Einwirkung des dreißigjährigen Krieges auf die Domanial-Bauern und das Leid des Vaterlandes in dieser Schreckenszeit.

Bereits wiederholt habe ich in früheren Vorträgen die verderbliche Einwirkung des dreißigjährigen Krieges auf unsere Domanial-Bauern berührt. Heute beabsichtige ich weiter zu greifen und darzustellen, wie unser ganzes engeres Vaterland in jener Schreckenszeit gelitten hat. Aber die Anzahl der Kriegsjahre ist eine lange, die diesem Vortrage zugemessene Stunde bald ausgefüllt: ich muß mich deshalb darauf beschränken, den allgemeinen Wendungen des großen Krieges in Mecklenburg, den Durchzügen der verschiedenen Völker und Heere, den sich daran knüpfenden größeren Ereignissen, Belagerungen und Gefechten zu folgen, und am Schluß einige Schilderungen des damaligen, in ganz Mecklenburg herrschenden namenlosen Jammers zu geben. Von der Politik, namentlich den Verhandlungen unserer Herzöge mit dem deutschen Kaiser sowie mit deutschen und fremden Fürsten, will ich mich diesmal fern halten, denn dies würde heute zu weit führen, ist auch wenig erquicklich.

Das Material habe ich wesentlich direkt aus der Quelle, nämlich aus den überaus zahl- und inhaltsreichen Akten des hiesigen Großherzoglichen Geheimen und Hauptarchivs, geschöpft. Wenn sich, hoffentlich in nicht zu ferner Zeit, Jemand fände, am besten, namentlich auch zur Darstellung der strategischen Seiten, ein hier im Ruhestande weilender höherer Militär, welcher seine Muße zur allseitigen Erforschung und Bearbeitung des dort in einem halben Hundert dicker Aktenbündel angesammelten, von Anfang bis zu Ende vollständigen Stoffes verwenden wollte, so würde er sich selbst viel Anregung, manche interessante Stunde bereiten, und für Mecklenburg eine Geschichte des dreißigjährigen Krieges schreiben können, wie sie ausführlicher wohl kein anderes deutsches Land besitzt. Ueberhaupt ist nach meiner jetzigen Ueberzeugung auch eine erschöpfende und zutreffende allgemeine Geschichte des dreißigjährigen Krieges in Deutschland nur Demjenigen möglich, welcher auch die mecklenburgischen Archiv-Akten kennt.


schon zwei Jahre nach Ausbruch des großen Krieges pochten seine Boten auch an Mecklenburgs Thore. Es war im Frühling 1620, als König Jakob von England seinem von den protestantischen Ständen Böhmens zum König erwählten und von den Katholiken hart bedrängten Schwiegersohn, dem Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, 3-4000 englische und schottische Söldner unter Lord Grey zu Hülfe sandte. Sie segelten bis Hamburg und wollten durch Mecklenburg und die Mark nach Böhmen marschiren. Sie kamen bis Boizenburg - nicht Dömitz, wie in unseren Geschichtsbüchern steht - und ließen von dortiger Grenze aus durch Kapitän Mosheim um Gestattung des Durchzuges bitten. Als neutraler deutscher Reichsfürst konnte aber Herzog Adolph Friedrich denselben den Feinden des deutschen Kaisers nicht freigeben, und jene nahmen dann ihren Marsch durchs Hannoversche. Auf alle Fälle, und wenn nöthig auch zur thätlichen Abwehr, waren die Boizenburg benachbarten Städte, Bauern und Lehnsleute aufgeboten, aber zu ihrem Glücke kam es nicht zum Kampfe, in welchem sie zweifelsohne den krieggewohnten fremden Söldnern unterlegen wären, zumal - nach des Herzogs Aufzeichnung in seinem Tagebuch - viele jüngere Edelleute nach damaliger Sitte in auswärtigen Kriegsdiensten waren. Frommer Glaubenseifer trieb sie nicht dazu, nur Begier nach Ehre und Gewinn, sie standen auf katholischer wie auf protestantischer Seite; kämpften doch selbst schon im Jahrhundert der Reformation Mecklenburger unter dem grausamen bigotten Alba gegen das protestantische Heldenvölkchen der Niederlande. Uebrigens war das in unruhigen Zeiten zusammenzurufende mecklenburgische Landesaufgebot auch für die eigene Heimath nicht ganz ohne Gefahr. Als 1621 eine Musterung des Landesaufgebots bei Parchim zur Zufriedenheit der Befehlshaber verlief, sollen ihre Leute als Belohnung die Plünderung dieser Stadt ausdrücklich verlangt haben, und dies mag wahr sein oder nicht - die Thatsache wird durch die städtische Chronik beglaubigt, daß damals das Aufgebot mit Gewalt in Parchim eindrang und dort die gröbsten Ausschreitungen verübte.

