Neustadt - Der Ursprung

In einer wiesenreichen Ebene, dort wo die Elbe die Wasser aus dem nahen, nördlich angrenzenden, großen Lewitz-Bruche und durch die Stör aus dem Schweriner See aufnimmt und sich in mehrere Arme verzweigt, steht auf mehreren Inseln des in vielen Krümmungen sich windenden Eldeflusses die kleine Stadt Neustadt mit ungefähr 1800 Einwohnern in 200 Häusern, zu denen sehr bedeutende Wiesenflächen und viele Gärten geboren. In dem großen Sandlande, welches die Stadt weit umgibt, nicht sehr weit von einem ziemlich großen See, macht die Lage derselben einen freundlichen Eindruck.

Diese von der Natur in einer sonst nicht reichen Gegend bevorzugte Lage, mitten in einem großen Jagdrevier, nahe dem Südsaum der Lewitz, welche jeden Durchgang hemmt, an der südöstlichen Grenze der Grafschaft Schwerin, veranlasste die Grafen von Schwerin, hier am Ende des 13. Jahrhunderts eine Burg und Stadt zu erbauen. Die Stadt ward auf der Feldmark des Dorfes Glewe gegründet und daher in dem ersten Jahrhundert ihres Daseins beständig die Neustadt Glewe genannt. Neustadt Glewe hieß sie aber zum Unterschiede von der Schelf-Neustadt Schwerin, welche schlechtweg Neustadt genannt ward. Diese Neustadt Glewe kommt nun zuerst im J. 1300 vor, als der Graf Guncelin V. die erste Messe in der Andreas-Kirche seiner neuen Stadt Glewe stiftete. Im J. 1333 bestätigte der Graf Heinrich IV. der Stadt ihren Besitz und beschrieb dessen Grenzen, und hiemit lässt sich die Vollendung der Stadt annehmen. Der Anfang wird mit der Burg gemacht sein, welche schon im J. 1332 eine eingerichtete, bis zum J. 1366 öfter vorkommende Burg-Kapelle hatte; im J. 1333 bewachten schon mehrere ritterliche Burgmänner das Schloss.


Als Neustadt gegründet ward, stand das Schwerinsche Grafenhaus in der höchsten Blüte und Neustadt gehörte der Linie Schwerin an. Aber noch vor dem Verlauf von 50 Jahren war die ganze Grafenfamilie bis auf einen Stamm, der in Schwerin Hof hielt, abgestorben, und damit hatte die politische Bedeutsamkeit der jungen Neustadt ein Ende. Die Erwerbung der Grafschaft. Schwerin durch die Herzoge von Mecklenburg im J. 1359 brachte Neustadt an diese, welche es wohl als Jagdschloss benutzten; in dieser Gegend, bei der Lewitz, haben seit einigen Jahrhunderten immer die Jagdschlösser gelegen, wie Neustadt, Kraak, Picher, Jasnitz, Ludwigslust, Friedrichsmoor. Dass die Herzoge auch Neustadt zuweilen besuchten, geht daraus hervor, dass im Anfange des 16. Jahrhunderts das Schloss zur Aufnahme fürstlicher Personen eingerichtet war.

Mit dem Anfange des 16. Jahrhunderts begann für Neustadt eine bessere Zeit und die kleine Stadt spielt in der Geschichte des Vaterlandes eine ganz eigentümliche Rolle: Neustadt ward eine Fabrikstadt durch die Benutzung teils der unter der Wiesendecke in der Nähe und in der Ferne vorhandenen großen Lager von Sumpfeisenstein oder Wiesenerz, plattdeutsch Klump oder Klumpeisen, auch Ur genannt, teils der Verzweigung und Schiffbarkeit des Eldeflusses zu Mühlenanlagen und zur Schifffahrt; sowohl auf den Eldeinseln, als auf dem Kiez entstanden nach und nach mehrere Fabrikmühlen, welche über zwei Jahrhunderte hindurch eine große Tätigkeit entfalteten, so dass man der Stadt Neustadt für die früheren Zeiten Mecklenburgs allein den Namen einer Fabrikstadt geben kann.

Schon im J. 1520 arbeiteten zu Neustadt, außer der Kornmühle, eine Pulvermühle und zu derselben Zeit eine Papiermühle, welche erst im J. 1741 abbrannte; bald darauf kam dazu eine Oelmühle und eine Sägemühle. Eine Eisenschmelzhütte und ein Eisenhammer bestanden auch schon vor dem J. 1544 da in diesem Jahre neben diesen Werken noch ein Blechhammer angelegt ward. Die Eisenwerke zu Neustadt haben mehrere Jahrhunderte hindurch die Aufmerksamkeit der Landesfürsten in Anspruch genommen. Umfangreiche Eisenwerke hatte Neustadt unter den Herzogen Johann Albrecht I. (bis 1576), Adolph Friedrich I. (bis 1658) und Wallenstein (1629), und Friedrich Wilhelm (bis 1713) Für die Eisenwerke von 1576 entstanden auf Privatrechnung feit dem J. 1694 große Kupfer- und Messingwerke, welche aus einer Kupferhütte, einer Messinghütte, einer Kesselhütte und zwei andern Hütten bestanden. Dieser Betrieb hat bis auf die neueren Zeiten Spuren zurückgelassen. Die Schrecken des dreißigjährigen Krieges vernichteten aber alle Fabrik-Anlagen. Im J. 1694 suchte eine große Feuersbrunst die Stadt heim. – Dem Herzoge Friedrich Wilhelm verdankte Neustadt, wie manche andere Stadt des Landes, einen großern Flor; er ließ im J. 1702 nicht nur die Papiermühle, die Oelmühle und das Messingwerk wieder aufrichten, sondern baute auch im J. 1703, außer einem Sensenwerke und einem Polierwerke in dem nahen Wabel, eine Eisenhütte, welche großen Betrieb hatte, aber nur bis zum J. 1717 bestand.

Bei seiner Vorliebe für Gewerbetätigkeit und Jagd ließ der Herzog Friedrich Wilhelm seit dem J. 1711 auch das neue Schloss ausbauen. Diese Zeiten mögen für Neustadt wohl die glücklichsten gewesen sein. Mit der Regierung des Herzogs Karl Leopold nahm Verwirrung und Unfriede überhand im Lande; die Fabrikwerke stockten und die Vollendung des Schlosses verzögerte sich mehrere Jahre. Das Land ward unter die Leitung des trefflichen Prinzen, nachmaligen Herzogs Christian Ludwig II. und einer hannoverschen Reichs-Kommission mit hinreichenden Truppen gestellt. Der Herzog Karl Leopold ging im J. 1721 nach Danzig, wo er bis zum J. 1730 blieb; der Prinz Christian Ludwig residierte 1725-1735 zu Neustadt. Da verzehrte am 26./27. Juli 1728 ein furchtbarer Brand die ganze Stadt bis auf die beiden Schlösser, das Amtshaus, die Schule, die Mühlen und ungefähr 20 kleine Häuser auf der Amtsfreiheit. Da die Aussicht zum Landesfrieden immer weiter ward, so ward der Prinz Christian Ludwig zum kaiserlichen Kommissarius ernannt. Karl Leopold rief im J. 1733 zu den Waffen und zog gegen die fremden Exekutionstruppen zu Felde, wobei es in Neustadt am 15. und 19. Sept. zu hitzigen Gefechten kam. Der Prinz Christian Ludwig verlegte im J. 1735, nachdem sein Bruder sich in Dömitz zur Ruhe begeben hatte, seine Residenz nach Schwerin: und hiemit hört die Bedeutsamkeit von Neustadt ganz auf.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1842