schweden, Dänemark, das Kurhaus Sachsen, sowie auf zwei Kanonikate in Halberstadt und Magdeburg zu Gunsten der Krone Schweden entsagen. -

Dieser zweite Traktat mit der Krone Frankreich, von „Champeaux, Dittmar und Bassewitz“ unterzeichnet, ist im Schweriner Archiv aufbewahrt, eine Ratifikations-Urkunde findet sich aber daselbst nicht vor. Trotzdem ist es sicher, dass eine beiderseitige Ratifizierung stattgefunden hat. Dass Herzog Friedrich, welcher sich große Vorteile von dem Vertrag versprach und über den Abschluß hoch erfreut war, denselben sofort ratifiziert und nach Versailles geschickt hat, geht aus den Akten zur Genüge hervor. Aber auch der König von Frankreich hat den Vertrag ratifiziert. Es liegen nämlich zwei Briefe des französischen Ministers des Innern, des Grafen von Bernis, vor, welche dies bestätigen. Am 22. Dezember 1757 schreibt derselbe an den Gesandten am Wiener Hofe, dem Grafen von Stainville: „Unser Vertrag mit dem Herzog von Mecklenburg ist am 1. d. M. unterzeichnet und Seine Majestät hat ihn ratifiziert“; und am 19. Februar des folgenden Jahres an Mr. de Champeaux: „Da der Herr Marschall von Richelieu keine hinlänglich sichere Gelegenheit gefunden hat, die Ratifikation der Vertrags nach Schwerin zu senden, hat er mir dieselbe zurückgeschickt. Bemerken Sie dem Herzog von Mecklenburg, dass die Verzögerung der Unterhandlung nur daher kommt, dass man ein Geheimnis nicht aufs Spiel setzen wollte, welches dem König von Preußen einen Vorwand geben würde, die Exzesse, welche er in dem Herzogtum Mecklenburg begeht, zu rechtfertigen, dass aber Seine Durchlaucht diese Ratifikation so betrachten möchte, als ob er sie wirklich in Händen hätte, und dass ich sie nur mit einer völlig sicheren Gelegenheit abschicken würde.“

Trotz jahrelanger, vielfacher Bemühungen seiner Minister ist diese Ratifikation aber niemals in die Hände des Herzogs gelangt; der französische Hof suchte und fand stets Ausflüchte, denn in Wahrheit, er wollte denselben nicht ratifizieren. Nach dem Rückzuge des Marschalls von Richelieu hinter die Aller und der Capitulation der französischen Besatzung in Harburg (30. Dezember) war der Vertrag wenigstens vorläufig völlig gegenstandslos geworden, und da man im französischen Hauptquartier, angesichts des traurigen Zustandes der Armee, allen Ernstes den Rückzug an den Rhein in Erwägung zog, war es der Klugheit nicht angemessen, unter diesen Umständen sich durch die Ratifizierung des Vertrags schwerwiegende Verpflichtungen für die Zukunft aufzuerlegen, ohne dafür greifbare Vorteile für die Gegenwart zu erlangen. Aus diesem Grunde, nicht aber, weil es ihm nicht möglich gewesen wäre, das Dokument auf sicherem Wege nach Schwerin zu schaffen, hat der Marschall von Richelieu in richtiger Würdigung der Interessen seines Souverains den ratifizierten Vertrag zuerst wohl auf eigene Verantwortung zurückbehalten, dann aber auf Befehl seiner Regierung zurückgesandt.

Auf diese Weise hat der zweite mit der Krone Frankreichs abgeschlossene Traktat niemals rechtsgültige Kraft erlangt. Fünf Jahre lang ließ sich die Schweriner Regierung durch die wälschen Ränke und Lügen hinhalten und die Geduld der mecklenburgischen Staatsmänner; wird nur dadurch einigermaßen erklärlich, dass König Louis an Mecklenburg monatlich 25.000 Livres zahlte welche Summe er dem Herzog in einem Briefe vom 4. Februar 1758 „aus freien Stücken“ bewilligte, zu welchem er sich aber, um den Herzog stets in der Hand zu behalten, niemals fest verpflichtet hatte. Wir kommen auf die Verhandlungen mit Frankreich später zurück.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg und der 7jährige Krieg