Abschnitt 2

Rostock - Der Ursprung


Während der Zeit war die allgemeine Empörung in Schweden gegen des Königs Magnus schlaffe und thörichte Regierung zu hellen Flammen ausgebrochen; seine Absetzung ward besschlossen, und unter dem Einflusse der wendischen Hanse bestieg des Herzogs Albrecht von Meklenburg Sohn, Albrecht, am 30. Novbr. 1363 den Thron von Schweden. Als aber Waldemar noch nicht ruhte, sondern wiederholte Angriffe machte, schlossen sämmtliche Städte der Hanse in nie gesehener Ausdehnung mit dem Herzoge Albrecht im Jahre 1367 zu Cöln ( Köln ) ein Bündniß und zwangen ihn nach langen erbitterten Kämpfen im Jahre 1370 zu einem schimpflichen Frieden, der wiederum den Städten bedeutenden Gewinn brachte. Jetzt stand die Hanse auf dem Gipfel ihrer Macht. – Aber auch König Albrecht war in Schweden nicht glücklich; die Edlen des Reichs waren unter dem schwachen Magnus zu mächtig geworden und Albrecht selbst war nicht stark. Sein kräftiger Vater war 1376 gestorben, und als nun im Jahre 1386 der allgewaltige Reichs-Drost Bo Jonson, der wahre, reiche Regent von Schweden, starb, brach der Unwille gegen den ausländischen König los. Albrecht ward abgesetzt; die kühne Tochter Wa1demar's, die Königin Margarethe, Beherrscherin von Dänemark und Norwegen, stieg im Jahre 1388 auf den schwedischen Thron und Albrecht nach der unglücklichen Schlacht bei Axelwalde am 24. Februar 1389 in den Kerker. So große Opfer nun auch die Herzöge von Meklenburg-Stargard und die Städte Rostock und Wismar brachten, den König Albrecht zu befreien, so scheiterten doch alle Unternehmungen, bis es endlich den Fürsten und Städten an Geld zu Heerfahrten mangelte. Aber das Seevolk in den Hansestädten entbrannte im Grimm darüber, daß ein Weib die Anstrengungen uhmreicher Flotten vereitele und ihnen das gewinnbringende Meer beschränke. Stockholm war noch in den Händen der deutschen Parthei, die mit der größten Härte sich zu behaupten suchte. Unter dem Vorwande, diese Stadt mit „Victualien“, Mannschaft und Zufuhr zu versorgen, schaarten sich die verwegensten Gesellen um muthige Hauptleute, die desto länger auf der See umherschwärmten, je verwickelter die Verhältnisse wurden; die Städte Rostock und Wismar, namentlich Rostock, gaben Kaperbriefe und rüsteten kleine Flotten aus, den Bedrängten zu Hilfe zu kommen, bis sich, eine Zeit lang unter dem Schutze und der Beförderung der Städte Rostock und Wismar, gewissermaßen ein eigner Seeräuber-Freistaat auf dem Meere unter dem Namen der ,,Vitalienbrüder“ oder ,,Likendeler“ (Gleichteiler) ausbildete, mit dem Fürsten und Städte Verträge abzuschließen sich nicht scheueten. An der Spitze dieser Flottillen standen kühne Schiffscapitaine oder meklenburgische Ritter, welche in Schweden Verwandte in Bedrängniß haben mochten. Die Städte aber banden sich selbst durch den Vorschub, den sie dem wilden Volke leisteten, eine starke Ruthe. Zwar hatte es schon immer Seeräuber auf der Ostsee gegeben und unter den Anführern der Vitalienbrüder war mancher Mann, dem das Herz auf dem rechten Flecke saß, wie der verwegene rostocker Capitain Meister Hugo; jetzt aber nahm das wilde Leben überhand: schon im Jahre 1391 war die ganze Ostsee von solchen Raubschaaren durchschwärmt, deren Losung war: ,,Gottes Freund und aller Welt Feind“; wo Raub zu finden war, war die Heimath, und bald schwärmten die Schaaren in allen befahrenen Meeren. Erst mit dem Jahre 1435 hörte das Leben der Vitalienbrüder auf, so viele Anstalten die Hansestädte auch machten, das Unwesen, das sie bald selbst gefährdete, zu steuern. – Endlich aber gab Margarethe mit Einsicht und Klugheit nach. Durch einen Vergleich ward im J. 1395 ein Waffenstillstand geschlossen und der König Albrecht für ein Lösegeld freigegeben, für dessen Zahlung sich die Städte verbürgten. Im Julius 1397 ward zu Calmar die bekannte Union gesschlossen, durch welche die drei nordischen Reiche zu Einem Königreiche vereinigt wurden.


