Ratzeburg - Der Ursprung

In einem See, der von hohen, mit Wald und Kornfeldern geschmück-ten Ufern umkränzt ist, liegt eine Insel, und auf ihr eine freundliche Stadt und ein mächtiges Kirchengebäude. Ratzeburg ist die Stadt, welche zu Lauenburg gehört, die Kirche aber ist der Dom des Bis-thums Ratzeburg, welches der westphälische Friede 1648 an Me-klenburg gab und welches durch den hamburger Vertrag von 1701 an die Linie, welche zu Strelitz ihren Sitz nahm, überging.

Hier war in frühern Zeiten der Sitz der Polaben, eines slavischen Volksstammes, besten Gottin Siwa, wie eine alte Sage meldet, auf dieser Insel verehrt ward; von hier aus verbreitete sich das Licht des Christenthums zuerst über das westliche Meklenburg, und in dieser Beziehung wird Ratzeburg zuerst genannt. Der König der Obotriten, Wagrier und Polaben, Gottschalk, stiftete hier um 1042 ein Kloster; hier wollte der Erzbischof Adalbert von Hamburg einen Bischofssitz gründen, welchen er dem Aristo anwies, und ließ, um diese Stiftung zu befestigen, 1062 vom Kaiser Heinrich IV. das Schloß Racisburg dem Herzoge Otto von Sachsen zum Eigenthum geben. Aber nur kurze Zeit dauerten Bisthum und Kloster; letzteres ward in dem Aufstande der heidnischen Slaven unter Plusso, wo Gottschalk 1066 sein Leben verlor, zerstört, und der fromme, jugendliche Abt desselben, Ansverus, errang die Märtyrer-Krone und ward der erste, viel verehrte Heilige des Landes.


Wüste lag nun der Bischofssitz lange Zeit und keine Predigt des Evangeliums ward im Polabengau gehört Erzbischof Hartwich von Hamburg wollte ihn um 1150 wieder aufrichten, vermochte aber nicht seine Absicht auszuführen. Heinrich der Löwe, der gewaltige Herzog von Baiern und Sachsen, der sich das Wendenland unterworfen, gründete 1154, mit Vollmacht des Kaisers Friedrich I., das Bisthum Ratzeburg, dessen Sprengel sich über das westliche Meklenburg von Wismar bis Dömitz hinunter, dann über das Herzogthum Lauenburg und über den größten Theil der Vierlande erstreckte. Zur Erhaltung des Bischofs und des Kapitels, das unter einem Probst aus 12 Domherren bestand, welche der Regel des h. Augustinus folgten und die weiße Tracht der Prämonstratenser trugen, wurden 300 Hufen vom Stifter gegeben, von denen 250 im Lande Boitin (dem Theile des Fürstenthums Ratzeburg, der um Schönberg herum liegt) lagen, 50 aber im Lande der Grafen Heinrich und Bernhard von Ratzeburg. Evermodus war der erste Bischof er hatte anfänglich seinen Sitz auf dem St. Georgsberge bei Ratzeburg, zog aber bald auf die Insel hinab, wo seine Domkirche erbauet ward und wo die Geistlichen ihren Sitz hatten. Sie erhielten von den Bewohnern des Sprengels den Zehnten, den sie aber bald ganz oder zum Theil den benachbarten Landesherrn zu überlasten sich veranlaßt sahen, und vom Reichthum des Stifts ist in der ganzen Geschichte desselben nicht die Rede. Jedoch strebten Bischof und Kapitel, welche schon früh (1194) ihre Besitzungen gesondert hatten, fortwährend den Landbesitz, welcher ihnen zum Unterhalt angewiesen war, zu vergrößern. Vom B. Hermann von Blücher (†1309) und seinen nächsten Nachfolgern im 14. Jahrhundert wurden die meisten Ortschaften erworben, welche die jetzigen Vogteien Stove und Schlagsdorf ausmachen, und das Land erhielt schon damals die Ausdehnung, welche das Fürstenthum noch jetzt hat. Wenn auch durch diese Ankäufe oftmals die chuldenlast drückend genug ward, so stellte doch bald eine verständige Sparsamkeit ein günstigeres Verhältniß wieder her.

