Abschnitt 1

Gadebusch


Gadebusch ist eine der ältesten, wenn nicht die älteste Stadt des Landes und in vieler Hinsicht sehr merkwürdig. Das Städtchen liegt ungefähr 2 Stunden nordwestlich von Schwerin an der Straße nach Lübeck in einer heitern, lieblichen Gegend, welche von fruchtbaren Feldern, Wäldern, Wiesen und Wassern belebt ist, an dem Flüßchen Radegast, welches oberhalb der Stadt in der Nähe des nahen Dorfes Radegast entspringt, und an einem reizenden Walde auf einer Höhe, welche dicht an die Stadt und die Radegast rückt. Die Stadt steht in dem allgemeinen Rufe, daß sie in der wendischen Zeit ein Hauptsitz der Verehrung des großen Götzen Radegast gewesen sei und man giebt sogar ein großes Rosenfenster aus Bronze in dem Thurmgiebel der Kirche für die Krone des Gottes aus. Daher hat man auch den Namen der Stadt: Gadebusch, durch Gades=busch oder Godes=busch, d.h. Gotteshain, erklären zu müssen geglaubt und die Stadt führt daher den meklenburgisschen Stierkopf und eine Linde im Siegel. Aber der Name der Stadt ist ohne Zweifel welldisch und lautet in der ältern Zeit und das ganze Mittelalter hindurch nur Godebuz, welches ungefähr: (Ort) des guten Wesens bedeuten würde. Dieser Name der Stadt und der Name des Flüßchens Radegast, zumal dessen Quellen in der Gegend der Stadt liegen, reden allerdings stark dafür, daß der Ort ein Sitz der Verehrung des großen Gottes Radegast, eines guten Gottes der Wenden, gewesen sei.


Gadebusch gehörte, nach dem Umfange des Bisthums Ratzeburg, in welchem es späterhin lag, zu schließen, zum Lande der Polaben, welches im Jahre 1142 von Heinrich dem Löwen an Heinrich von Badewide als eine sächsische Grafschaft gegeben war. Seitdem blieb Gadebusch bei der Grafschaft Ratzeburg, So lange diese bestand, und war wohl nächst Ratzeburg der wichtigste Ort der Grafschaft, in welcher im J. 1154 auch ein Bisthum zu Ratzeburg gestiftet ward. Die Grafen von Ratzeburg hatten zu Gadebusch auch ein sestes Schloß, welches ohne Zweifel auf dem großen Burgwall, in einer wasserreichen Niederung, am Ende der Stadt, stand, aus welchem alle Zeiten hindurch ein Schloß, jetzt Amtshaus, gestanden hat. In dieser Zeit, als der Graf von Ratzeburg sich zuverlässig ein Schloß nach deutscher Weise auf dem wendischen Burgwalle von Gadebusch erbauete, wird auch der ältere Theil der Kirche erbauet sein, welche durch ihre Entfernung vom Schlosse den Beweis liefert, daß hier schon im 12. Jahrhundert ein stadtähnlicher Ort neben der Burg bestand. So ward diese Gegend Meklenburgs am frühesten zum Christenthume und zu deutscher Sitte gebracht.

