Schwerin - Die Altstadt

Das Innere der Altstadt Schwerin hat, mit Ausnahme des Domes und des Marktes, bis auf die neuern Zeiten, keinen bemerkenswerthen Punkt gehabt, zumal da es ihr sonst ganz an öffentlichen Plätzen und Gebäuden fehlt. Allgemeinere und höhere Bestrebungen wandten sich immer gegen die Fürstenburg hin. Und so vereinigte sich fast Alles, was die Stadt Schwerin früher sehenswerthes hatte, um den öffentlichen Platz vor dem Schlosse, welcher wegen seiner reizenden Aussichten zu den schönsten Plätzen Norddeutschlands gehört.

Wir sehen auf unsern Bildern.


• Die Altstadt Schwerin vom Schlosse im J. 1842 und

• Die Altstadt Schwerin vom Schlosse vor 100 Jahren

diesen Platz mit seinen Umgebungen und dahinter die Altstadt bis zum Dome, ungefähr von demselben Standpunkte, wie man den für die Altstadt einzig günstigen Anblick aus den Fenstern der Wohnzimmer des Landesherrn auf dem alten Schlosse früher genoß und jetzt genießt. Die Vergleichung beider Bilder wird einen klaren Ueberblick über die Geschichte des Platzes und seiner Umgebungen liefern.

In ältern Zeiten nannte man den Platz „Vor der Burg.“ Er war von der Stadt durch einen „Grabe“ („Grube“) und Plankwerk geschieden, welches an der Theaterstraße (früher Armensünderstraße) entlang ging. Vor der in die Stadt führenden Burgstraße stand das Burg Thor. Der Herzog Johann Albrecht I. ließ am Ende seines Lebens (1572- 1576) den Platz zu einem Garten umschaffen, welcher mit der Zeit wegen seiner Lage vor der Reitbahn der Bahngarten hieß, am Ende des 17. Jahrhunderts aber, nach Anlegung des großen Schloßgartens, den Namen des Alten Gartens erhielt, den der Platz noch jetzt führt; er ward von 1693 bis heute zum Paradeplatz benutzt. Der Herzog Christian Ludwig II. ließ ihn um die Mitte des vorigen Jahrhunderts neu einrichten und mit Springbrunnen zieren. Der Großherzog Paul Friederich that für die Eindämmung, Erhöhung und Verschönerung des Platzes sehr viel, legte auch an der Burgseeseite seit Eröffnung der Eldenschifffahrt einen Hafenplatz an.

Auf der rechten, nordöstlichen Seite reichte das fürstliche Gebiet, jetzt mit dem Namen Tappenhagen belegt, bis gegen den Moor. Hier stand am Burgplatz in früheren Zeiten immer ein Ritterhof, auf welchem im 14. Jahrhundert die Beyenflet, seit 1403 die Split (Splitshof), darauf die Raven auf Stük (Ravensburg) wohnten und vor welchem um 1570 der Baumeister des Schlosses, Franz Parr, sich ein Haus bauete. Am 23. Februar 1842 begann der Bau eines neuen Schlosses an dieser Stelle.

Auf der mittlern, nordwestlichen Seite ward auf dem alten Garten an der Grube im J. 1698 ein fürstliches Ballhaus (zum Ballspiele nach damaliger Sitte) erbauet, welches jedoch bald zum Reithaus benutzt ward. Im J. 1788 ward das Gebäude zum Schauspielhause eingerichtet. Das Gebäude brannte am 22.– 23. April 1831 ab und an der Stelle desselben ward 1832 – 17. Januar 1836 das
zum Hoftheater bestimmte Schauspielhaus erbauet.

Links, auf der südwestlichen Seite, lag im Mittelalter der „lange Stall“, ein uraltes massives Gebäude. Der lange Stall ward als Reithaus benutzt, bis das Ballhaus dazu eingerichtet ward; seit dieser Zeit hieß das Gebäude das „alte Reithaus“ und stand bis gegen das Ende den vorigen Jahrhunderts; vor demselben war eine offene Reitbahn eingerichtet, welche im J. 1842 einging. Neben dem langen Stalle stadtwärts, am Burgthore, stand die fürstliche Hausvogtei, vor welcher an der Burgthor-Brücke die Criminalstrafen vollzogen wurden. Hinter der Reitbahn und der Hausvogtei stand bis zum J. 1842 die (Reit-) Bahnschmiede oder Hofsschmiede.

