Abschnitt 2

Schwerin


So ward die Schelfe im Wesentlichen vollendet und es bedurfte nicht großer Beförderung, um die freundliche und gesunde Neustadt bald ganz zu bebauen. Der Herzog Christian Ludwig starb am 30. Mai 1756 und ward ebenfalls in der Schelfkirche beigesetzt, nachdem er im J. 1725 die in dem großen Brande des Schlosses zu Grabow unversehrt gebliebenen Leichen seiner Großmutter und seiner Aeltern in die Fürstengruft dieser Kirche hatte versetzen lassen.


Unter dem Herzoge Friederich Franz I. ward im J. 1787 das Werkhaus in der Bergstraße, im J. 1812 die Tuchfabrik am Ende der Bergstraße an der Stelle des Schießhofes der neuen Schützenzunft (jetzt eine Privat-Sägemühle mit der ersten (1842) Dampfmaschine in Schwerin) gegründet, 1813 die Justiz-Canzlei in die Schelfstraße verlegt, 1816 das Carolinenstift in der Apothekerstraße gestiftet, 1822 die Thierarzeneischule in der Amtsstraße gegründet, 1827 die Münze ausgebauet.

Mochte auch unter dem Großherzoge Paul Friederich die Neustadt Schelfe durch die Gründung der Paulsstadt zu leiden scheinen, so ward doch der Grund zu einem so großen Verkehr gelegt, daß die Neustadt wahrsscheinlich nie eine so sichere und dauernde Hülfe erhalten hat, als durch den unvergeßlichen Fürsten. Er führte nämlich den großartigen Gedanken aus, die östlichen Ufer des schweriner Sees durch einen Damm durch den See und eine Kunststraße durch den Werder mit der Stadt zu verbinden. Das Riesenwerk ward in den J. 1840 und 41 ausgeführt. Da die neue Chaussee sich in die Neustadt Schelfe mündet, so erwachte rasch ein reges Bauleben in den Gegenden zunächst der Chaussee und es entstanden sehr viele neue Häuser in der Werderstraße, welche jetzt erst zusammenhängend bebauet ward, in der Waisenhausstraße und den nächsten Querstraßen. Im J. 1838 ward die Justiz-Canzlei ausgebauet und vergrößert, im J. 1840 das große städtische und Domanial-Krankenhaus in der Werderstraße aufgeführt und darauf das Domanial-Krankenhaus in der Bergstraße zum Cadettenhause eingerichtet, im J. 1842 das güstrowsche Thor an der Werder-Allee und das Schulhaus hinter dem Krankenhause gebauet und im J. 1843 die Chaussee am Ziegelsee entlang auch in die Schelfstraße geführt.

Dies sind die Hauptschicksale der Schelfe. Wir sehen auf unserm Bilde die Neustadt Schelfe vom Ziegelsee und dem großen Sumpfe her die Schelf- und Königsstraße hinauf, rechts die Justiz-Canzlei, dahinter den Schelfmarkt und die Schelfkirche.

Die Paulsstadt.


Die Hausgärten der Altstadt Schwerin bespülte ein ziemlich großes Gewässer, der Pfaffenteich, dessen Ufer von Feldern und Gärten umgeben waren, welche sehr unscheinbar lagen, so reizend auch die Lage des Sees zu seinen fernem Umgebungen war. Kaum hatte der unvergeßliche Großherzog Paul Friederich seine Residenz nach Schwerin verlegt und neues Leben durch die Adern des alten Körpers gegossen, als er den hohen Gedanken faßte, an dem jenseitigen Ufer des Pfaffenteiches einen neuen Stadttheil zu gründen, denselben durch einen Damm mit der Altstadt und durch die Spielthorchaussee mit der Neustadt zu verbinden, dadurch den Pfaffenteich in die Stadt zu ziehen und durch dies Alles aus Schwerin eine Stadt zu machen, die in der Lage im Innern ihres Gleichen sucht. Alsbald waren hunderte von Händen unausgesetzt thätig, die Felder zu ebenen und zu terrassiren und einen Damm zur Neuen-, jetzt Friederichsstraße durch das sehr tiefe Südende des Sees zu schütten. Der neue Stadttheil, nach seinem Gründer Paulsstadt genannt, ward so angelegt, daß am Pfaffenteiche entlang eine Linden-Allee, ein Fahrweg und eine Reihe großer Häuser (die Alexandrinenstraße), hinter dieser Straße eine Straße mit zwei Reihen Häuser (Wismarsche Straße) lief und diese Straßen die nöthigen Querstraßen und einen öffentlichen Platz erhielten. Im J. 1840 war der Damm durch den Pfaffenteich (ein Theil der Arsenalstraße) unter großen Schwierigkeiten vollendet, die Neue Straße und die Bischofsstraße mit großen, prachtvollen Häusern bebauet. In demselben J. 1840 ward der Grundstein zu dem colossalen Arsenale gelegt und das erste Haus (des Oberbauraths Wünsch) nördlich neben dem Arsenale an der Alexandrinenstraße bezogen. In diesem Jahre wurden die ersten 6 Häuser an der Alexandrinenstraße gebauet, die Bebauung der wismarschen Straße begonnen, das wismarsche Thor aufgeführt und im J. 1841 der größere Theil der unvergleichlichen Paulsstadt vollendet, so daß der vielgeliebte Fürst bei seinem viel beweinten Scheiden am 7. März 1842 sein großes Werk als ausgeführt betrachten konnte. In der Zeit 1842/3 ward am nördlichen Ende der Alexandrinenstraße das große Domanial-Amts-Gebäude gebauet und unter Dach gebracht.

