Güstrow

So lange Güstrow steht, ist es immer, selbst unter ungünstigen .Zeit- umständen, eine Stadt von einiger Bedeutung gewesen. Der Grund liegt In der zugänglichen Lage des Ortes, In der Mitte des östlichen Landestheiles, an dem Nebelflusse, der von Güstrow an für größere Fahrzeuge schiffbar wird und sich, nach einem Laufe von einigen Meilen, bei Bützow In die Warnow ergießt. Die Landschaft ist, wenn auch nicht reizend, doch fruchtbar und an Aeckern, Weiden, Wäldern und Seen gesegnet, und es hat den Bewohnern nie an einem gewissen Wohlstande gefehlt. Güstrow hat immer In vieler Hinsicht einen Mittelpunct gebildet und sich immer durch einen sehr regen Verkehr und bedeutenden Grundbesitz ausgezeichnet.

Mit Pribislav's Tode 1178 erhoben sich die Wenden zum letzten Male und dazu auf lange Zeit. Im westlichen Theile Meklenburgs wuchs zwar der junge Baum milderer Sitte unter dem Schirme der Grafen und der Bischöfe von Ratzeburg und Schwerin; an ihn lehnte sich der Fürst Borwin I. aus der nahen Burg Meklenburg. Aber im östlichen Meklenburg wurden alle jungen Pflanzen des Glaubens wieder mit der Wurzel ausgerottet und das Land glich 40 Jahre hindurch einer Wüste, die von wilden Horden durchzogen ward. In dieser Zeit hatten auch die vorpommerschen Fürsten, welche auf der Burg Demmin sassen, das Land Circipanien an sich gerissen und durch den pommerschen Bischof von CamIn, zu dessen Sprengel sortan dieser Landestheil gehörte, seit dem J. 1215 Von den Dörfern am malchIner See und seit dem J. 1216 von dem wiederhergestellten Kloster Dargun aus wieder unter das Joch der Liebe gebracht. Mit dem J. 1218 trat der alternde Borwin I. die Regierung des östlichen Wendenlandes seinen Söhnen Heinrich (Borwin II.) und Nicolaus ab, welche denn bald auch die Herrschaft über Circipanien wieder gewannen und die Stiftungen der pommerschen Herzoge bestätigten. Diese gründeten nun alsbald die Städte des östlichen Meklenburgs, namentlich die Stadt Rostock, In welcher Heinrich seinen Sitz nahm, der sich daher auch Herr von Rostock, gewöhnlich aber Herr von Werle nannte, während Nicolaus hierauf nach Gadebusch zog. Die alte Burg Werle war zwar von Borwin I. wieder aufgebaut; da der Ort jedoch für eine deutsche Stadt nicht günstig gelegen war, so verließen die Söhne den alten Fürstensitz ganz und wählten angeneh- mere Gärten für die neuen Pflanzungen, und unter diesen auch Güstrow, welches zuerst In der Geschichte vorkommt, als die genannten beiden fürstlichen Brüder am 20. Junius 1219 zu Güstrow In Gegenwart dreier Priester und dreier Edlen des Landes einige im J. 1215 von den pommerschen Herzogen In dem Dorfe Wargentin am malchiner See auf der jetzigen Feldmark von Basedow gemachte Stiftungen bestätigten. Der Fürst Heinrich Borwin II. wohnte ohne Zweifel auf der alten Burg Güstrow am linken Nebelufer, an der Stelle des jetzigen Schlosses. Bald aber gründete er auch eine deutsche Stadt, welcher er am 25. October 1222 das schwerinsche Recht verlieh. Güstrow ward die Lieblingsstiftung des jungen Fürsten. Leider mußte er bald das .Zeitliche segnen: er starb zu Güstrow am 4. Junius 1226 und hinterließ vier unmündige Söhne unter dem schwachen Schirme ihrer Mutter Christine und des greisen Großvaters Borwin I., welcher seinem Sohne ein halbes Jahr darauf folgte. Am Tage vor seinem Tode stiftete Heinrich Borwin II., In Gegenwart seines Vaters, seiner Söhne und des Grafen Heinrich von Schwerin, das Dom-Collegiat-Stift für 12 Domherren unter einem Propste, für welches alsbald die der heil. Cäcilie geweihete Domkirche erbauet ward, welche die bevorzugte Lieblingsstiftung der Fürsten von Werle blieb. Diese Stiftung mußte nothwendiger-weise einen bedeutenden Einfluß auf die Entwickelung der Stadt ausüben und sie zunächst durch Ansiedler um die Burg und den Dom bedeutend vergrößern.


Die vier Söhne, Heinrichs Borwin II. standen unter Vormundschaft der güstrowischen und anderer Prälaten und mehrerer Ritter. Diese, so wie die fürstlichen Jünglinge selbst, blieben dem Geiste ihres Vaters zugethan und bestätigten am 25. October 1228 die Privilegien der Stadt und schenkten ihr dazu die Benutzung der Wälder Primer und Kleest und der Weide und Holzungen auf den Feldern bis zu den Grenzen des Dorfes Rosin. In der Landestheilung erhielt der zweite der fürstlichen Brüder das südöstliche Gebiet und sicher seit dem J. 1240 nannte sich Nicolaus von seinem Landestheile Herr von Werle oder Herr von Güstrow, und Güstrow blieb ununterbrochen die Hauptresidenz der Fürsten von Werle.

