Abschnitt 1

Güstrow


Der Ort Güstrow bestand ohne Zweifel schon zur wendischen Zeit, wie der Name (Guzstrowe – Grünberg ?) andeutet; jedoch spielte er vor der Durchdringung deutscher Sitte keine Rolle und wird vor dem J. 1219 gar nicht genannt. Die deutsche Stadt ward im J. 1222 an dem rechten Ufer der Nebel, an der Stelle der jetzigen Vorstadt vor dem Mühlenthore, gegründet. Es läßt sich aber aus dem Aufenthalt der Landesfürsten zu Güstrow vor der Gründung der Stadt schließen, daß Güstrow eine wendische Fürstenburg war, welche, nach wendischer Weise, ohne Zweifel in den tiefen Wiesen am linken Nebelufer an derselben Stelle lag, wo immer das fürstliche Schloß gestanden hat und noch steht.


Die Stadt Güstrow.


Wirklich liegt auch die Stadt am linken Ufer des Flusses reizender und bequemer. Der Boden ist hier fruchtbarer, die Seen und anderen Gewässer, die fetten Weiden sind näher, die Gestaltung der Gegend ist mannigfaltiger, die Waldhöhen sind nicht ferne. Denkt man sich die nächsten Höhen von Laubwald beschattet, so mag in alten Zeiten das Bild der Landschaft viel reizender gewesen sein, als jetzt, wo die Gegend fast ganz kahl geworden ist. Daher gewährt Güstrow auch noch jetzt von der westlichen Seite her, von der sternberger Landstraße, schon aus weiter Ferne von den Höhen ein eigenthümliches, reiches Bild, welches in der weiten, grünen Senkung vor den sich dahinter erhebenden Waldhöhen ruhig und groß dasteht. Auf unserm Bilde sehen wir die Stadt von der südlichen Seite.

Der Dom zu Güstrow.


Die Beibehaltung der Burg Güstrow als Residenz war ein glücklicher Gedanke der Landesherren und gab der jetzigen Stadt die Entstehung. Heinrich Borwin II. hatte Güstrow zu seiner Lieblingsresidenz erwählt und beschloß hier auch sein junges Leben am 4. Junii 1226. Einen Tag vor seinem Tode, am 3. Junii 1226, stiftete er, auf Rath des Bischofs Brunward von Schwerin, in Gegenwart seines greisen Vaters Borwin I., seiner minderjährigen Söhne, Johann, Nicolaus, Heinrich (Später Borwin III.) und Pribislav, des Grafen Heinrich von Schwerin und vieler Geistlichen und Edlen des Landes in der Nähe der Burg ein Collegiat-Dom-Stift zu Ehren der Heil. Jungfrau Maria, des Evangelisten Johannes und der heil. Cäcilie; er richtete es zunächst für 10 Domherren ein, verschaffte diesen von dem Bischofe die freie Wahl der Würdenträger, eines Propstes, Dekans, Scholasticus, Cantors und Thesaurarius, und der übrigen Domherren und bewidmete das Stift mit den Dörfern Gutow, Bölkow, Gantschow, Dehmen, mit 4 Hufen in jedem der Dörfer Sukow, Camin und Carow und mit der Fisscherei und der Insel im Gutower See.

Wie das Kloster Doberan durch Mönche des Klosters Amelungsborn gestiftet war, so war die Landschaft von Güstrow ohne Zweifel durch Hülfe von Geistlichen aus den alten Bisthümern Hildesheim und Halberstadt zur christlichen und deutschen Bildung geführt. Daher ward das Domstift Güstrow bei der Stiftung nach dem Muster der bischöflichen Kirche zu Hildesheim eingerichtet, und am 1. Junii 1229 schenkten die beiden mittlern Söhne Borwins II. die Dörfer Rosin dem Kloster Michaelstein im Bisthume Halberstadt, wozu dasselbe im J. 1292 das Dorf Glevin mü der Gleviner Mühle erwarb und bald einen Klosterhof in der Stadt Güstrow erbauete.

Bald nach der Stiftung des Doms zu Güstrow brachen zwischen dem Bisschofe von Schwerin und dem pommerschen Bischofe von Camin Streitigkeiten über die Ausdehnung ihrer Sprengel aus, welche über 25 Jahre dauerten, bis der Bischof von Camin seine Ansprüche siegreich behauptete. Jedoch lag die Grenze beider Bisthümer zwischen der Alt- und Neustadt Güstrow, und die Altstadt Güstrow und die S. Georgen- Kapelle am rechten Nebelufer gehörten noch zum Bisthume Schwerin; die neue Stadt Güstrow und also auch der Dom gehörten fortan aber zum Bisthume Camin. Am 15. Sept. 1235 bestätigte und erweiterte der Bischof Conrad von Camin das Stift, wofür die Domherren ihrem Decan nach der Regel der caminer Kirche zu folgen versprachen; dazu verlieh er dem Domstifte die Archidiaconats-Regierung der Kirchen jener Gegend, da das Collegiatstift Güstrow gleichsam ein Eckstein des Bisthum Camin war.