Der Graf Heinrich von Ratzeburg starb im J. 1164. Ihm folgte in der Grafschaft sein einziger Sohn Bernhard I. Die Glückssonne Heinrichs des Löwen neigte sich ihrem Untergange und es erging die Reichsacht über ihn; mir wenig Freunde, unter diesen auch Graf Bernhard, blieben ihm treu. Aber auch mit diesem entzweiete sich der Löwe aus Verdacht der Untreue Weihnacht 1180 zu Lüneburg. Der Herzog zog vor Ratzeburg; nach der Einnahme der Stadt erhielt der Graf zwar die Freiheit, ward aber von Ratzeburg vertrieben: er zog mit seiner Familie und seiner Habe im J. 1181 nach Gadebusch. Aber auch dorthin verfolgte ihn der Zorn des sinkenden Löwen: er konnte den Verdacht der Untreue nicht aus den Falten seines Herzens verdrängen, sondern griff noch in d. J. Gadebusch an, zerstörte die Burg und nahm viele Beute. Der Graf Bernhard floh zu dem neuen Herzoge Bernhard von Sachsen. Heinrich der Löwe ging 1182 in die Verbannung nach England und der Graf von Ratzeburg erhielt sein Land wieder. Nach vielen Wechselfällen des Krieges seit der Rückkehr des Löwen und bei dem verwirrten Zustande der Dinge im Norden Deutschlands, auch durch den in Feindseligkeiten ausgearteten Meinungszwist mit seinem Sohne gebeugt, zog sich der Graf Bernhard I. in das Domherrenkloster zu Ratzeburg zurück, wo er im J. 1194 kurz vor dem Tode Heinrichs des Löwen (6. Ang. 1195), versöhnt mit seinem Sohne Bernhard II., starb. In den Kriegszügen nach dem Sturze des Löwen war (1187) Bernhards I. ältester Sohn gefallen; bald darauf war auch sein zweiter Sohn Volrad gestorben; sein dritter Sohn, Bernhard II., geistlichen Standes, ward vom Papste seiner Gelübde entbunden, vermählte sich mit der Gräfin Adelheid von Hallermund und folgte seinem Vater in der Regierung der Grastschaft, aber auch bald, im J. 1198, ins Grab. Er hinterließ einen minderjährigen Sohn, Bernhard III., für welchen seine Mutter Adelheid, später an den Grafen Adolf von Dassel vermählt, die Vormundschaft führte; der jetzige Bernhard III. starb jedoch auch schon im J. 1200 und mit ihm erlosch das Geschlecht der Grafen von Ratzeburg.

Graf Adolph von Dassel erhielt auf kurze Zeit die erledigte Grafschaft Ratzeburg. Während der Zeit hatten die Könige von Dänemark in unablässigem Bestreben ihren gebietenden Einfluß über die Wendenländer geltend gemacht und der König Knut vermochte jetzt die Obotritenfürsten Borwin und Niclot, den Grafen Adolph von Ratzeburg mit Krieg zu überziehen. Es kam am 25. Mai 1201 bei Waschow zu einer blutigen Schlacht, in welcher zwar der edle Niclot, Borwins Vetter, fiel, die obotritischen Christen aber einen so glänzenden Sieg über die Gräflichen davon trugen, daß endlich Graf Adolph vor dem Hasse seiner schwer gedrückten Unterthanen fliehen und die Grafschaft verlassen mußte; er verschwindet seitdem aus der Geschichte. Die Ratzeburger warfen sich aber, um der Kriegsnoth vorzubeugen, den Dänen in die Arme und die Burgen Gadebusch und Wittenburg öffneten des Königs Bruder Waldemar bald darauf die Thore. So war Waldemar II., nach dem Tode seines Bruders Knut, im J. 1203 zum König der Dänen und Wenden ausgerufen, im Besitze der Oberherrsschaft aller Länder zwischen den Oder- und Elbemündungen, bis der kühne Graf Heinrich I. von Schwerin durch die Gefangennehmung des Königs in seinem eigenen Lande (am 6. Mai 1223) und die Schlacht bei Bornhövd (am 22. Julii 1227) der dänischen Herrschaft in Deutschland auf immer ein Ende machte.

Das ratzeburger Land war seit der Dänenherrschaft eine von Dänemark abhängige Grafschaft geworden. Nach der Schlacht von Bornhövd kam das Land Ratzeburg an die Herzoge von Sachsen und das Land Wittenburg wieder an die Grafen von Schwerin. Das Land Gadebusch aber war schon während der Dänenherrschaft, wahrscheinlich in Folge der Schlacht bei Waschow, an das Fürstenhaus Meklenburg gekommen, bei welchem es auch seitdem geblieben ist.

