Das Fleischergewerbe - Fleischhauer

Das Fleischergewerbe.

b) Fleischhauer.


Für die Fleischhauer (carnifices) blieb also das Zerteilen und das Verkaufen des Fleisches als Hauptbefugnis übrig, und selbst diese erfährt durch die vielgenannte Rostocker Ratsverordnung von 1330 eine Einschränkung.

Es heißt dort, daß die Knochenhauer nicht mehr wie bisher Speck verkaufen dürften, sondern daß ihnen nur an drei Markttagen vor Ostern erlaubt sein sollte, Schulterstücke (scapulas), Schinken (tybias) und ganze Seiten frisches Fleisch (es muß damit Schweinefleisch gemeint sein, da für Rind- und Schaffleisch wohl kaum Zweifel bestanden) zu verkaufen. Trotzdem muß man in den Knochenhauern die eigentlichen Vertreter des damaligen Fleischergewerbes sehen; denn sie sind es, die sich zu Zünften zusammenschlossen.

Die erhaltenen Zunftprivilegien und Ordnungen lassen einen deutlichen Einblick tun in das städtische Leben jener Epoche. Das Neubrandenburger Privilegium fordert u. a., daß die Neuaufnahme eines Schlachters in die Zunft oder der Erwerb eines Scharrens (Verkaufsstandes) nur zulässig sein sollte, wenn durch den Tod eines Meisters oder aus irgend einem anderen Grunde (ab alio casu) ein Platz freigeworden war, wodurch die Konkurrenz in Schranken gehalten werden konnte. Auch durfte niemand aufgenommen werden, der nicht das 18. Lebensjahr erreicht hatte, wohl damit der Betreffende eine ausreichende Lehrzeit hinter sich hatte. Letztere Bestimmung findet sich wieder in der Plauer Zunftordnung der Schlachter vom 8. September 1306, aus welcher auch ersichtlich ist, daß Söhnen von Schlachtern, falls der Vater gestorben war, Vergünstigungen gewährt wurden bei der Aufnahme unter die Zunftgenossen. Dasselbe gilt von Witwen; denn als "Witwe" wird das Wort "domina", das sonst in mecklenburgischen Urkunden vorwiegend die vornehme, angesehene Frau (auch Bürgersfrau) bezeichnet, hier zu deuten sein, wenn man nicht etwa annehmen will, daß Frauen am Anfang des 14. Jahrhunderts als selbständige Gewerbetreibende aufgetreten seien 1).

In Plau zahlten Schlachterfrauen bei ihrer Aufnahme in die Zunft nur 1 Schilling an Geld und gaben ein Pfund Wachs für kirchliche Zwecke, während ein Mann 2 Pfund Wachs und 2 Mk. (eine für die Stadt und eine für die Zunft) zu hinterlegen hatte. Auch ein gewisser Vermögens-nachweis war erforderlich. Z. B. heißt es in einer Willküre des Wismarer Rats vom 12. November 1361, daß niemand sich unterfangen solle, im Knochenhaueramt selbständig zu werden (sines sulwes to werdende), der nicht 20 Mk. (twinticht mark penninghe) Vermögen nachweisen könne, wobei ihm jedoch, wie ein späterer Zusatz besagt, ein Pferd, das er zum Transport von Vieh und Fleisch halten mußte, für 12 Mk. Lüb. angerechnet wurde.

Für Rostock sind die am 22. Oktober 1356 erlassenen Bestimmungen andere. Dort mußte jeder, der in ein Amt aufgenommen werden wollte, der Stadt eine bestimmte Summe bezahlen. Darauf erhielten die Ältermänner der betreffenden Zunft von den Kämmereiherren der Stadt 2 Schilling, von dem neu aufgenommenen Zunftmitgliede 4 Schilling, von letzterem außerdem ein Pfund Wachs ad lumina cerea societatis eorum augenda.

Zu solchen allgemeinen Bestimmungen kommen, besonders in der Plauer Schlachterordnung, noch zahlreiche Einzelverordnungen, die aber weniger Bedeutung haben für die Betrachtung des Fleischergewerbes vom Gesichtspunkt der Lebensmittelpolitik aus.

