Einfuhr

b) Einfuhr von Fleisch.

Trotzdem eine verhältnismäßig große Menge von Vieh von den Bürgern selbstgehalten wurde, so mußte doch noch eine Einfuhr von Schlachtvieh vom Lande auf den städtischen Markt stattfinden. Allerdings sind die Nachrichten darüber sehr unbestimmt. Die Zollrollen der Städte nennen wohl tierische Produkte wie Fette, Schmalz, Talg, aber weder lebendes Vieh, noch Fleisch. Ebensowenig werden besondere Viehhändler irgendwo erwähnt. Es scheint, daß die städtischen Schlachter, die, wie wir sehen werden, ein Pferd zum Transport von Vieh und Fleisch halten mußten, auf dem Lande Tiere aufkauften und nach Bedarf in die Städte brachten. Diese Annahme stützt sich auf das Testament eines Wismarer Knochenhauers Westphal vom Jahre 1288, in dem dieser letztwillig verfügte über Vieh, das in verschiedenen Dörfern gehalten wurde, das ihm aber zu eigen gehörte, und für das er Zins empfing 1).


In beträchtlicher Menge scheint auf dem Seewege Vieh nach Mecklenburg eingeführt worden zu sein, nämlich aus den nordischen Reichen. Schweden war ja ohnehin im 14. Jahrhundert durch die Person seines Herrschers eng mit Mecklenburg verbundene auch genossen die mecklenburgischen Seestädte dort und in den anderen nordischen Königreichen große Handelsvergünstigungen.

Aus dem Liber recognitionis oder Witschopbok der Stadt Rostock von 1338-1384 erfährt man, daß Rostocker Bürger Eigentümer von Buden, auch von Schlachterbuden in Marktorten auf Schonen waren, was wohl von Einfluß auf den Rostocker Fleischmarkt war 2). Genaueres über Einfuhr von Vieh über See berichten Wismarer Bestimmungen vom Jahre 1342 und Rostocker Ratsstatuten aus der Zeit um 1400 3). Letztere unterscheiden sich von den in Wismar gültigen Vorschriften dadurch, daß sie sich nicht nur auf seewärts herbeigeschafftes Vieh beziehen, sondern auch auf solches, das aus Dörfern oder anderswoher (de mari, vel de villis, vel de quacumque parte fuerit) zu Markt gebracht wurde. In Wismar sollten die betreffenden Schlachttiere erst 24 Stunden im Stall oder Hof eines Bürgers, in Rostock an einem von den Ratsherren dazu bestimmten Platze stehen 4), und während dieser Zeit sollten die Bürger allein das Recht haben, Vieh für ihren Hausbedarf einzukaufen. Erst nach Ablauf dieser Frist hatten die Schlachter mit den übrigen Bürgern gleiches Kaufrecht. Selbstdann sollten letztere noch berechtigt sein, einen oder mehrere Ochsen, Schweine oder Schafe zu ihrem Verbrauch zu kaufen, mußten jedoch den Fleischern für jedes Stück gekauften Viehs eine vorgeschriebene Entschädigung zahlen.

Diese Bestimmung zeigt deutlich das Bemühen des Rats, das kaufende Publikum den Schlachtern gegenüber in Schutz zu nehmen, indem bei diesem Verfahren jeder Bürger bei noch unverminderter Auswahl das ihm Zusagende erwerben konnte.

Die Rostocker Statuten wissen nichts von einer solchen Vorkaufsfrist für die Bürger. Doch durften die Fleischer nur eine festgesetzte Zahl von Schlachttieren (ein bis zwei Ochsen und bis zu vier Kühen) so durften es ihm die Schlachter nicht verwehren, erhielten aber einen kleinen Entgelt, nämlich 6 Pfennig für ein Rind, 2 Pfennig für ein Schwein. Schutz der Konsumenten ist auch der Zweck der auf diese Festsetzungen folgenden Bestimmungen der genannten Statuten. Da heißt es für Wismar, daß die Fleischer einen vollzogenen Kauf nicht durch Abmachungen unter sich gegen Entgelt verändern dürfen (illam emptionem non debent inter se unus alteri pecunia alteriorari). In der Bestimmung für Rostock kommt dieser Gedanke noch schärfer zum Ausdruck. Es wird ausdrücklich gefordert, daß jeder Fleischer das von ihm gekaufte Vieh selbst schlachten müsse, und daß nicht etwa eine Verlosung der Tiere stattfinden solle, bei der einem oder zwei unter ihnen das gekaufte Vieh zufiele, den andern an dem Handel Beteiligten aber ein Gewinn in bar gewährt würde.

Auf weitere Verordnungen, deren Zweck die Förderung und der Schutz der Käufer war, nämlich auf Verfügungen über Vorkauf, auf das Verbot des Kaufens vor den Toren oder auf den einlaufenden Schiffen, auf Zollvergünstigungen der Städte, auf die Jahrmärkte u. a. sei nur beiläufig hingewiesen.

Von einer Ausfuhr von Vieh aus den Städten Mecklenburgs erfährt man nirgends etwas, trotzdem kein Verbot in dieser Richtung aus der Zeit, mit der diese Arbeit sich befaßt, bestanden hat 5). Daher ist wohl anzunehmen, daß das auf der Stadtweide großgezogene Vieh innerhalb jeder Stadt verzehrt wurde.

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1) MUB. III S. 327 Nr. 1991. Westphal besaß Ziegen in Barnekow (Amt Grevesmühlen), eine Kuh und Schafe in Luttersdorf (ebenfalls im Amt Grevesmühlen), und in Metelstorf bei Wismar sogar nur Anteil an einer Kuh (medietatem vacce).
2) MUB. XVI S. 195 f. Nr. 9632 S. 196 Anmerkung.
3) MUB. IX S. 401 Nr. 6230 (Wismar), MUB. XXIV S. 150 Nr. 13 734 sub 6 ( Rostock ). Ebenso die etwa der gleichen Zeit entstammende Vorschrift der Rostocker Bürgersprache, MUB. XXIV S. 146 ff. Nr. 13 731 sub 6: Vortmer bede wi, dat nemant schal dingen edder kopen perde rynder in den schepen, ere se komen in eres werdes were (= Besitz), bi III mark sulvers.
4) Mehrfach findet sich ausdrücklich ein stabulum civitatis erwähnt, z. B. für Rostock MUB. XIII S. 441 ff. Nr. 7898 S. 444 und im Kämmereiregister von 1380, MUB. XIX S.465 ff. Nr. 11 247 S. 473; für Wismar schon im Jahre 1294, MUB.
5) Ein solches Ausfuhrverbot wurde in den Städten Südwest-Deutschlands nachgewiesen Von M. Mechler, Die Nahrungsmittelpolitik kleinerer Städte des oberrheinischen Gebiets in älterer Zeit (Dissertation,Freiburg 1909),S. 69.