Seit dieser Zeit war das Domstift Güstrow die Lieblingsstiftung der Fürsten von Werle, wie es das bedeutendste Männerstift in diesem Lande war und der Propst zu den Prälaten des Gesammtlandes Meklenburg gehörte. Der Bischof von Schwerin aber stiftete im J. 1248 ein Dom-Collegiat-Stft in der nahen Stadt Bützow.

Das Domstift Güstrow war ursprünglich für 10 Domherren bestimmt, welche in Güstrow ihre Residenz haben mußten; die 6 ersten besser ausgestatteten Pfründen waren für die 4 höchsten Würdenträger des Stifts und 2 Domherren von hoher Herkunft bestimmt, wie denn auch einige Fürsten Domherren zu Güstrow waren. Bei dieser Bestimmung und dem Range, welchen das Dom-Capitel einnahm, gehörten die meisten Domherren gewöhnlich den ersten adelichen Familien des Landes an und das Stift ward von allen Seiten sehr reich bedacht. Der Reichthum des Stifts wuchs daher so sehr, daß nach und nach viele geistliche Pfründen errichtet werden konnten und das Stift in den letzten Zeiten 15 Domherren und sehr viele Vicarien, die Stadt aber im Ganzen an 50 Geistliche hatte.

Gegen die Mitte des 14. Jahrhunderts suchte das reiche Domstift, welches im J. 1318 dem Fürsten Johann von Werle 10.000 Mark Silbers zu seiner Lösung aus der Gefangenschaft vorschießen konnte, sein Ansehen durch Benutzung der damals herrschenden Judenverfolgungen zu vermehren. Im J. 1330 sollten die Juden in der Synagoge eine Hostie durchbohrt haben; schon im J. 1325 hatte sich ein ähnlicher Auftritt zu Crakow ereignet. Es ward ein peinlicher Proceß eingeleitet und in Folge dessen die ganze Judenschaft von Güstrow verbrannt. An der Stelle der Synagoge ward zur Verehrung der durchbohrten uud wiedergefundenen Hostie die Heil. Bluts-Capelle erbauet, deren Verwaltung und Versorgung durch Priester die Domherren an sich nahmen. In dem ersten großen Brande im J. 1503 brannte auch die Capelle ab, die Hostie ward aber gerettet und in den Dom versetzt. Im J. 1509 stiftete der Herzog Heinrich ungefähr an derselben Stelle ein Franziskaner-Kloster, die letzte größere katholische Stiftung im Lande. Die Klosterfreude in Güstrow dauerte jedoch nicht lange; im Jahre 1520 Ward das fertige Kloster eingeweihet und schon im Jahre 1524 begann die Reformation, und innerhalb zehn Jahren verloren sich die Mönche nach und nach. Die leer stehende Klosterkirche verfiel am Ende des 16. Jahrhunderts, so daß im J. 1592 die Gewölbe bloß standen, und ward im J. 1623 unter dem Herzoge Johann Albrecht II. abgebrochen, um aus den Steinen eine reformirte Kirche vor dem Schlosse zu bauen; das Klostergebäude aber, noch jetzt Klosterhof genannt, ward zum Sitze des fürstlichen Domainen-Amtes bestimmt.

Die Reformation begann in Güstrow im J. 1524 durch die Predigt des Joachim Krause in der Kirche des Hospitals zum Heil. Geist. Lange sträubte sich das Dom-Capitel gegen die Anerkennung der lutherischen Lehre, zumal der Herzog Albrecht von Meklenburg-Güstrow dem katholischen Glauben anhing. Selbst noch im J. 1547, als der Herzog Johann Albrecht I., der bis zum J. 1552 zu Güstrow wohnte, den evangelischen Prediger Gerhard Oemecke zum Dom-propst bestellte, wagten die Domherren, den Gottesdienst mit Gewalt zu stören, bis das Papstthum im Lande im J. 1550 aufgehoben ward. Die streng katholischen Domherren stellten jedoch erst auf einen besondern Aufhebungsbefehl des Herzogs vom 19. Julii 1551 die katholischen Andachtsübungen ein und verließen jetzt erst nach und nach ihre Pfründen, und im J. 1552 waren alle Spuren des Katholicismus verschwunden. Der Dom aber blieb, nachdem der Herzog im Mai 1552 ein Inventarium hatte aufnehmen und die werthvollern Gegenstände in Sicherheit bringen lassen, wüst stehen und ward zum Wagenschauer und Materialienhause benutzt, bis die treffliche Herzogin Elisabeth sich des Gebäudes annahm und mit ihrem Gemahle, dem würdigen Herzoge Ulrich, im J. 1565 die Wiederherstellung desselben begann. Die Propstei aber ward bei der Aufhebung des Katholicismus am Dom in eine Superintendantur verwandelt, deren Sitz bis heute Güstrow geblieben ist. Im J. 1560 hatte der Herzog auch die Domschule, welche schon im J. 1551 ein protestantisches Gymnasium geworden war, in das Gebäude, welches sie jetzt noch besitzt, verlegt und durch eine würdige Einrichtung zu der Höhe erhoben, auf welcher sie noch heute steht.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1844