Abschnitt 1

Rostock - Der Ursprung


Stadt und Herrschaft Rostock waren bei der zunehmenden Schwäche des dänischen Reichs durch die Kraft und Tapferkeit des Fürsten Heinrich des Löwen im Jahre 1317 als erbliches Lehn wieder an Meklenburg gekommen, und zu gleicher Zeit waren Verhältnisse zur Reife gediehen, welche für die Stadt Rostock, so wie für den ganzen Norden überhaupt, auf mehrere Jahrhunderte von wesentlichem Einflusse waren. Die aus einzelnen Bündnissen, Handels-Privilegien und Niederlagen im vorigen Jahrhundert allmählig erwachsene Vereinigung der niederdeutschen See- und Handelsstädte tritt um diese Zeit als ein großer Bund und seit dem Jahre 1330 unter dem Namen der Hanse (Verbrüderung) oder deutschen Hanse immer mehr als eine höchst bedeutende geschlossene Macht in allen nordischen Ländern auf. Die einzelnen Städtevereine gewannen ein immer mehr wachsendes politisches Ansehen, sie traten mit Fürsten jeden Ranges, wie mit Gleichen, in engere Verhältnisse und Verbindungen, ihre Kriegsflotten waren siegreich, ihre Handelsflotten Reichtum bringend und Leben fördernd, ihre Obrigkeiten und Wortführer zu Hause und in der Ferne einflußreich und gebietend. Das größte Ansehen genoß jedoch die engere Verbindung der sogenannten wendischen Hanse oder der wendischen Städte, welche ursprünglich aus den Städten Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund und Greifswald bestand, welche, in der Mitte und den nordischen Reichen zunächst liegend, mit dem lübischen Rechte bewidmet waren und in Lübeck den Obergerichtshof für streitige Rechtsgrundsätze ehrten; später wurden der wendischen Hanse noch Hamburg und Lüneburg und viele andere benachbarte, kleinere Städte zugezählt. Die wendischen Städte, unter denen Lübeck und Rostock bei weitem die mächtigsten waren, nahmen, unter dem Vorsitze Lübeck's, Jahrhunderte hindurch in der Leitung aller Handels-, Kriegs- und Friedensangelegenheiten bei weitem die erste Stelle ein, und Lübeck kann durch diese Vermittelung als das Haupt der Hanse angesehen werden.


Um eben dieselbe Zeit wurden auch die sogenannten Landfrieden oder umfassende Bündnisse der Herrscher, zur Aufrechthaltung des Friedens und des Verkehrs, Grundlagen der politischen Verhältnisse. Schon im Jahre 1283 schlossen alle Fürsten und Grafen der Ostseeländer ziwischen Elbe und Oder mit den Städten Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Stettin, Demmin und Anklam zu Rostock ein großes Landfriedensbündniß, welches nach und nach Erweiterung fand.

Den höchsten Glanz und Ruhm gewann die wendische Hanse aber erst unter dem Einflusse des Fürsten und nachmaligen Herzoges Albrecht II. des Großen von Meklenburg (1329 – 1379). Sein Vater, der Fürst Heinrich der Löwe, starb am 21. Januar 1329 und hinterließ zwei minderjährige Söhne, den genannten Albrecht und Johann, später zu Stargard. Die Vormundschaft über die minderjährigen Prinzen führte ein Vormundschaftsrath von 16 Rittern und den Rathmännern der Städte Rostock und Wismar. Die Ritter dieses Vormundschaftsrathes, der seinen Sitz in Wismar hatte, strebten jedoch darnach, übermäßige Gewalt und ausgedehnte Güter an sich zu bringen, so daß dem jungen Fürsten sogar „Verderben“ drohete. Sobald nun der früh reifende, tief blickende Fürst mit dem vollendeten achtzehnten Jahre um Ostern 1336 Volljährigkeit erreicht hatte, ergriff er augenblicklich mit Kraft die Zügel der Regierung und warf sich, von dem zu hartnäckigen Wismar, das die ritterliche Gewaltherrschaft benutzt hatte, sich wendend, der Stadt Rostock, welche damals für eine der mächtigsten Städte der Hanse galt, und damit der Hanse selbst in die Arme. Zunächst feierte Albrecht um Johannis 1336 in Rostock seine Vermählung mit der schwedischen Königstochter Euphemia, mit welcher er schon seit den Kinderjahren verlobt war, und fuhr am Johannistage 1336 mit seiner jungen Gemahlin und einem großen Gefolge von Warnemünde ab in Begleitung einer lübeckischen Flotte nach Stockholm zur Krönung seines Schwagers, des jungen Königs Magnus, mit dem die Hanse in engen Verhältnissen stand. Nach vielen Seeleiden heimgekehrt, nahmen die Rostocker das junge Fürstenpaar wieder mit zarter Aufmerksamkeit auf und der Fürst blieb zum Danke der Stadt getreu. Albrecht suchte hierauf im Vereine mit den Fürsten der Nachbarländer den vielfach in den nordöstlichen Ländern Deutschlands gestörten Frieden herzustellen und durch Bündnisse mit denselben seine Macht zu stärken. Am 11. Januar 1338 vermittelte er zu Lübeck ein großes Landfriedensbündniß mit den meisten norddeutschen Fürsten und den Städten Lübeck, Hamburg, Rostock und Wismar, ein Bündniß, welches eine Hauptquelle der politischen Macht der Hause geworden ist.

Die größte Rolle spielte die Hanse aber in den nordischen Angelegenheiten des 14. Jahrhunderts. In Schweden herrschte seit dem Jahre 1333 der junge und schwache König Magnus Smek (Liebkoser) († 1374), unverständig, wankelmüthig, auschweifend und verschwenderisch, zum Ärgerniß des ganzen Volkes. Auf Dänemarks Thron saß der thätige und kriegerische Waldemar IV. (1340-1375) und lenkte die Zügel des Staates stark und fest und verschaffte dem Reiche Ansehen und Einfluß. Waldemar's Absicht ging von Anfang an dahin, das alte Reich Dänemark in seiner ganzen Ausdehnung wieder herzustellen. Vorzüglich wandte er seine Blicke auf Schonen. Die wendische Hanse, deren theuerster Besitz ihre Niederlassungen in Schonen waren, wollte sich ihm freundlich nähern, um ihre Freiheiten zu sichern. Er aber, eifersüchtig auf die große Städtemacht und ihr nicht geneigt, wies ihre Anerbietungen zurück und begann den Angriff auf den Zankapfel Schonen. Die wendischen Städte aber, im Vereine mit andern und dem Herzoge Albrecht, verbanden sich mit dem König Magnus. Es brach im Jahre 1360 ein heftiger See- und Landkrieg aus, in welchem die Flotte der wendischen Städte überall siegreich blieb und die dänischen Küsten in Noth und Schrecken setzte. Nach blutigen Kämpfen lenkte Waldemar, der seinen gefährlichsten Feind fürchten gelernt hatte, wieder ein und bestätigte nach einem ruhmvollen Frieden im Jahre 1365 die Privilegien der Hanse.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1843