In den erfolgreichen Unternehmungen der Hanse im 14. Jahrhundert waren einzelne bedeutende Männer aus alten Bürgerfamilien zu überwiegendem Einflusse gelangt und es hatten sich Patricier-Familien gebildet, welche durch Handelsreichthum, Landgüterbesitz und Familienverbindungen einen unbeschränkten Einfluß ausübten. Aus ihrem Schooße ergänzte sich der Rath und verwaltete die Stadt ohne Aufsicht. Diese Weise, das Stadtregiment zu führen, wenn es auch nicht ungesetzlich war, erregte den Haß und das Mißtrauen der Bürgerschaft, welche durch die Folgen der letzten Kriegsereignisse von einer großen Abgabenlast gedrückt ward. Das Zeichell zur innern Umwälzung gab Lübeck, dem bald Wismar und darauf Rostock folgte. Die Bürgerschaft griff im Jahre 1409 zur harten Selbsthilfe, setzte den alten Rath ab und einen neuen ein und bestellte einen Ausschuß von sechzig Männern, der fortan an der Verwaltung des Gemeindewesens Theil nehmen sollte. Den Landesherren und den benachbarten Städten gelang es im Jahre 1417, mit Ruhe und Mäßigung, und da die neue Ordnung noch mehr Unheil zu stiften drohte, die alte Ordnung und den Frieden wieder herzustellen.

Doch das Uebel wurzelte zu tief und es fehlte überall an großen Männern, welche durch ihr Uebergewicht die Ordnung hätten aufrecht erhalten können. Margarethe hatte durch die calmarsche Union die nordischen Staaten grade nicht glücklich gemacht. Ihr Nachfolger und Schwestertochtersohn, Erich von Pommern, opferte die Kraft einer langen Regierung schwächlicher Eifersucht. König Erich lebte fast dreißig Jahre in einem hartnäckigen Kriege, den er mit den Fürsten von Holstein führte, nach deren Lande er trachtete, da er ihnen die Erblichkeit des Besitzes verweigerte. Diesen Krieg sahen die Städte Rostock und Wismar ungerne, weil er bei der wieder erwachten Seeräuberei ihren Handel störte; dazu hatte Erich eine Festung und den Sundzoll zu Helsingör und dadurch dem Handel unerträgliche Fesseln angelegt. Erich zog in einem Seekriege mit der Hanse im Jahre 1421 den kürzern und mußte sich einstweilen zum Frieden bequemen. Als aber der holsteinische Krieg nicht aufhörte, vereinigten sich die Städte und schlossen 1426 gegen alle Erweiterungen des dänischen Reichs mit Holstein eine Verbindung. Es wurden von den Städten wieder Kaperbriefe gegeben; aber das Kriegsglück war wechselnd: die furchtbare Kriegsmacht der Hanse litt oft großen Schaden. Ein solches Kriegsunglück benutzte Erich zur Erweckung des furchtbarsten Feindes, indem er in den Städten die falsche Nachricht verbreiten ließ, die Obrigkeiten der Städte ständen mit ihm im geheimen Einverständnisse. Sogleich brach in den Städten im Jahre 1427 die Empörung der Bürgerschaft aus: in Hamburg ward der Rathsherr Johann Kleetz, in Wismar der Bürgermeister Johann Bantschow und der Rathsherr Heinrich von Haren hingerichtet. In Rostock floß zwar kein Blut; aber, wie in Wismar, ward hier wieder der Bürgerausschuß der Sechsziger eingesetzt und der alte Rath abgesetzt. Wismar verglich sich mit der Landesherrschaft in Grundlage der alten Ordnung im Jahre 1430 aus Furcht vor der Reichsacht. Rostock widerstand jedoch hartnäckiger und beugte sich weder vor. den Kriegsrügen der Landesherrn, noch vor der kaiserlichen Acht; es schloß vielmehr, wie Stralsund, im Jahre 1430, abgesondert von den übrigen Hansestädten einseitig einen Frieden mit Dänemark und jagte sich dadurch thatsächlich von dem Bunde der Hanse los. Erst als Bann und Interdict schreckten, bot die Stadt die Hand zur Aussöhnung; jedoch erreichte bei dem Frieden im Jahre 1439 die Bürgerschaft ihren Zweck, indem der Ausschuß der Sechsziger und die Beschränkung des Rathes blieb. Nach solchen Vorgängen erstarb der Geist, und wenn auch der Handel fortblühete, so war es doch um die Macht geschehen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1843