Die Ausbeutung des Landes.

An Genügung so weit gehender Forderungen war in dem ausgesogenen Lande auch nicht im Entferntesten zu denken - und die Folge war Verhängung militärischer Exekution „bei Androhung von Schwert und Feuer,“ welche nur zu oft zur Wirklichkeit wurde. Eine Plünderung der Städte und Dörfer folgte der andern, und was nicht mitgenommen, wurde zerstört.

Den Oberbefehlshabern selbst freilich war mit der völligen Aussaugung des Landes, auf welches sie doch auf einige Zeit angewiesen waren, gar nicht gedient, und sie suchten häufig nach Kräften dem Unheil zu steuern. So erließ der vielgeschmähete Banèr 1638 folgenden Tagesbefehl:


Der. Königl. Mayest. vnd Reiche Schweden,
Wie auch dero Confoederirten, respective
Raht, General vnd Feldt-Marschall, Johann
Banèr, Herr zu Mühlhammer vnd Werder,
Ritter .

„Obwohl Hochgedachte Jhre Excell. vermeinet, es
wurden durch dero eine Zeit her sehr vielfältige vnd oft
repetirte poenalmandata, dero Vnterhabende Soldatesca,
von ihren grausahmen excessen, Raub, Mord,
Plünderung, Brand, Schändung der Frawen vnd
Jungfrawen, ohne Vnterscheidt des Standes vnd Alters,
devastirung der Kirchen vnd Gottes Häuser, vnd
beleidigung der Prediger vnd Kirchendiener,
Verwüstung der Gaben Gottes, vnd anderen
barbarischen crudeliteten abgeschrecket worden seyn,
die Herren Obersten vnd nachgesetzte Officirer auch
dermassen darüber gehalten, vnd solche disciplin
angeordnet vnd confirmiret haben, daß zu ihrem selbst
eigenen besten, Insonderheit zu abwendung des durch
solche Teufflische proceduren angezündeten Zorn
Gottes, viele Land vnd Leute conserviret, die armèè also
besser alimentiret, vnd nicht Noth vnd Mangel leiden
dürften, geftalt die Herrn Obersten solches Jhr. Excll.
hochbetheurlich versprochen und angelobet, so hat doch
bißhero die Erfahrung gelehrt, daß die Soldateska einen
Weg wie den andern bey ihren Unchristlichen vnd
Abscheulichen enormischen excessen verharret, vnd
dieselbe von Tage zu Tage zu- vnd fast überhand
genommen, und itzo mit vielen greulichen und noch nie
erhörten Martern die plagen des armen Landtmans
vergrössert und die Arten derselben vermehret, und
durch Conniventz der Officirer in vollen Schwang
gerathen und darauß eine solche Gewohnheit
eingewurtzelt, welche Gottes Zorn dermassen gehäuffet
das dessen effect die armèè biß dato nicht wenig
gespüret. Als haben Jhr Excell. aus obligender Fürsorge
zur conservation dero anvertrauten armèè, protection der
damit innehabenden Lande, und beybehaltung der
Einwohner, Insonderheit zu beschützung der angehenden
Erndte vnd Lebensmittel, vor hochnöthig erachtet, dero
mandata noch einmahl zu wiederholen.“ - - -

Auch der kaiserliche Feldherr Graf Gallas drohet seinem übelberüchtigten Oberst Graf Götzen und dem Oberst Lossi, Befehlshaber der wilden Crabaten (Kroaten), die „weder Galgen noch Rad scheueten,“ daß sie „bei ferneren Excessen so lange vor dem Feinde stehen sollen, bis Einer den Andern aufgefressen.“

Dazu wurden einzelnen Ortschaften und Personen häufig Sauvegarden entweder in Form von Schutzbriefen oder auch lebendige, d. i. Wachen, bestellt, diese jedoch von den eigenen Truppen nur widerwillig, vom Feinde gar nicht beachtet. -