Mit dem regsten Eifer ließen sich die ersten Bischöfe die Aus- reitung des Christenthums angelegen sein; die Kirchen mehrten sich so schnell, daß schon um 1230 fast alle noch jetzt bestehenden Gemeinden im Sprengel vorhanden waren und nur wenige Dörfer als slavisch bezeichnet werden. Von B. Gottschalk (†1235) ward das Kloster Eldena, unter B. Ludolf 1236 das Kloster Rehna gestiftet, Zarrentin ward l243 von den Grafen von Schwerin unter seiner Regierung gegründet-, alle drei waren Nonnenklöster. Deutsche Anbauer waren schon früh ins Land gezogen und bereits im ersten Jahrhundert des Bisthums hatte sich die slavische Bevölkerung in eine deutsche mit deutscher Sprache und deutscher Einrichtung umgewandelt und nirgends und zu keiner Zeit wird auch nur eine leise Andeutung gefunden, dass die Bewohner der bischöflichen oder Kapitelgüter waren leibeigen gewesen.

Unter den Bischöfen werden viele genannt, welche sich durch hohe
Frömmigkeit oder sorgsame Verwaltung des Stiftes ausgezeichnet haben; mehrere von ihnen hat die katholische Kirche unter die Zahl ihrer Heiligen versetzt: so die beiden ersten: Evermodus († 1178) und Isfridus († 1204), und dann den achten Bischof Ludolphus († 1250), elche alle als Wunderthäter gefeiert werden. Ulrich von Blücher († 1284) ist wegen seiner Milde gegen die Armen berühmt. Wipertus . Blücher († 1364) ward grau und alt in einer Nacht, als der Papst Innocenz IV. Anstand nahm, ihm wegen seiner Jugend das Bisthum zu bestätigen, dem er nachher sehr löblich vorstand.

Viele Streitigkeiten hatte das Bisthum mit den sächsischen Her-zogen, welche die Landeshoheit über die Güter desselben in Anspruch nahmen. B. Ulrich befreiete 1261 und 1271 durch Zahlung bedeutender Summen das Land von ihnen. Jedoch nach 2 Jahrhunderten nahm um 1470 Herzog Johann von Sachsen diese Ansprüche wieder auf, und noch eifriger suchte sein Sohn Magnus sie geltend zu machen, der durch Beden und Ablager, nachdem er B. Heinrich Bergmeier 1517 vertrieben hatte, das Land schrecklich drückte, freilich in dem darüber viele Jahre beim Reichskammergericht geführten Prozeß 1536 unterlag, aber
doch eben so wenig. wie sein Sohn Franz. sich der Belästigungen enthielt. Und doch war schon längst das Bisthum von Kaiser Friedrich II. 1236 in Schutz genommen, und Kaiser Karl IV., als er sich 1375 mehrere Tage bei B. Heinrich von Wittorp in Schönberg aufhielt, hatte dies aufs Neue gethan, und die übrigen Bischöfe waren von den Kaisern belehnt worden. Die Herzoge von Meklenburg, denen Schutz- und Schirmgeld bezahlt ward, waren bei vielem guten Willen, den sie bewiesen, nicht immer im Stande, das schwache Bisthum gegen den gewaltthätigen Nachbar zu schützen.

Das 18. Jahrhundert änderte den Zustand des Bisthums; weil
das Mönchsleben die Glieder der mächtigen adeligen Familien abhielt, Domherrenstellen anzunehmen, so bewirkte B. Johann von Parkentin 1504, daß Papst Julius II. ihnen gestattete, weltliche Chorherren zu werden. Jedoch die Macht der Bisthümer war im Norden Deutschlands dahin. Vergebens bemühete sich B. Georg von Blumenthal (†1550), die Reformation von seinem Sprengel fern zu halten: die Wahrheit drang siegend durch, sein Nachfolger Christoph v. d. Schulenburg resignirte und verheirathete sich, Chtistoph (†1592) und Karl (†1610), Prinzen aus dem Hause Meklenburg, das schon längst protestantisch war, wurden Administratoren des Stifts, in dem 1566 die Kirchenverbesserung durch Kapitelsschluß eingeführt ward.

Nachdem unter B. Augustus, Herzog v. Braunschweig und Lüne-
burg (†1636), das Land alle Schrecken und Drangsale, welche der
dreißigjährige Krieg mit sich brachte, erduldet hatte, ward das Bisthum unter dem minderjährigen Bischofe Gustav Adolph H. zu Meklenburg-Güstrow durch den westphälischen Frieden fäcularisirt und 1652 waren alle Verhältnisse, die dabei zur Sprache kamen, geordnet. Der letzte Domherr starb 1683. Das Fürstenthum Ratzeburg gehörte nun Adolph Friedrich I., der eben so wie seine Nachfolger Christian Louis und Friedrich Wilhelm die Rechte der Landeseinwohner ehrte, welche nachher unter der milden Regierung der Herzoge aus dem strelitzischen Hause noch immer größer und fester begründet worden sind.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1842