Biestow - Bauer und Bäuerin aus Biestow

So sehr auch in Mecklenburg die von dem Landvolke sogenannte bunte Tracht, das heißt die nach der französischen Mode sich wandelnde, allgemeine neuere Kleidung, herrschend geworden ist und bei dem enger gewordenen Verkehr der Landbewohner mit den Städtern in neuern Zeiten immer mehr um sich greift, so gibt es doch mehrere Gegenden, in denen die Bewohner der Bauerdörfer noch strenge an der uralten Volkstracht halten. Dies ist besonders in der Nähe der alten Seestädte und der früheren Bistümer und Kloster der Fall. Auch in der Gegend von Doberan und Rostock herrscht in den Dörfern eine Volkstracht, welche im Gegensätze der bunten die schwarze Tracht genannt wird; vorzüglich ist sie an dem linken Ufer der Warnow zwischen Schwaan, Rostock und Doberan, namentlich in den Kirchspielen Biestow und Buchholz und in den Dörfern Sievershagen, Bargeshagen, Wilsen, Stäbelow und Grenz gebräuchlich und teilt sich mit größern oder geringern Abweichungen den nahe liegenden Dorfschaften mit, von wo sie sich nach und nach in die bunte Tracht verliert. Der Menschenschlag, der diese Volkstracht trägt, ist von hohem, starkem Wuchs, kräftig, derbe und gesund, verständig und arbeitsam, der plattdeutschen Sprache und alten, auch abergläubischen Sitten ergeben, im Besitze eines reichen Schatzes von eigentümlichen, treffenden Sprichwörtern und manchen Volksmärchen und Erzählungen; häufig sind Augen und Haar dunkel.

Die Männer tragen kurze, sehr weite Beinkleider, deren Gürtel mit zwei großen Knöpfen zugeknöpft ist; lederne Riemen schnüren sie unter dem Knie zu. Stiefeln und weiße Strümpfe vollenden die Fußbekleidung. Die vollständige, schwarze Weste (krûpin: kriechein) ist von einem atlasartig gewebten Zeuge mit leinenem Aufzuge und wollenem Einschlage (bômsîd genannt); sie wird an der linken Seite zugeheftet, hat nur über der Brust eine Öffnung, welche mit großen metallenen Knöpfen zugeknöpft wird, und gleicht in der untern Hälfte einem breiten Gürtel, welcher vorne mit schwarzen Knöpfen zum Schein besetzt ist. Über die Weste kommt eine schwarze Jacke swubbjacke), sehr weit, mit langem, etwas faltigem Schoße, stets vorne geöffnet, an einigen Orten aber auch bei den jüngeren Leuten schon eine kurze dunkelgrüne Jacke. Um den Hals wird ein dickes, buntes, baumwollenes Tuch geschürzt. Das Haar ist gescheitelt und rund abgeschnitten. Den Kopf bedeckt ein runder Hut, den bei Verheirateten eine schwarze, bei Unverheirateten eine kreideweiße Schnur umschlingt. Zum Putze wird statt der Weste eine halbwollene (bômsîdene) schwarz-weißgestreifte, in den altsächsischen auf »Hagen« endigenden Dorfern an der untern Warnow eine rot-gestreifte Jacke gewählt und statt der Jacke ein langer Rock von schwarzem Tuche, hinten vom Schoße an mit vielen Falten. Auf Reisen ward früher, jetzt selten, ein langer, schwarzer Mantelkragen (wams, früher hoîken genannt) über der Jacke getragen.


