Wismar - Der Markt zu Wismar

So wie ehedem der Markt von Lübeck weit größer war, als jetzt, indem die Marienkirche laut alter Nachrichten noch mit in seinem Bereiche stand, durch spätere Umbauung er aber fast zu klein ward für die Große der Stadt, so war auch der wismarsche Markt, wenn auch jetzt noch ein verhältnißmäßig großer Platz, früher doch noch großer, indem die Häuserreihe, welche ihn jetzt von der die Heg de genannten Straße trennt, noch nicht vorhanden war, auch wahrscheinlich die ganze Reihe Häuser nördlich hinter dem Rathhause erst späterer Anbau ist. So bildete der Markt ein großes Viereck von 170 Schritten an jeder Seite. Auf diesem Platze stand an der Stelle des jetzigen, in den Jahren 1819 und 1820 erbaueten, auf unserm Bilde rechts zur Hälfte sichtbaren, das frühere Rathhaus, welches nach dem Brande eines noch altern im J. 1350 erbauet worden war. Nordwestlich davon stand die Frohnveste oder Hegde (,,Hechte“), von welcher die oben genannte Straße, in deren Häuserreihe sie selbst oder ein Theil davon (das Kohlenmesserhaus) noch steht, den Namen erhielt. Vor der Hegde, nach dem Markte zu, stand der Kaak oder Pranger. Ziemlich früh ward wahrscheinlich auch die heutige Rathsapotheke auf dem Markte angelegt. Außer diesen Gebäuden und etwa den gleichfalls meist noch übrigen Fleischscharren, theils hinter der Hauptwache, theils östlich vom Rathhause, und einigen andern festen Krambuden war der Markt nicht weiter bebauet; jedoch trug man schon früh für das stattliche Ansehen des schönen Platzes Sorge, indem im J. 1513 der Rath der Stadt zu dem großen Turnier bei Gelegenheit der Vermählung des Herzogs Heinrich des Friedfertigen mit der Prinzessin Helena von der Pfalz ein Haus mit Fleisch- und Brotscharren, den Fürsten zu Ehren und dem Markte zur Zierde, abbrechen ließ und dabei versprach, den Markt nicht weiter zu bebauen, als er damals bebauet war, außer mit Stock und Kaak. Die Wasserkunst, auf unserm Bilde rechts, kam erst gegen das Ende des sechszehnten Jahrhunderts hinzu und lag anfänglich weiter nach der Altwismarstraße hin. Von der ganzen Ansicht also, die man vor 4 bis 5 hundert Jahren auf dem wismarschen Markte hatte, dürfte nichts mehr übrig sein, als die über die Häuserreihe herüberragende Marienkirche und vielleicht ein auf der östlichen Seite gelegenes, auf unserm Bilde jedoch nicht sichtbares alterthümliches Haus. In diesem oder doch in dessen Nähe mochte man sich veranlaßt fühlen die Wohnung des aufrührerischen Buchmachers Klaus Jesup zu denken, auf dessen Anstiften im J. 1427 der Rathsherr Heinrich von Haren und der Burgemeister Joh. Banzkow, als des Einverständnisses mit den Feinden der Stadt, den Dänen, beschuldigt, auf dem Markte hingerichtet wurden. Als nämlich Banzkows Frau sich um des Mannes Befreiung an Jesup, ihren Gevatter, wandte, soll dieser zwar die ihm dafür gebotene Hand voll Goldgulden angenommen, beim Hinausgehen aus seiner Thür aber zu ihr gesagt haben: »Gevatterin, wenn eurem Manne der Hals so dick wäre, als der Thurm, so soll und muß er ihm doch auf dem Rumpf nicht bleiben!“ Die Drohung ward wahr, und den Platz der Hinrichtung beurkundet noch eine runde, früher erhöhete, jetzt aber mit dem Steinpflaster gleich liegende steinerne Platte mitten auf dem Markte, auf unserer Ansicht rechts nicht weit von den beiden im Hintergrunde vor der jetzigen Hauptwache stehenden Linden. Nicht so traurig, wenn auch vielleicht nicht ganz unblutig, waren die von den Fürsten bei festlichen Gelegenheiten auf dem Markte veranstalteten Turniere, zu deren Ausführung das Pflaster aufgerissen und der Platz mit Sand bedeckt, auch mit Schaubühnen begrenzt war.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1842