Am ärgsten hausten umherziehende einzelne Trupps von wenigen bis zu einigen hundert Mann, welche entweder zur Fouragirung ausgesandt waren oder heimlich sich abgetrennt hatten, und auf eigene Fauft raubten und brandschatzten. Die Städte, welche damals sämmtlich mit festen Thoren, Mauern und Wällen umgeben und deren Bürger in Wehr und Waffen wohl geübt waren, wußten sich ihrer freilich - wenigstens in den ersten Kriegsjahren und als sie noch nicht öde und verlassen waren -, wenn sie wachsam waren, zu erwehren. Zu Röbel schwur die ganze Bürgerschaft feierlich, ihre Stadt bis auf den letzten Blutstropfen zu vertheidigen, schlug auch mehrere Angriffe tapfer zurück; ebenso zu Malchin. Vor Crivitz plänkelten kaiserliche Reuter einen ganzen Tag und zündeten, als sie sich mit Verlust zurückziehen mußten, die Stadtscheunen an. In Gnoien, Wittenburg, Boizenburg, Gadebusch waren die Feinde bereits durch die Thore und über die Mauern eingedrungen, aber die durch Lärmtrommel und Sturmglocke herbeigerufenen Bürger warfen sich ihnen auf dem Markte und in den Straßen entgegen und trieben sie wieder heraus. - Die obersten Befehlshaber schritten auch hier häufig nach Kräften ein. Banèr befahl sofortiges Tödten aller sogen. Freireuter. Auch wurden aus den Feldlagern sogen. Rumormeister mit kleineren Truppenabtheilungen ausgesandt, welche alle Marodeurs sofort aufknüpften, aber auch selbst nicht selten mit blutigen Köpfen heimgeleuchtet wurden.

Wie in den letzten Kriegsjahren Alles daniederlag, die Städte und Ortschaften theils verbrannt, theils zu Brennholz oder zu Feldlagern abgebrochen, die Bewohner theils durch Schwert und Martern, theils durch Pest und Hunger umgekommen, zum kleineren Theile nach dem festen Rostock, besonders auch nach Lübeck und Hamburg geflohen waren, ist in unseren Geschichtswerken oft und eingehend genug geschildert. Hier nur noch wenige andere Bilder aus jener Schreckenszeit. Die Städte mit festen Schlössern - Dömitz, Plau, Boizenburg - waren während der Belagerungen fast ganz in Asche gelegt, ebenso Warin, Laage, größten Theils Teterow, Röbel. In Waren drangen die Kroaten ein, marterten viele Bewohner auf jede nur erdenkliche Weise zu Tode, jagten andere in die Müritz und zündeten die Stadt an, wobei 72 Häuser und die Marienkirche verbrannten; der Rest wurde abgebrochen für Baracken eines kaiserlichen Feldlagers bei Eldenburg; die Leichen der Erschlagenen sollen von Hunden und Wölfen verzehrt und nach dem Kriege nur erst sieben Familien zurückgekehrt sein, welche das Saatkorn auf einer Schiebkarre von Wismar holten. In Malchin wurden nach Bericht des Bürgermeisters 200 menschliche Skelette von den Straßen aufgelesen, deren Fleisch von Hunden abgenagt war; auch von Schwerin wird Aehnliches berichtet. Als an einem vom Herzog wegen der traurigen Zeit angeordneten Buß- und Bettage die Gemeinde zu Ivenack in der Kirche versammelt war, drangen Kroaten in dieselbe, erschlugen den Prediger vor dem Altar und 40 Personen, verübten an Weibern und Kindern die schrecklichsten Dinge. Besonders die Prediger wurden verfolgt, manche, wie in Malchin, Waren, Grevesmühlen, Slate, zu Tode gemartert; massenweise flohen sie nach Rostock, verkamen auch dort in Hunger und Noth. Fliehende wurden mit Hunden gehetzt, zur Winterszeit in Brüche und Wälder gejagt, geblendet, durch Einschneiden der Fußsohlen gelähmt, voll Mistjauche und Wagenschmiere gefüllt und dann getreten. Ganz unnatürliche Dinge dienten zur Stillung des Hungers; zu Neubrandenburg wurden zwei Mädchen betroffen, welche den Leichnam eines andern bis auf die Knochen verzehrt hatten; zu Bülow bei Malchin tödtete und verzehrte eine Mutter ihren Säugling. Wie Schweden und Kaiserliche zu Doberan hausten, das schöne Gotteshaus demolirten, das Kupfer vom Dache rissen, die Thurmspitze abbrachen, die fürstlichen Gräber aufrissen, den Leichnam von des Herzogs Adolph Friedrich ersten Gemahlin zerstückten und den Hunden vorwarfen, den Prediger schwer verwundeten, in der Kirche den alten Küster auf grauenvolle Weise ums Leben brachten, ist bekannt; aber auch ein dortiger Müllerknecht wurde lebend in den Backofen geworfen und der Knochenrest in den Bach gestreuet. Auch im Amte Neustadt sind Bauern geröstet. - Die Menschen hatten sich in Bestien verkehrt!

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg im dreißigjährigen Kriege