Ludwigslust

Der in neuern Zeiten mit einer Mauer umgebene Flecken Ludwigs- lust ist eine der merkwürdigsten Erscheinungen in der Geschichte Meklenburgs. In einer sandigen, wasserarmen, reizleeren Ebene, ganz in der Nahe der beiden Städte Grabow und Neustadt, vier Meilen südlich von Schwerin, erwuchs aus den Umgebungen eines unscheinbaren fürstlichen Jagdschlosses beim Dorfe Klenow unter der Regierung der Herzoge Friederich und Friederich Franz I. in ganz kurzer Zeit ein Ort, welcher nach seiner Größe und Einrichtung mit vollem Rechte eine Stadt genannt werden kann, der aber, da ihm Stadtgerechtigkeit fehlte, für die Verfassung des Vaterlandes ein Flecken blieb. Daher ist Ludwigslust, da es aus einem Dorfe ent- standen ist und früher ein offener Ort war, mitunter das „schönfte Dorf“ genannt. Seinem Aeußern nach läßt sich Ludwigslust wohl mit Doberan und Putbus vergleichen, seinem Innern nach wohl mit Potsdam und ähnlichen Neben-Residenzen, welche im vorigen Jahr- hundert auf einige Zeit Haupt-Residenzen waren. Ludwigslust hat ganz das Gepräge eines plötzlich entstandenen Hoflagers der jüngst entschwundenen Zeit. Ganz ein Werk der Herzoge Friederich und Friederich Franz, für die Bedürfnisse des Hofes geschaffen, ist der Ort regelmäßig und sauber angelegt und ausgeführt. Was die Natur versagte, hat die Kunst mit großen Opfern innerhalb der Mauern und der nächsten Umgebungen geschaffen: Kanäle und herrliche Wasser- werke, Blumen und Waldbäume, feste Wege und einen freundlicheren Himmel und es würde der Ort allerdings Reize haben, wenn ein regerer Verkehr die weiten Straßen belebte. An historischen Erinnerungen ist Ludwigslust aber reich; denn es war Lieblingsjagdschloß des Herzogs Christian Ludwig II., die Herzoge Friederich ulld Friederich Franz I. hatten mit ihren Familien hier ihren beständigen Wohnsitz erwählt, die Großherzoge Paul Friederich und Friederich Franz II. verlebten hier ihre Jugendzeit, bis sie die Stammburg Schwerin bezogen, und die Herzogin Helene von Orleans liebte Ludwigslust als ihre Heimath. Es war auch seit einem Jahrhundert für keinen Ort Meklenburgs so viel gethan, als für das rasch wachsende Ludwigslust, denn ein sauberer Bau folgte dem andern, um die Bedürfnisse der landesherrlichen Familie zu befriedigen und den Ort zu vollenden. Daher hat hier im Aeußern und im Innern durchweg alles das Gepräge des Hofes, da der Ort nur den Hof hatte. Seit dem Jahr 1837 ist Ludwigslust Neben-Residenz geworden, und seitdem entfaltet sich hier eine größere Selbstständigkeit und regsamere Betriebsamkeit, da neue Erwerbsquellen geschaffen werden müssen, wenn der Ort, wie früher, blühend bleiben soll.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1843