Abschnitt 2

Güstrow


Die Kirche des Collegiat-Stifts oder der Dom, den wir auf unserm Bilde sehen, ist ein vielfach umgestaltetes Gebäude aus der Zeit des Uebergangstyls vom Rundbogen- zum Spitzbogen-Styl, und daher von nicht bedeutender Höhe. Die Kirche ist in der Grundform eines Kreuzes erbauet, jedoch nach und nach viel erweitert und verändert. Der mittlere Theil stammt sowoht im Aeußern, als im Innern aus der Zeit der Gründung des Collegiat- Stifts (1226) und ist im Uebergangstyle gebauet, namentlich das auf unserm Bilde sichtbare, der Stadt zugewandte nördliche Kreuzschiff, welches noch eine halbkreisförmige Pforte und Verzierung hat und eine Stellung von drei schmalen Fenstern aus der Uebergangszeit in jeder Wand, welche jedoch an mehreren Stellen durch die Einbrechung eines großen Spitzbogenfensters verwischt ist. Der jetzige hohe Chor ist, wahrscheinlich um das Ende des 14. Jahrhunderts, angebauet; eben so ist das Schiff im 14. Jahrhundert, in Folge des Anbaues einer Reihe von Kapellen an jeder Seite, ganz umgestaltet. Der Thurm ist ein trefflicher Bau aus der besten Zeit des Spitzbogenstyls und stammt wohl noch aus dem 13. Jahrhundert. Bei der in der Zeit von 1565–1568 beschafften Wiederherstellung des Doms durch die Herzogin Elisabeth, ward derselbe überaus prächtig mit Bildhauerarbeiten geziert, welche durch den Herzog Ulrich in der Folge noch vermehrt wurden, namentlich mit den Bildsäulen des Fürsten Heinrich Borwin II., der Herzogin Dorothea, ersten Gemahlin des Herzogs Christoph, und des Herzogs Ulrich und seiner beiden Gemahlinnen Elisabeth und Anna, mit deren äußerst zierlichen Reliefs und Stammbäumen, welche bis zu den Gewölben hinaufreichen, alles aus Marmor und Alabaster; auch wurden um diese Zeit Fürstenstuhl, Kanzel, Taufe und viele andere Zierden geschaffen, kurz es ward die Kirche so eingerichtet, wie sie im Wesentlichen noch jetzt besteht, welche neben der Doberaner Kirche die schmuckreichste Kirche des Landes ist. Ueber die Grabstätte Heinrich Borwins II., des Gründers des Doms und der Stadt, setzte der Herzog Ulrich ebenfalls ein Denkmal, welches vor dem ehemaligen Altare der Kirche steht, ehe der hohe Chor im Osten angebauet ward. Leider litt all dieser Schmuck nicht wenig, als die Kirche zur Zeit des Zuges der Franzosen nach Rußland zum Futter-Magazin dienen mußte.


Die Kirche besitzt die Begräbnißgrüfte vieler Fürsten. Die Grabstellen der werleschen Fürsten, von denen einige hier, die meisten aber in Doberan begraben sind, sind nicht mehr zu erkennen. Neben dem Grabe Borwins ist die Gruft für die Familie des Herzogs Ulrich, vor dem Altare die Gruft für die Familie des Herzogs Johann Albrecht II., in einer südlichen Seiten-Kapelle an der andern Seite neben dem Grabe Borwins die Gruft für die Familie des Herzogs Gustav Adolph, mit welcher die güstrowsche Residenz ausstarb.

Der Markt.


Nach dem Aussterben des fürstlichen Hauses Werle nahmen die Herzoge von Meklenburg freilich regen Antheil an Güstrow und wohnten auch mitunter auf dem dortigen Schlosse; jedoch ward der Flor der Stadt nur eben erhalten. Im 16. Jahrhundert sah Güstrow aber noch eine glanzvolle Zeit. Schon der Herzog Albrecht VI. hatte einige Zeit zu Güstrow residirt und unter dem tüchtigen Herzoge Magnus II. (†1503) erfreuete sich die Stadt reger fürstlicher Theilnahme. Zwar hatte sie das Unglück, wiederholt von furchtbaren Feuersbrünsten heimgesucht zu werden: am 28. Juliius 1503 brannte die ganze Stadt mit der Pfarrkirche und dem Rathhause ab, mit Ausnahme des Schlosses, des Domes und etwa 50 Wohnungen am Ziegenmarkte beim Mühlenthore; aber auch diese Wohnungen nebst 50 neu aufgeführten Häusern verzehrte das wüthende Element wiederum am 28. Jun. 1508, und am 8. Novbr. 1512 legte eine neue Feuersbrunst das ganze Schnoienviertel in Asche. Jedoch wurden die Spuren dieser Leiden durch die folgenden guten Zeiten bald verwischt und die Brände hatten eine festere Bauart veranlaßt, während bessere Polizei-Ordnungen überhaupt mehr für die Schönheit und Sicherheit der Stadt zu sorgen aufingen.

