Die Rostocker Stadtsoldaten

Wer kennt in Meklenburg nicht die rostocker Stadtsoldaten, charakteristische, kleinbürgerliche Erscheinungen, welche aber doch originell genug sind, um dem Witz und der Laune hinreichend Nahrung zu geben! – Seit den ältesten Zeiten besaß Rostock das Recht der eigenen Vertheidigung und Besatzung der Stadt, ein Recht, welches im Mittelalter zur Zeit der Hansemacht durch eigenes Ansehen sich von selbst gebildet hatte, aber die allgemeine Landesvertheidigung und die fürstliche Landeshoheit nicht ausschloß, da Rostock nie reichsfrei war. Die kriegerische Macht der Stadt war in alter Zeit bedeutend. Noch im J. 1573 verpflichtete sich die Stadt in dem Erbvertrage, den Fürsten in vorkommenden Feldzügen ein gerüstet Fähnlein Knechte von 400 Mann nebst 2 Kanonen zu stellen. Nach und nach, namentlich gegen das Ende des 17. Jahrhunderts seit der Errichtung stehender Truppen, deren Befehligung und Verwaltung in die alleinige Hand der Landesherren kam, hörte das eigene Militair der Städte fast ganz auf. Zur Aufrechthaltung der Ordnung hatte Rostock immer einige stehende Söldner gehalten. Zuletzt waren es 33 Mann Stadt-Milice, welche der Herzog Carl Leopold in den bekannten Zerwürfnissen mit der Stadt bald nach seinem Regierungsantritt am 6. März 1715 auflöste.

Durch den zwischen dem Herzoge Christian Ludwig und der Stadt Rostock im J. 1748 endlich geschlossenen Vergleich verzichtete die Stadt auf das eigene Besatzungsrecht, behielt sich aber das Mitbesatzungsrecht dergestalt bevor, ,,künfig fünfzig Soldaten in der Stadt-Mondur zu halten.“ Dies sind die bis auf die neuesten Zeiten bekannten rostocker Stadtsoldaten, welche jedoch nur zur Ausübung der Polizei und nicht zur Vertheidigung der Stadt bestimmt waren, daher also des eigentlichen militairischen Geistes entbehrten. Sie gingen in die „Stadt-Mondur“ gekleidet, uämlich in rothen Röcken mit hellblauem Futter und Aufschlag, hellblauen Unterkleidern und einem altmodischen dreieckigen Hut. Diese in der Mitte des vorigen Jahrhunderts zugelegte Uniform behielten sie in dem alten Schnitt bis auf die neuesten Zeiten. Durch die vielfachen polizeilichen Berührungen mit den streng städtisch gesinnten Einwohnern Rostocks wurden sie oft Gegenstand des Witzes; namentlich aber betrachteten die Studenten, welche nicht unter der Gerichtsbarkeit der Stadt stehen, die harmlosen Krieger als fortwährende Ziel-Scheibe der Neckerei. Wahrscheinlich die Studenten hatten ihnen nach den Farben ihrer rothen und blauen Uniform den Beinamen ,,Krebse“ beigelegt, mit welchem sie fast überall in Meklenburg genannt wurden. Es werden viele lustige Schwänke erzählt, welche die Studenten an ihnen ausgeübt haben sollen, und jeder, der in Rostock studirt hat, wird den ,,Krebsen“ die Rückerinnerung an manchen heitern Augenblick verdanken. Seit dem Jahre 1829 und fortschreitend mit der Ausbildung des Militairwesens hat man eine Verbesserung der Stadtsoldaten vorgenommen, ihnen auch eine ganz andere, moderne Uniform mit Tzschackos gegeben und sie in blaue Röcke gekleidet; aber auch dies hat sie dem Witze nicht ganz entziehen können, indem derselbe sie mitunter „Hechte“ nennt, wenn sich auch nicht leugnen läßt, daß der weniger heitere Ton der Studenten unserer Zeit und die ernstere Haltung der Stadtsoldaten selbst diesen mehr die ihnen gebührende Stellung angewiesen hat, welche jedoch dem fürstlichen Militair gegenüber grade nicht furchtgebietend genannt werden kann.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1845