Bauer und Bäuerin von Poel

Die Insel Poel (wendisch Pole, d. i. Ebene), 1 Meile nördlich von Wismar, gerade vor dem wismarschen Meerbusen, ist das einzige Inselland Mecklenburgs von Bedeutung, ungefähr 2/3 M. groß, und hat daher wegen ihrer Größe und Lage immer einige historische Bedeutsamkeit gehabt. Das Ländchen ist durchaus eben und waldleer, aber fruchtbar; namentlich ist es bekannt durch den „Poeler Kohl“, welcher in sehr großen Massen durch Mecklenburg und Holstein verfahren wird, weshalb die Insel auch wohl „Kohlgarten“ genannt ist. Ackerbau und Fischerei beschäftigen vorherrschend die wohlhabenden Einwohner, welche noch manche Eigentümlichkeiten haben. Die Insel hat 12 Dörfer mit der Pfarre „Kirchdorf“ in der Mitte und an einem, tief in das Land einschneidenden Meerbusen (,,Kirchsee“). Schon der Herzog Heinrich der Löwe von Sachsen schenkte das Dorf Fährdorf dem Bistume Lübeck, in dessen Sprengel die Insel lag. Bis gegen das J. 1210 war die Insel noch von Wenden bewohnt, jedoch so spärlich, dass das Land nicht bebauet werden konnte; der Fürst Borwin I. rief daher deutsche Anbauer auf die Insel und vereinigte sich im J. 1210 mit dem Bischofe Theodorich über die von den Bewohnern zu entrichtenden Zehnten. Vom Ende des 13. Jahrhunderts bis zum J. 1316 war Poel Leibgedinge und Wittum der Fürstin Anastasta, Witwe des Fürsten Heinrich des Pilgers, und darauf Wittum der Luitgard, einer Enkelin Heinrichs des Pilgers, deren Vater Johann kurz nach seiner Vermählung ertrank, als er nach Poel auf die Jagd fahren wollte. Im Jahre 1318 verpfändete der Fürst Heinrich der Löwe die Insel an die v. Plessen, v. Preen und v. Stralendorf. Im Laufe des 14. Jahrhunderts erwarb das Hospital zum Heiligen Geist zu Lübeck, entweder unmittelbar von den Landesherren, oder mittelbar von den Pfandbesitzern die Dörfer Seedorf, Brandenhusen, Weitndorf, Wangern und Neuhof, welche im J. 1803 von Mecklenburg wieder erworben wurden; diese Dörfer werden noch jetzt „lübische Dörfer“ genannt und ihre Bewohner besitzen noch manche wichtige Vorrechte. In der Regel teilte die Insel mehr oder weniger die Schicksale der Stadt Wismar. Auf Poel stand wohl zu verschiedenen Zeiten ein fürstliches Schloss am Meerbusen bei Kirchdorf; seit dem J. 1613 baute es aber der Herzog Adolph Friederich I. großartig und mit starker Befestigung, so wie auch die Festung auf dem „Wallfisch“ auf; noch jetzt zeugen Ruinen von den mächtigen Bauten. Wallenstein richtete ebenfalls ein scharfes Augenmerk auf die Insel. Nach seiner Verdrängung ward im J. 1632 vergleichsweise und im J. 1648 durch den westfälischen Frieden die Insel, mit Wismar und Neukloster, an die Krone Schweden abgetreten, von welcher sie im J. 1803 wieder an Mecklenburg kam. Daher werden die übrigen Dörfer außer den lübischen Hospitaldörfern auch die „schwedischen Dörfer“ genannt.

Aus dem Mitgeteilten ergibt sich, dass die Bewohner der Insel weht ohne Zweifel deutscher Abkunft sind; sie sind, wie es ihre vielgestaltete Lebensart mit sich bringt, kräftig, tätig und gleich gewandt zu Lande und zu Wasser. Von ihren Volkstümlichkeiten verliert sich jedoch von Jahr zu Jahr mehr; denn die Mode macht sich auch auf der fernen Insel geltend.


Auf unserem Bilde sehen wir die Poeler Volkstracht, wie sie nach den Überlieferungen der ältesten Leute und nach einigen Überresten im Anfange unsers Jahrhunderts war.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1844