Auch noch in den nächstfolgenden Jahren verstanden die mecklenburgischen Herzöge durch strenge Neutralität den Frieden in ihren Landen zu wahren. Hülfs- und Unterstützungsgesuche des in der Schlacht am weißen Berge vor Prag vom kaiserlichen General Bucquoi geschlagenen böhmischen Königs Friedrich - des entlaufenen Königs, wie Herzog Adolph Friedrich ihn in seinem Tagebuche bezeichnet -, sowie des vom kaiserlichen General Tilly bei Wimpfen besiegten Markgrafen Georg von Baden, ebenso des vor Tilly bei Höchst unterlegenen Herzogs Christian von Braunschweig, auch des tapferen Grafen Ernst von Mansfeld fanden kein Gehör. - Aber näher und näher aus Sachsen, Böhmen und Bayern rückten die kaiserlichen Heere unter Niederwerfung ihrer Gegner gegen den Norden Deutschlands und erweckten in den niedersächsischen Ständen die Besorgniß vor Wiederherstellung des Katholizismus und des kaiserlichen Absolutismus. Braunschweig, Pommern, Brandenburg, Mecklenburg, die freien Städte, Holstein - letzteres in der Person des Königs Christian von Dänemark - traten trotz der kaiserlichen Abmahnungen und beruhigenden Versicherungen 1625 zu einem sogen. Defensionsbunde zusammen. Kreisoberster war der König von Dänemark, welcher gleichzeitig in seiner letzteren Eigenschaft Bündnisse mit Frankreich, England, Holland gegen den deutschen Kaiser erstrebte, und dadurch auch dem Defensionsbunde ein feindliches Gepräge gab. Mecklenburgische Truppen stießen mit zur dänisch-holsteinschen Armee; nur die Stadt Rostock, welche Sonderpolitik trieb und es mit dem Kaiser nicht verderben wollte, verweigerte hartnäckig die Entsendung ihres herkömmlichen Kontingents - 400 Mann und zwei leichte Geschütze (Falconetlein) - ins dänische Lager. Auch wurde dem Könige von Dänemark gestattet, ein Regiment Fußvolk in Mecklenburg anzuwerben, welches auf dem platten Lande manche Exzesse beging, bis es endlich über Wismar zur See weiterbefördert wurde.

Im April 1626 unterlag der letzte protestantische Kämpfer, Graf Mansfeld, der Uebermacht Wallensteins an der Dessauer Brücke, die kaiserlichen Heere drangen unaufhaltsam weiter, und ein Zusammenstoß mit dem Defensionsbunde war nun unvermeidlich. Er erfolgte Ausgangs August bei Lutter am Barenberge; der Dänenkönig wurde von Tilly besiegt. Ein Theil seiner Armee unter Schlammersdorf zog sich über die Elbe nach Mecklenburg, besetzte ohne Weiteres die Festung Dömitz, Boizenburg, Grabow, Lübz, Wittenburg, auch das Stiftsamt mit Stadt Bützow, dessen Administrator gerade damals ein Sohn des Königs war, und schonte Land und Leute umsoweniger, als die mecklenburgischen Herzöge schon wenige Tage nach der Schlacht sich vom Defensionsbunde losgesagt hatten und deshalb nicht länger als befreundet angesehen wurden, obgleich dieselben noch später den dänischen König bei der Belagerung von Bleckede mit Proviant und Munition unterstützten. Besonders das platte Land wurde arg mitgenommen; die erbitterten Bauern kämpften zwischen Lübtheen und Dömitz mit den plündernden Dänen und säuberten in größeren Rotten die Landstraßen von schwächeren Streitparteien, wobei auf beiden Seiten Gefangene sofort aufgeknüpft wurden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg im dreißigjährigen Kriege