Wismar - Der Fürstenhof zu Wismar

Die fürstliche Residenz zu Wismar hat wohl mehr merkwürdige Schicksale erlebt, als irgend ein anderer Wohnsitz in Meklenburg. Als der Fürst Johann I. Wismar zur Hauptstadt des Landes Meklenburg zu erheben die Absicht hatte, bauete er sich im J. 1256 eine feste Burg in der noch nicht ummauerten Stadt auf dem Weberkampe, in der Nähe des später erbaueten Schwarzen Klosters, rechts an dem Wege nach Rostock bei dem altwismarschen Mühlen-wasser, aus unserer Stadtansicht rechts vor der Stadt. Während der Gefangenschaft Heinrichs des Pilgers in Aegypten, welche heftige Fehden um die Vormundschaft seiner Kinder veranlaßte, war die Bürgerschaft im J. 1276 schon so übermüthig, bei Ausführung der Stadtmauer, die fürstliche Burg von der Stadt auszuschließen. Der greise Pilger sah sich nach seiner Rückkehr aus der langen Ge-fangenschaft genöthigt, zur Herstellung des Friedens, mit der wider-spenstigen Stadt im J. 1300 einen Vertrag einzugehen, nach welchem er die fürstliche Burg alsbald abbrechen und mit einem Hofe ohne Befestigung innerhalb der Stadt zufrieden sein wollte. Heinrich der Pilger († den 2. Januar 1302) vollendete noch die Erbauung dieses Hofes, zog sich jedoch in den letzten Jahren seines Lebens, sich nach Ruhe sehnend, von dem undankbaren Wismar auf seine Stammburg Meklenburg zurück, welche er wieder aufgebauet hatte. Sein Sohn, der heldenmüthige Heinrich der Löwe, vergaß jedoch die Härte nicht, mit welcher die Stadt seinen vielgeprüften Vater behandelt hatte; sein Unwille stieg zum Zorne, als die Wismaraner ihm im J. 1310 die Feier der Vermählung seiner Tochter Mathilde mit dem Herzoge Otto von Lüneburg in ihrer Stadt verweigerten. In dem in demselben Jahre darüber entstandenen Kriege brachen die Rostocker, als Bundesgenossen der Stadt Wismar, den fürstlichen Hof. Bald überwältigte der Löwe jedoch die Stadt und bauete schon im J. 1311 an der Stelle des zerstörten Hofes in der meklenburger Straße zwischen dem Kloster der Schwarzen Mönche und dem meklenburger Thore eine Feste mit starken, hohen Thürmen. Hein-rich der Löwe starb in noch rüstigem Alter und hinterließ zwei un-mündige Sohne, Albrecht und Johann, unter der Vormundschaft von 12 Rittern und der Rathmänner der Städte Wismar und Rostock, welche ihren Sitz zu Wismar hatte. Sogleich wußte der Rath der Stadt es dahin zu bringen, daß die Vormundschaft die fürstliche Burg im J. 1329 an die Stadt verkaufte, und den Fürsten fortan nur der Besitz eines Hofes bei der Georgenkirche auf der Stelle, wo noch jetzt der Fürstenhof steht, gestattet ward. Als Heinrichs Sohn, der große Albrecht, im J. 1336 nach erlangter Volljährigkeit die Regierung antrat, trug er bittern Unmuth im Herzen gegen die Stadt, welche seinen Vorfahren so übermüthig begegnet war; er ließ es sie jedoch nicht weiter entgelten, söhnte sich aber erst nach einigen Jahren mit ihr aus und hielt, seine Macht auf die Städte gründend, das Versprechen seiner Vorfahren und Vormünder, den fürstlichen Hof in der Stadt nicht zu befestigen, bis er der Stadt nach dem Erwerb der Grafschaft Schwerin im J. 1359 den Rücken wandte und die Residenz der Herzoge von Meklenburg nach der Stadt Schwerin verlegte. Seitdem blieb der Fürstenhof neben der Georgenkirche mehrere Jahrhunderte hindurch Nebenresidenz der Herzoge.

Zur Feier seiner Vermählung mit der Prinzessin Helena von der Pfalz (12 Junius 1513) ließ der Herzog Heinrich der Friedfertige an der Stelle des alten, mehrmals veränderten und erweiterten Hofes der Georgenkirche gegenüber, in gleicher Flucht mit der hohen Straße, im J. 1512 einen neuen Hof ausführen, der aber bald auch den Namen des alten erhielt, als im J. 1553 – l554 der Herzog Johann Albrecht 1., gleichfalls zu seiner Vermählung, nämlich mit der preußischen Prinzessin Anna Sophie (24 Februar 1555), da Schwerin für die große Zahl der Gäste zu klein war, im rechten Winkel mit dem Hofe Heinrichs in östlicher Flucht, mehr der Marienkirche zugewandt, den nun sogenannten neuen Hof oder das lange Haus ausführen ließ. Beide Gebäude stehen in ihren Ringmauern noch und werden noch heute zusammen der Fürstenhof, auch, nach ihrer spätern Bestimmung in der Schwedischen Zeit, das Tribunal, genannt, da es seit dem Anfall Wismars an Schweden im J. 1648 der Sitz des höchsten Gerichts oder Tribunals für die schwedischen Besitzungen in Deutschland geworden war. Doch sind die oberen Stockwerke des altern Theils an der Ecke im J. 1781 durch eine Feuersbrunst zerstört und durch einen neuen Bau ergänzt. Bis zum Herbste 1840 bildeten beide Gebäude mit einem dem neuen Höfe gegenüberliegenden Stallgebäude einen geräumigen Hof, dem sich östlich und südlich gegen die Buden- und Pfaffenstraße ein Garten anschloß. Der Stall ist seitdem abgebrochen und die Stelle desselben und des Gartens zu einem beträchtlichen, zu Militairübungen bestimmten Freiplatze umgeschaffen.


Von diesem Platze aus ist die Ansicht des Fürstenhofes auf unserm Bilde genommen. Wir sehen den neuen Hof des Herzogs Johann Albrecht I. in seiner ganzen südlichen Fronte nach dem ehemaligen Schloßhofe hin vor uns, rechts das vorspringende Treppenhaus (und darüber hinaus die Marienkirche und die malerischen Kirchengebäude), links ein Stück von dem jetzt unansehnlichen, alten Hofe des Herzogs Heinrich. Der neue Hof des Herzogs Johann Albrecht I. ist es vorzüglich , der durch die Bauart die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Er ist in sehr großartigen Verhältnissen erbaut und erinnert, wenn auch von niederdeutschen und niederländischen Künstlern angelegt und ausgeführt, lebhaft an den florentinischen Bausthyl. Alle Gliederungen sind durch erhabene Bildwerke aus gebranntem Thon abgegrenzt, welche an künstlerischer Vollendung nichts zu wünschen übrig lassen und in großem Einklänge zu dem Gebäude stehen, da Sie von wackern Künstlern nur für dieses Gebäude berechnet sind. Der Fürstenhof gehört zu den schönsten alten weltlichen Gebäuden in den Ostsee! ändern. Aus den Fenstern des oberen Stockwerks genießt man eine herrliche Aussicht, gegen Norden hin über die See, gegen Süden hin über eine große Flache der ländlichen Umgebungen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1842