Nach vielen bedauerlichen Streitigkeiten zwischen den fürstlichen Brüdern, den Herzogen Heinrich dem Friedfertigen und Albrecht dem Schönen, kam endlich im J. 1534 ein Landestheilungsvertrag zu Stande, nach welcher Albrecht († 1547) wieder eine herzogliche Linie zu Güstrow stiftete. Freilich brachten dieses Fürsten überspannte Unternehmungen keinen Segen über das Land; aber dies konnte eben so wenig den Wohlstand der Stadt hemmen, als sein Eifer für den katholischen Glauben die Reformation zu unterdrücken vermochte. Von seinen Söhnen residirte der große Herzog Johann Abrecht I. bis zu seines Oheims Tode (†1552), zu Güstrow. Auch zwischen ihm und seinem Bruder Ulrich († 14. März 1603) herrschten leider lange die bittersten Streitigkeiten über die Theilung des Landes, bis der letztere im J. 1555 das Herzogthum Güstrow erhielt und eine so glanzvolle Zeit über die Stadt herbeiführte, wie sie nie eine ähnliche gesehen hat. Das Schloß, das Innere des Domes und die Domschule sind noch glänzende Zeugnisse von der Wirksamkeit dieses wackern Fürsten und seiner edlen Gemahlinnen. Nach Ulrichs Tode brachen zuerst arme Zeiten, dann unter seines Bruders Enkeln, von denen der jüngere Johann Albrecht II. im J. 1611 Güstrow in der Landestheilung erhielt, der dreißigjährige Krieg herein, welcher Güstrow zwar zum welthistorischen Namen erhob, aber durch Kriegsdruck, Pesten und Ungemach aller Art viel Leid über die Stadt brachte. Der schwache Herzog Johann Albrecht II. († 1636), welcher den reformirten Glauben stark begünstigte, mußte im Mai 1628 vor dem gewaltigen Herzoge Wallenstein weichen, welchem seit dem 19. Jan. 1628 das Herzogthum Meklenburg angewiesen war. Güstrow ward nun Hauptsitz der wallensteinschen Verwaltung. Der große Kriegsheld und tüchtige Landesregent nahm selbst mit seiner Familie seine Residenz zu Güstrow und wohnte hier vom 27. Julii 1628 bis zum 19. Julii 1629, mit ernster Sorge für sein neues Land beschäftigt. Er ließ Tag und Nacht mit der größten Anstrengung an der Verschönerung des Schlosses und dessen Umgebungen arbeiten, zog alle hohen Landesbehörden in Güstrow zusammen und versammelte um sich einen glänzenden kriegerischen Hof. Doch dauerte sein Regiment nicht lange, nicht viel länger das des wiedereingesetzten Herzogs Johann Albrecht II. Noch einmal sah Güstrow unter der Regierung seines Sohnes, des tüchtigen Herzogs Gustav Adolph, einen lebenbringenden Fürstenhof, bis im J. 1695 mit ihm die güstrowische Linie erlosch und die Stadt dadurch die Residenz verlor. Zur Entschädigung ward die Verlegung des Hof- und Land-Gerichts nach Güstrow bestimmt, welches, nach Ueberwindnng der Regierungszeit des Herzogs Carl Leopold, 1748–1818 seinen Sitz in Güstrow hatte und seitdem durch die Gründung einer Justiz-Canzlei, welche ein neues Gebäude erhielt, ersetzt ward. Durch diese hohen Gerichtshöfe ward Güstrow der Wohnort vieler Rechtsgelehrten und gewann dadurch bedeutenden Ruf und großen, Gewinn bringenden Geschäftsverkehr. Im J. 1763 war zu Güstrow eine unter dem Namen des Steuer-Collegii bekannte städtissche Steuer-, Polizei- und Kämmerei-Commission niedergesetzt, welche im J. 1837 mit der Beschränkung als Steuer-Departement nach Schwerin versetzt ward.

Die Verluste, welche Güstrow im Laufe der Zeit erlitten hat, sind in neuern Zeiten zum Theil dadurch ersetzt, daß die Stadt der Mittelpunkt des landwirtschaftlichen Verkehrs Meklenburgs ward. Es erhielt jährliche Pferderennen, den Haupt- Wollmarkt, zu welchem ein Magazin erbauet ward, das auch zum Schauspielhause benutzt wird, die Hauptversammlungen des patriotischen Vereins u. s. w.; im J. 1817 ward das Schloß zum Landarbeit Hause eingerichtet. Dies Alles hat noch immer einen sehr lebendigen Verkehr in Güstrow erhalten.

Auf unserm Bilde sehen wir den geräumigen Marktplatz mit dem Rathhause und der Pfarrkirche.

Die Pfarrkirche ist ein sehr breites, jedoch nicht schönes Gebäude. Sie besteht aus 4 neben einander liegenden Schiffen, ohne Chor und Kreuzsschiffe, hat in Folge dessen vier Dächer neben einander, ist vielfach durchbrochen und erweitert, wahrsscheinlich weil sie nach und nach durch Anbaue vergrößert ist; sie ist in dieser Eigenthümlichkeit weder im Bau, noch im Schmuck bemerkenswerth. Das Schönste an ihr ist die geschmackvolle Thurmspitze mit einer offenen Gallerie. Die Kirche stand zum Theil schon im 13. Jahrhundert, uud war eine Tochterkirche des Doms. Schon im J. 1308 ward ihr die Kapelle zum Heil. Geist einverleibt. Bei dem großen Brande im J. 1503 brannte sie aus; sie ward aber im J. 1508 im Gemäuer wieder hergestellt und mit 18 Altären geweihet. Die jetzt noch stehende Kirche stammt in dem Gemäuer ohne Zweifel noch aus dem Mittelalter.

Das Rathhaus ist ebenfalls im Anfange des 16. Jahrh. erbaut, nachdem der Brand vom J. 1503 das alte verzehrt hatte, und besteht ebenfalls aus vier Längsgebäuden neben einander. Im Aufange unsers Jahrhunderts hat es eine neue Fronte erhalten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1844