Hinter der Hausvogtei, in der Stadt, am Graben stand in den ältesten Zeiten das in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegründete Franziskanerkloster mit der schönen Klosterkirche, einer Lieblingsstiftung der Grafen von Schwerin. Seit dem .J. 1533 war in der Kirche die evangelische Lehre gepredigt und die Mönche verloren sich nach und nach. Als in den Religionskriegen die Reichstruppen im J. 1554 bis gegen Schwerin schwärmten, ließ der Schloßhauptmann von Schwerin, Veit von Saalfeld, das herrliche Gewölbe der Kirche einschlagen, damit diese nicht zur Feste gegen das Schloß dienen könne. Der Herzog Johann Albrecht I. ließ darauf im J. 1557 die Ruinen abbrechen und das Material zu den Schloßbauten benutzen. – Als im J. 1558 ein großer Brand auch die fürstliche Zehentscheure beim Dome verzehrt hatte, ließ der Herzog aus den Materialien anderer Klostergebäude, namentlich mit den mächtigen Balken, welche der bekannte Klostergeist Peter Pück herbeigeführt haben sollte, an der Stelle der Kirche ein Kornhaus aufführen, welches als fürstliches Wagen- und Kornhaus am Ende des 17. Jahrhunderts aus den alten Materialien neu aufgebauet ward.

In einem Klostergebäude gründete der Herzog Johann Albrecht I. im J. 1553 die Burgschule (bis 1576), welche unter den Rectoren Dabercusius und Hederich großen Ruf erlangte. Im J. 1588 ward hier die Justiz - Canzlei angeordnet, welche hier bis zum J. 1715 blieb; auch war hier seit dem J. 1711 die im J. 1553 angelegte fürstliche Bibliothek.

An der Stelle dieser Gebäude und des Klosters ward 29. Sept. 1825-1833 das im rein griechischen Style ausgeführte und mit trefflichen Bildhauerarbeiten und Freskogemälden gezierte Collegiengebäude erbauet, vielleicht das schönste Gebäude in den deutschen Ostseeländern.

Zwischen diesem Prachtgebäude und dem großen Schauspielhause steht das bescheidene Palais, in welchem der unvergeßliche Großherzog Paul Friederich lebte und starb. Es war im Anfange dieses Jahrhunderts von dessen hochseligem Vater Friederich Ludwig aus Privatbesitz zum Absteigequartier angekauft; früher standen hier einige Buden am Burgthore.

I n der Burgstraße links neben dem Collegiengebäude steht das sogenannte „alte Commandantenhaus“, in welchem einst des Herzogs Johann Albrecht I. großer Canzler Johann von Lucka und darauf sein treuer Rath Andreas Mylius wohnten, dann das Hofmarschallamt, dann das sogenannte „Hornsche Haus“, in welchem des Herzogs Friederich Wilhelm Minister, Graf Horn, wohnte.

Auf dem Bilde: Schwerin vor hundert Jahren (1750), sehen wir auf dem Alten Garten rechts den Tappenhagen, in der Mitte das Ballhaus und links davon die Häuser an der Stelle des Palais, links das alte Reithaus mit der Reitbahn davor, die Hausvogtei mit der Bahnschmiede, die Justiz –Canzlei, das Wagen - und Kornhaus, und in der Burgstraße das Commandanten-, das Hofmarschallamts- und das Hornsche Haus.

Auf dem Bilde: Schwerin im J. 1842, sehen wir auf dem Alten Garten rechts den Bauplatz des neuen Schlosses, in der Mitte das Schauspielhaus und das Palais, links den Platz der ehemaligen Gleitbahn, das Collegiengebäude und in der Burgstraße die genannten alten Gebäude, wie sie Seit dem vorigen Jahrhundert stehen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1843