Die Weiber tragen ein enges schwarzes Mieder oder Leibchen (bindleib), welches nur unten zugeschnürt werden kann. Auf einem dicken Wulste, um einen nicht beliebten schlanken Wuchs zu verbergen, hängt über den Hüften etwa ein halbes Dutzend kurzer Röcke. Alltäglich ist der oberste Rock ein roter und die Schürze weißleinen oder blau gefärbt, sonntäglich ist der oberste Rock ein schwarzer, dicht gefalteter, mit bunten Säumen besetzter und die Schurze klar weiß. Die Strümpfe sind. stets rot. Die Schuhe mit hohen Absätzen haben gewöhnlich große Schnallen; an Feiertagen sind sie aber zugeschnürt und über der Öffnung schwebt ein großes Stück bunt ausgeschlagenes Leder. Die schwarze Jacke (jôpe) mit breitem Schoße bis auf die Hüften steht immer offen. Das Mieder verschließt vor der Brust oft ein ehr bunter und blanker Latz (böschen: Brüstchen) bis zum Kinne. Um den Hals werden mehrere bunte, seidene Tücher geschlagen, deren Enden unter die Jacke hinlaufen und zum Teil hinten zusammengeknöpft werden. Das aufgebundene Haar bedeckt eine kleine schwarze Mütze, welche hinten spitz und hoch ist, mit einem anliegenden, kleinen, weißen Striche; von der Spitze der Mütze hängt eine lange Schleife von breitem, schwarzen Bande (start: Schweif) über den Rücken hinab. Der von ihnen selbst verfertigte Strohhut ist platt und schmalrandig und wird mit einem breiten schwarzen Bande, mit einer Schleife unter dem Kinne, befestigt. Beim Abendmahl wird ein weißes Tuch umgebunden und die Mädchen tragen dann eine weiße, dichtanliegende Mütze. Bei Beerdigungen wird um den Hut ein hinten herabflatterndes weißes Tuch gebunden. Zum Putze tragen alle schwarze Handschuhe, gewöhnlich ohne Fingerlinge, mit bunt aufgenähter Klappe, und einen kleinen, schwarzen Muff.

Die Bauernhäuser haben noch die altwendische Einrichtung: es sind Giebelhäuser, von Holz, Stroh und Lehm gebaut geklêmt), mit Stroh gedeckt und ohne Schornsteine. In der Mitte des vordern Raumes ist eine große Hausdiele, auf welcher auch gedroschen wird, rechts und links sind Viehställe und Kammern. Im hintern Hausraume ist eine kleine Diele, die Wohnstube (dönsk) mit Kammern und die Küche mit Kammern. An den Giebeln sind zwei aus Holz geschnitzte Pferdeköpfe kreuzweise angenagelt. Vor dem Hause ist der von Scheure und Ställen begrenzte Dung- und Viehhof, hinter dem Hause der Garten. Das ganze Gehöft umschließt, ein hoher, fester Zaun, der oft auf einer Feldsteinmauer steht.

Aus welcher Zeit dieser uralte Volksschlag mit seinen Eigentümlichkeiten stammt, ist Schuber zu entscheiden. Am wahrscheinlichsten ist es, dass er zum alten wendischen Volksstamme gehöre; die Zisterzienserklöster. schützten weise die ursprünglichen Bewohner in ihren Sitzen und belehrten sie lieber, statt sie zu verdrängen; die vorherrschenden Farben, schwarz und rot, deuten auf einen wendischen Ursprung der Tracht; der Schnitt der männlichen Kleidung, denn die Weibertracht ist überall sehr verschieden, gleicht dem Schnitt der Altenburger Bauerntracht; und in den Gegenden Mecklenburgs, in welchen ohne Zweifel früh Sächsische Sitte herrschend ward, ist die Tracht mehr längern und engeren Schnittes, und Farbenspiel und Lebensweise sind matter. Die Bevölkerung mit der schwarzen Tracht für noch älter zu halten, für den ursprünglichen Volksstamm, der schon von den Wenden geschont und geschlitzt sei, liegt außer aller Berechnung.

Auf dem vorliegenden Blatte sehen wir einen Bauer und eine Bauerin aus Biestow in mittlerm Putze, in welchem sie gewöhnlich zur Stadt zu kommen pflegen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1842
Bauer und Bäuerin aus Biestow bei Rostock

Bauer und Bäuerin aus Biestow bei Rostock

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