In den ersten Zeiten brachten jedoch die Stiftungen Heinrich Borwin's II. .Zwiespalt In die Entwickelung der Stadt. Burg und Dom lagen am linken Ufer der Nebel, und umher hatte sich schon früh eine Neustadt Güstrow so, die jetzige Stadt, gebildet. Die eigentliche Stadt Güstrow, bald die Altstadt genannt, lag aber an dem rechten Ufer des Flusses an der Stelle der jetzigen Vorstadt vor dem Mühlenthore bis auf das Feld hinaus gegen das St. Georg-Hospital, welches unmittelbar vor der Altstadt stand. Die Bürger der Altstadt hatten allerdings wohl Ursache, auf die rasche und kräftige Entwickelung der Neustadt scheel zu sehen, und daher gestattete ihnen der Fürst Nicolaus im J. 1248 die zu ihrem Schaden liegende Neustadt wieder abzubrechen und die mit Mühe ausgeführte Altstadt wieder durch Erbauung anständiger Häuser zu heben und den Markt zu behalten, ohne jedoch, unter dem Beirath ihrer Rathsherren, der ferneren Entwickelung der Neustadt entgegenzuwirken. Und wirklich stand die Altstadt Güstrow noch lange. Noch bis zum J. 1485 kommen ein Pfarrer und noch bis zum J. 1550 Vorsteher der Kirche der Altstadt Güstrow, zu welcher die Kapelle zu Sukow gehörte, vor; seit der Reformation wird sie nach und nach verfallen sein. – Jedoch überwältigten der Fürstenhof und die Domherrenhöfe alle Hemmungen. unter der fünfzigjährigen, segensreichen Regierung des wackern Fürsten Nicolaus I. († 7. Mai 1277), des ersten Fürsten des Hauses Werle, bildete sich die jetzige Stadt Güstrow völlig aus, und sicher im Anfange des 14ten Jahrhunderts stand schon die Pfarrkirche oder ,,Marktkirche“ und im J. 1308 das Heil. Geist-Hospital an welchem im J. 1342 eine steinerne Capelle (die Heil. Geist-Kirche) gebauet ward. Fortan blieb Güstrow die .Hauptstadt des Landes Werle oder Wenden mochte sich das Fürstenhaus nach mittelalterlicher Weise mitunter auch In mehrere Linien theilen, von denen die Linien zu Güstrow und Goldberg im 14ten Jahrhundert am längsten geblühet haben. Aus dieser Stellung schreibt es sich ohne Zweifel her, daß Güstrow die repräsentirende „Vorderstadt“ des wendischen Kreises In der Landesverfassung geblieben ist. Die Macht und Blüthe der Stadt war im 14ten Jahrhundert bedeutend und ein reger politischer und Handels- und Gewerbsverkehr belebte ihre Straßen. Schon im Jahre 1293 kaufte die Stadt das Dorf TobbezIn vor dem Hageböker Thore am Tobbeziner oder Sumpfsee, im J. 1307 das Eigenthum des Gutower Sees, im J. 1323 vom Kloster Michaelstein, welches seit der Stiftung des Domes für die Einführung deutscher Sitte In der Gegend gearbeitet hatte, das Dorf GlevIn mit der dazu gehörenden Gleviner Mühle vor dem Gleviner Thore, im J. 1375 von dem alten, In Güstrow einflußreichen Geschlechte der Gamm das Dorf Glin mit den fetten Gliner Wiesen vor dem Schnoienthore, und rundete dadurch die Stadtfeldmark ab, welche sich früher allein nach dem Hageböker und Mühlen-Thore hinaus erstreckt hatte. Zahlreiche Brüderschaften und Zünfte entstanden im 14ten Jahrhundert und von dem regen .Handelsverkehr zeugen schon im 15ten Jahrhundert drei Prahmstraßen an der Nebel.

Das Fürstenhaus Werle starb im J. 1436 aus, das Land fiel an die aus dem Borwinschen Geschlechte allein übrig gebliebene Linie Meklenburg zurück und Güstrow hörte für's erste auf, feste Fürstenresidenz zu sein. Dennoch sank die Stadt nicht, vielmehr fuhr sie fort, das Stadtgebiet zu vergrößern und von fremdartigen Einflüssen zu reinigen. Im J. 1442 kaufte sie die Mühlen am Mühlenthore, welche bis dahin das Kloster Doberan besessen hatte, und die Mühle zu Kl. Sprenz, im J. 1445 von dem Kloster Michaelstein die Mühle zu Rosin und im J. 1449 von den Nortmann aus Rossewitz das Dorf Glasewitz.

Die alte Gestalt der Stadt ward In den J. 1503, 1508 und 1512 durch große Feuersbrünste gänzlich vernichtet. Aber bald darauf erlebte sie im 16. Jahrhundert unter den Herzogen Atbrecht und Ulrich und im 17. Jahrhundert unter Wallenstein wieder glänzende Zeiten, bis mit dem Tode des Herzogs Gustav Adolph im J. 1695 das güstrowische Fürstenhaus erlosch und Güstrow aufhörte Residenz zu sein.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1843