Städtische Viehzucht

Fleischbeschaffung.

a) Städtische Viehzucht.


Was die Beschaffung des für den Verbrauch der Städte nötigen Fleisches betrifft, so ist es sicher, daß keineswegs der ganze Bedarf von den Schlachtern auf dem Markt gedeckt wurde. Als ihre Konkurrenten treten, wenigstens beim Handel mit Schweinen, vielfach die Müller auf. Schweinezucht war häufig eine Nebenbeschäftigung und Erwerbsquelle der Müller. Ihrerseits hatten auch die Schlachter eine Nebeneinnahme durch ein anderes Handwerk, nämlich das der Kürschner.

Vor allem aber haben die Bürger der Städte selbst, wie sie überhaupt ländlichen Beschäftigungen oblagen, sich auch mit Viehzucht beschäftigt, zumal in kleineren Städten, die sich ja eigentlich zunächst nur rein äußerlich durch ihre Planken- oder Palissadenbefestigungen von Dörfern unterschieden 1).

Von den Städten, deren Stiftungsbriefe erhalten sind, läßt sich zahlenmäßig feststellen, wieviel von ihrem Gebiet Weidezwecken diente. So bekam die Vorderstadt des Landes Stargard, Neubrandenburg, bei ihrer Gründung durch die brandenburgischen Markgrafen im Jahre 1248 250 Hufen Landes angewiesen, von denen 200 zum Ackerbau, 50 zu Weidezwecken dienen sollten. Ähnlich war das Verhältnis bei Lychen, ebenfalls 1248 gegründet, und bei der schon 4 Jahre früher, ebenfalls von den Markgrafen von Brandenburg angelegten Stadt Friedland. Fürstenberg erhielt im Jahre 1358 vom Grafen Otto von Fürstenberg "ene drifft mett ereme vee over de veltmarke vann der stadt bette inn den wilthagenn thu orer weide". Güstrow bekam schon am 1. November 1298 die Freiheit, seine Schweine zur Mast in den Primer Wald und Kleest (Wald) zu treiben, doch nur so weit, daß die Tiere abends in die Stadt zurückkehren konnten. Das Gleiche gilt für Malchow, das wie Güstrow Schweriner Stadtrecht hatte, natürlich mit der nötigen Abänderung in den lokalen Angaben. Da die Schweine in den dichten Buchenwäldern reichliche Nahrung fanden, so machte ihre Aufzucht verhältnismäßig wenig Mühe, und die Städte sowohl, wie die mit Renten und Privilegien reich ausgestatteten Klöster des Landes suchten daher, sich Anteil an den Waldungen zu verschaffen. Dabei kam es, wenn die Interessensphären sich berührten, gelegentlich zu heftigen Streitigkeiten 2).

Die gemeinsame Stadtweide sollte ausschließlich Weidezwecken dienen. Wenigstens heißt es in einer Malchiner Bürgersprache um die Wende des 14. Jahrhunderts, daß niemand auf der Stadtweide pflügen dürfe. Es wurde dort ein Bulle, bisweilen auf Stadtkosten, gehalten, wie dies für Rostock, abgesehen von Angaben der Kämmereiregister aus dem Ver festungsbuch des Jahres 1311/12 ersichtlich ist. Danach hatte ein gewisser Hermann Schelling unter anderem städtischen Eigentum auch den Stadtbollen (taurum civitatis nostre) geraubt und an einen auswärtigen Schlachter verkauft. Vieh nachts auf der Stadtweide weiden zu lassen, war verboten; vielmehr wurden die Tiere morgens hinaus- und abends wieder heimwärts geführt, ein Brauch, der sich übrigens in manchen mecklenburgischen Städten, sogar in der Haupt- und Residenzstadt Neustrelitz bis auf den heutigen Tag erhalten hat.