Der Fürst Borwin I. von Meklenburg theilte, von dem herannahenden Alter und vielen Mühen gebeugt, im J. 1218 die Herrschaft mit seinen Söhnen, indem er dem ältern Heinrich Borwin II. die östliche, dem jüngern Nicolaus die westliche Herrschaft übergab. Nicolaus nahm seine Residenz auf der Burg Gadebusch, welche mehrere Jahrhunderte hindurch mit Unterbrechung fürstliche Residenz blieb. Der Fürst Nicolaus von Gadebusch starb vor seinem Vater, etwa um das J. 1225, indem er beim Einbruche eines Söllers der Burg Gadebusch den Hals brach. Im J. (1225) bewidmete der alte Borwin mit seinen beiden Söhnen Gadebusch mit der Stadtgerechtigkeit und dem lübischen Rechte und machte den Ort dadurch zu einer deutschen Stadt. Der nordwestliche Landestheil das eigentliche Land Meklenburg, ging im J. 1227 auf Heinrich Borwins ältesten Sohn Johann den Theologen über, welcher seine Residenz vorzüglich zu Gadebusch hatte, bis er im J. 1256 Wismar zur Residenz der Herren von Meklenburg erhob. Unter den Fürsten Nicolaus und Johann war Gadebusch der wichtigste Ort im Lande: in der Nähe des schon früh zum Christenthume bekehrten Ratzeburg war es diejenige Residenz der einheimischen Fürsten, in welcher deutsche Sitte sich vorzüglich ausbildete. Hier, auf einem alten Burgwalle und doch gesund und freundlich gelegen, hielten die Fürsten, die andern alten Wälle in den tiefen Sümpfen meidend, am liebsten Hof, und an ihm fügten sich die meisten der einheimischen adeligen Geschlechter in die deutsche Sitte, indem sie nach und nach Lehen in den Dörfern im Lande Gadebusch, und davon Namen und Burgdienste auf der Burg Gadebusch nahmen; vorzüglich war es Dethlof von Gadebusch, aus einem alten wendischen Geschlechte, Verwandter des Bischofs Brunward von Schwerin, später Herr von Loiz, welcher lange Zeit hindurch die Entwickelung des neuen Zustandes am Hofe zu Gadebusch regierte. Auch Heinrich der Pilger war öfter in Gadebusch. Dadurch ward Gadebusch sehr wohlhabend, so daß es am 12. Mai 1309 die Feldmark des Dorfes Schwemm in zur Stadtfeldmark kaufen konnte. Während der Pilgerfahrt (1272) und Gefangenschaft des Fürsten Heinrich I. suchte sein dritter Bruder Johann, Domherr zu Lübeck, Antheil an der Landesregierung und Vormundschaft seiner Bruderkinder zu gewinnen und nahm in dieser Absicht im J. 1273 Gadebussch in Besitz, von wo aus er die in Wismar residirende Vormundschaft der Fürstin Anastasia und ihrer Räthe vielfach beunruhigte und befehdete, wodurch bis zum J. 1278 häufige Kriege entstanden, in denen Gadebusch nicht wenig litt. Darnach lebte der Fürst „Johann von Gadebusch“ mit seinem Ländchen zufrieden, vermählte sich, nachdem er im J. 1283 den geistlichen Stand verlassen hatte, und starb im J. 1299. Durch die dauernde Gunst der Fürsten weilten auch Glieder der alten adeligen Familien gerne in Gadebusch, theils als Burgmänner, theils als Geistliche, namentlich die von Bülow, welche schon 1309 und 1381 in der Kirche zu Gadebusch zwei Vikareien stifteten, an welchen sehr häufig Mitglieder der Familie als Priester standen; daher waren auch die Pfarrer von Gadebusch oft Männer von Bedeutung, wie der nachmalige Bischof Gottfried v. Bülow (1292–1314), des Herzogs Albrecht Canzler Johann Schwalenberg, u. A.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1844