Schwerin - Der Ursprung

Schwerin, oder nach alter Schreibart Zuerin oder Suerin, seit fast fünfhundert Jahren die Hauptresidenz der meklenburgischen Fürsten und vorher an zweihundert Jahre Residenz der Grafen von Schwerin, ist die einzige Stadt in den wendischen Ostseeländern, welche seit uralter Zeit ununterbrochen den Ruhm einer Residenz und Hauptstadt behauptet hat. In einer durch Fruchtbarkeit und durch Wasser- und Waldreichthum gleich ausgezeichneten Gegend, einer der reizendsten Norddeutschlands, gelegen, leitet sie ihren Ursprung aus den Zeiten der Wenden her, welche dem Orte den Namen Zuerin, d. h. Thiergarten oder Lustwald, gaben, einen Namen, mit dem heute wendische Völker ihre Lusthaine belegen; die älteren Lobredner der Stadt werden nicht müde, die Gegend von Schwerin mit der Lage der Stadt Capernaum am galiläischen Meere zu vergleichen. Schwerin liegt nämlich am Südende des mit reichen Hügelufern und Inseln geschmückten großen Schweriner Sees, welcher an drei Meilen lang und eine halbe Meile breit ist, und wird außerdem noch von fünf kleinern Seen bespült.

Die Stadt Schwerin verdankt ihren Ursprung der wendischen Burg gleichen Namens, welche an der Stelle des jetzigen alten Schlosses, auf einer kleinen Insel, lag. Die wendischen Hauptorte oder Vesten waren nämlich nur kleine, auf Inseln oder in Mooren aufgeworfene Erdwälle von ungefähr tausend Schritten Umfang. In Friedenszeiten mochten sich unter dem Schutze dieser Vesten vor denselben Anbauer in großerer Anzahl ansiedeln, diese zerstoben jedoch in die Wälder, sobald ein Kriegssturm hereinbrach: von einer wendischen Stadt im neuern Sinne kann also nicht die Rede sein. Zuerst erscheint Schwerin (Zuarin) im J. 1018 als Veste des Obotriten – Königs Mistizlav; aber erst l50 Jahre später tritt sie in die zusammenhängende Geschichte: in der Mitte des 12ten Jahrhunderts war sie eine der Hauptvesten des letzten Wendenkönigs Niklot.


Als der Herzog Heinrich der Löwe von Sachsen im J. 1161 seinen großen, zweiten Kreuzzug gegen Wendland eröffnete, brannte der Obotritenkönig Niklot seine Vesten Schwerin, Dobin, Meklenburg und Ilow nieder und zog sich in die Burg Werle zurück; bei einem Ausfalle aus Werle fand Niklot den Heldentod und mit ihm fiel die Stütze des Heidenthums. Nachdem Heinrich der Löwe das Obotritenland unterjocht hatte, bauete er die Veste Schwerin wieder auf, legte eine starke Besatzung hinein und vertrauete die neue Schöpfung, die Hauptstütze seiner Macht im Wendenlande, seinem Statthalter, dem tapfern Ritter Guncelin von der Hagen. Nach manchen hartnäckigen Kämpfen im J. 1164 ward der zum Christenthume bekehrte ältere Sohn Niklots, der Fürst Pribislav, im J. 1166 in einen Theil seines väterlichen Erbes wieder eingesetzt und dadurch das meklenburgische Fürstenhaus gegründet; zu gleicher Zeit stiftete der Sachsenherzog aber auch die Grafschaft Schwerin und belehnte mit derselben seinen Statthalter Guncelin.

Aber der größere Kampf stand noch bevor, der Kampf um die Einführung der christlichen Lehre und Bildung unter ein hartnäckiges Volk. Häufige Versuche, dem Christenthume durch einen Bischofssitz auf der obotritischen Hauptburg Meklenburg eine feste Stütze zu geben, waren bisher immer gescheitert. Jetzt machten der Feuereifer und der ehrwürdige Geist des Bischofs Berno, des Apostels der Obotriten, der mit Wahrheit, Klugheit und Unerschrockenheit die Götzen stürzte, die Heiden taufte und ihnen den Glauben predigte, Kirchen und Klöster gründete und Bildung verbreitete, das fast Unglaubliche möglich. Mit weisem Blicke knüpfte Bischof Berno die Erhebung des Obristenthums an die Kraft der Burg Schwerin und bestimmte iln J. 1167 den Sachsenherzog, den Bischofssitz von Meklenburg nach Schwerin zu verlegen: am 5. Sept. 1171 ward das Bisthum Schwerin von dem Herzoge bestätigt und mit Gütern ausgestattet.

Also ward Schwerin Grafen- und Bischofssitz, der Mittelpunct sächsischer Bildung und der Hauptsitz der Regierung im Lande; und dies ist der Grundstein der Bedeutung Schwerins geworden.

Mit der Grafschaft Schwerin ward auch die Stadt Schwerin (1166), die erste deutsche Stadt im Obotritenlande, vor der Burg gegründet. Der Sachsenherzog gab ihr eine Stadtverfassung, bewid mete sie mit einem eigenen Rechte, dem Schwerinschen Rechte, welches später vielen Städten bis nach Pommern hinein verliehen ward, und schenkte ihr sein eigenes Reitersiegel zum Wappen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1842
Schwerin - die Stadtansicht

Schwerin - die Stadtansicht

Das Schweriner Schloß

Das Schweriner Schloß

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