Damit die gemeinsame Weide von den wohlhabenderen Bürgern nicht übermäßig ausgenützt würde, war die Zahl der Tiere, die jeder austreiben durfte, genau festgesetzt. Zufolge einer Verordnung des Wismarer Rates vom Jahre 1296 war es jedem dortigen Bürger erlaubt, sechs Kühe und zwölf Schweine weiden zu lassen, wobei jedoch statt je einer Kuh auch zwei Schafe oder zwei Ziegen ausgeschickt werden konnten. Zuwiderhandlungen wurden mit 1/2 Talent pro Kopf des Viehs bei jeder Übertretung gebüßt, und die gleiche Strafe traf diejenigen, welche einen besonderen Hirten hielten. Es zeigt sich hierin ein Bestreben des Rats, eine Übervorteilung der ärmeren Bürger durch die Wohlhabenden zu verhindern. Die genannte Verordnung scheint aber mehrfach, sogar von Ratsmitgliedern, übertreten worden zu sein; denn am 22. April 1345 wurde sie wiederholt, wobei eigens hinzugefügt wurde, daß das Vieh der Ratsherren denselben Vorschriften unterstehe wie das der übrigen Bürger, und daß weder einzelne Glieder des Rats, noch der Bürgermeister ohne des gesamten Rats Zustimmung etwas daran ändern dürfe. Bei Übertretung des Gebotes wurde das überzählige Vieh gepfändet und unter keiner Bedingung zurückgegeben, so daß den Besitzern, abgesehen von der Geldstrafe, ein Verlust ihrer Rinder, Schweine oder Schafe drohte. Die Hälfte der Strafgelder wurde von den praktischen Stadtvätern zur Ausbesserung schlechter Wege benutzt.

Für die Wartung des Viehs auf der Weide wurden von der Stadt Hirten in Dienst genommen, was besonders für alle Städte mit Schweriner Stadtrecht überliefert ist. Wieviele Hirten von Stadt wegen gehalten wurden, läßt sich nicht feststellen. Gewöhnlich wird es nur einer gewesen sein; denn der Ausdruck opilio Schäfer, bedeutet wohl nur, wie heute noch vielfach, Hirte überhaupt. An manchen Orten spricht man ja jetzt noch von "Kuhschäfern". In Wismar wird allerdings für die Jahre 1345-1347 ein besonderer Schweinehirte genannt (subulcus . . . quem domini mei ad porcos civitatis receperunt). Doch lassen sich die Wismarer Verhältnisse nicht ohne weiteres auf die kleineren Städte übertragen.

Wieviel Lohn ein Hirte in der Stadt damals bekam, läßt sich nicht angeben, denn die Nachricht, daß das Kloster Doberan um 1337 einem Alberto famulo opilionis in Rostock 1 Mk. (Wendisch) und 1 Mk. Lübisch jährlich zahlen mußte , ist wohl nur auf eine Rentenzahlung, nicht auf einen Dienstlohn zu beziehen.

Für das flache Land haben wir einen etwas besseren Anhalt. Denn im Lohn- und Wirtschaftsverzeichnis des Klosters Neukloster, aufgezeichnet um 1320, ist an mehreren Orten für den Kuhhirten (pastor) 1 Mk. vorgesehen, ebensoviel für den Schafhirten und den Pferdehirten, während der Schweinehirte nur 6 oder 8 Schilling Wendisch (sol. slav.) bekam. Die Kälbermagd mußte mit einem Jahreslohn von 5, sogar von 2 1/2 Schilling zufrieden sein.

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1) Klagen darüber, daß sich das in den Städten gehaltene Vieh, besonders Schweine, in der unliebsamsten Weise bemerkbar machte, hört man bis ins 19. Jahrhundert hinein. Vgl. für Wismar Willgeroth Bilder aus Wismars Vergangenheit (Wismar 1903) S. 13, für Neubrandenburg Ahlers, historisch-topographische Skizzen aus der Vorzeit Neubrandenburgs (1876) S. 157. Man darf wohl annehmen, daß man dagegen in älterer Zeit noch weniger empfindlich war. Doch darf dabei nicht unbeachtet bleiben, daß z. B. die Wismarer Ratsherren den Bürgern immer wieder in der Bürgersprache einschärften, am Sonnabend die Straße zu fegen (so: MUB. X S. 186 Nr. 6851) bei Strafe von 1/2 Talent. Außerdem enthielt die Wismarer Bürgersprache einen eigenen Paragraphen: de swinekovenen (MUB. XXIV S. 71 ff. Nr. 13 645 sub 27).
2) Z. B. zwischen den Johannitern zu Sülstorf bei Kraak und dem Kloster Reinfeld. MUB. II S. 511 Nr. 1358. - Zwischen der Stadt Schwerin und der Schelfe (Neustadt=Schwerin) herrschte, obgleich letztere nicht einmal einen eigenen Markttag hatte, keine Weidegemeinschaft. MUB. III S. 155 ff. Nr. 1766 S. 156.

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