Sie beziehen sich nämlich auf Beleidigungen oder Tätlichkeiten, die an Älterleuten oder Zunftmitgliedern begangen wurden, und ihre große Zahl und ihre Detailliertheit wirft kein eben günstiges Licht auf die Fleischhauer von damals.. Die verhängten Strafen sind Geldbußen, von denen ein Teil der Stadt, das übrige der Zunft zufiel. Leider muß zugestanden werden, daß in den erhaltenen Geldbußenregistern jener Zeit die Namen von Schlachtern fast nie fehlen; doch finden sich auch edlere Züge von Angehörigen des Gewerbes verzeichnet. Z. B. kauften im Jahre 1349 die Schlachter von Wismar Äcker "zu milden Werken".

Die Zunftprivilegien verdanken meistens ihre Entstehung dem Wunsche der Handwerksmeister, ihre Stellung in der Stadt zu befestigen; sie ließen sich sogar die Zunftrollen, ebenso wie die späteren landesherrlichen Bestätigungen, ein Beträchtliches kosten 2).

Andererseits ließ es der Rat nicht fehlen an Einschränkungen der Vorrechte und an Kontrolle, wie denn in Neubrandenburg die Schlachterzunft nur in Gegenwart zweier Ratmänner Beschlüsse fassen durfte und in Plau gegen den Befehl der Ältermänner, die dem Rat verantwortlich waren, kein Fleisch verkauft werden sollte.

Die Vorschriften des Rats wurden besonders eingeschärft und womöglich verschärft, wenn Übertretungen oder Eigenmächtigkeiten vorgekommen waren. So sah sich im Jahre 1372 der Rat der Stadt Wismar zum Einschreiten genötigt, als eine förmliche Verschwörung der Schlachterinnung entdeckt wurde. Es stellte sich heraus, daß seit 30 Jahren ohne Wissen des Rats von der Zunft allen neuaufgenommenen Mitgliedern ein Eid abgenommen worden war, durch welchen sie u. a. verpflichtet wurden, nicht mehr Fleisch zum Verkauf auszuhauen, als die Älterleute vorschrieben, wodurch ein natürlich unerlaubter Druck auf die einzelnen Meister ausgeübt worden war. Die Folge war, daß vier Älterleute ihres Amtes entsetzt und für immer aus der Fleischerzunft ausgestoßen wurden. Die vom Rate neuerwählten Ältermänner, wie auch alle ihre späteren Nachfolger, mußten die Satzungen der Zünfte die außerdem zur besseren Einprägung auch in der Morgensprache der Fleischer verlesen werden sollten, feierlich beschwören. Es sind vier Sätze, von denen drei zum besseren allgemeinen Verständnis der Urkunde, die in lateinischer Sprache über diesen Vorfall berichtet, in Vulgärsprache hinzugefügt wurden. Einer derselben fordert, daß jeder Meister in seinem eigenen Scharren persönlich syn eeghene vlesch vorkopen, dies nicht durch seine Knechte tun lassen sollte, welche Anordnung schon in lateinischer Fassung im Willkürebuch des Wismarer Rats Fol. 6 vom Jahre 1353 verzeichnet ist. Dagegen ist die dritte der Forderungen die lateinische Wiederholung einer lateinischen Ratsverordnung vom 28. August 1342 über seewärts eingebrachtes Vieh, von welcher schon die Rede war.

Der erste und zweite Satz jener Wismarer Neuordnung des Fleischerhandwerks werden uns in anderem Zusammenhang wieder begegnen.

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1) Auch Dragendorf (Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock 2. Band III. Heft Nr. V S. 68) hält die in Listen von Gewerbetreibenden aufgezählten Frauen (in Rostock) für Witwen, und G. v. Below, Die städtische Verwaltung des Mittelalters als Vorbild der späteren Territorialverwaltung (Historische Zeitschrift Band 75 S. 445) weist nach, daß auch andernorts Witwen zur Fortführung des Handwerks ihrer Männer und zur Aufnahme in Zünfte berechtigt waren.
2) So bezahlten die Friedländer Fleischer für die Bestätigung ihrer sette unde rechte durch die Herzöge Johann und Albrecht nicht weniger als 100 Mk. slav. Pfg. MUB. X S. 389 Nr. 7079.