Wir sehen auf unserm Bilde von dem Palais-Garten auf der Schelfe über den Pfaffenteich den schönsten Theil der Paulstadt: vor uns das Zenghaus oder Arsenal, ein colossales, schönes, tüchtiges Werk des Hofbauraths Demmler, welches im J. 1840 gegründet und am Ende des J. 1842 unter Dach gebracht war, und rechts die ersten Privathäuser der Alexandrinenstraße. Links erblicken wir den kostbaren Erddamm durch den Pfaffenteich und auf demselben zuerst die Wohnung des Militair-Befehlshabers, dann das im J. 1842 erbauete Haus des Hofbauraths Demmler und in der Ferne die Fortsetzung der Arsenalstraße.

Der Schloßgarten.


Das größte Kleinod Schwerins ist der Schloßgarten, erhaben und reizend, ausgestattet mit den entzückendsten Gaben der Natur und geschmückt mit den anmuthigsten Erfindungen der Kunst, Einwohnern und Fremden stets ein beglückender Anblick. In den ältesten Zeiten gehörten die äußern Theile des Gartens zur Feldmark des nahen Stadtdorfes Ostorf, welche schon früh zerstückelt ward. Im Anfange des 16. Jahrh. legten die Herzoge auf der „Terrasse“ einen Finkenheerd an, an welchen sich nach und nach Weinberge und kleinere Anlagen anschlossen. Der Festungs-Charakter der Stadt und des Schlosses hemmte die freie Benutzung. Im Gegentheil ward der Raum vor dem Schlosse zu Gartenanlagen benutzt. Im J. 1572 ließ der Herzog Johann Albrecht I. vor der Burg einen Garten anlegen, welcher im 17. Jahrh. der Bahngarten, seit der Anlegung des neuen Schloßgartens bis heute aber der Alte Garten genannt ward, den noch der Herzog Christian Ludwig II. in der Mitte des vorigen Jahrhunderts verschönerte. – So blieb der Schloßgarten lange ohne besondere Beachtung, bis der Herzog Friederich Wilhelm im J. 1708 durch den Ingenieur - Capitain von Hammerstein den vordern Theil des Gartens im französischen Geschmack so anlegen ließ, wie er noch heute dem Blicke sich darbietet. Der Herzog Christian Ludwig that seit 1749 viel zu seiner Verschönerung. Mit geringen Veränderungen, zum Theil auch der Verwilderung entgegengehend, blieb der Garten aber in der alten Verfassung, bis der Großherzog Paul Friederich mit seiner klaren Einsicht die unvergleichliche Anlage auf den Standpunct hob, dessen sie würdig war. Zuerst ward das Dickicht des alten Gartens gelichtet und reizend verschönert, 1838/9 der Garten durch einen Bergrücken der Feldmark Ostorf bis gegen den „Püsser- Krug“ hin erweitert, in den nächsten Zeiten die Anlage um den Faulen-See und am Großen See entlang bis gegen Zippendorf hin gemacht und der Bau mehrerer Privat-Landhäuser vermittelt, im J. 1840 der Weinberg angelegt, und so fort ohne Rast geschaffen, daß bald das schöne Werk vollendet war.

Auf unserm Bilde sehen wir links den fürstlichen Wintergarten, an den die fürstlichen Sommergemächer stoßen, den Mittelpunct des Schloßgartens, im J. 1837 erbauet, und über der Chaussee nach Ludwigslust die in der Eisengießerei zu Güstrow gegossene, schöne eiserne Brücke, welche das Cavalier-Haus rechts mit den fürstlichen Gemächern in Verbindung setzt.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1844