Abschnitt. 2

Spallanzanis Briefe enthalten die Resultate seiner wichtigsten Versuche, welche Bonnet, wie dessen Antworten darthun, größtentheils veranlasste.

In Morians Briefen vereinigen sich Gelehrsamkeit, Geschmack, Scharfsinn, und Schönheit der Diktion.


Sulzer, der Bonnets persönliche Bekanntschaft auf seiner Reise nach Nizza machte, schrieb ihm von dorther einige Briefe voll politischer, naturhistorischen und philosophischer Bemerkungen, die alle mit dem Stempel der Wahrheit und Menschenliebe bezeichnet sind.

Merkwürdige Fremde sind seit einigen Tagen nicht hier gewesen, wohl aber einige junge Reisende, denen ich’s anzumerken glaubte, dass sie lieber ins Kaffeehaus gegangen wären, als zum Weisen von Genthod; die denn aber doch dem Despotismus der Mode, das Antlitz jedes berühmten Mannes anzustaunen, dessen Wohnung nicht allzuweit von der Landstraße abliegt, sich hatten unterwerfen müssen. Unmöglich kann ich der Versuchung widerstehen, dir das Fragment eines Gesprächs zwischen Bonnet und einem dieser Herren mitzutheilen, welches aber einer kurzen Einleitung bedarf.

Ich war vor drei Tagen in Genf und aß an einer Wirthstafel. Ein junger Engländer, der bei mir saß und den ich bald für einen von den Störchen in Lessings Fabel erkannte, denen es selten einfällt, auf ihren Zügen sich um etwas anders, als um die Topographie der Froschgräben zu bekümmern, fragte mich nach Bonnets Wohnung. Auf meine Erkundigung, ob er Bonnets Werke gelesen habe? antwortete er: Nein, die kenne ich gar nicht; aber sein Name steht hier auf meiner Liste. Mit diesen Worten öffnete er seine Schreibtafel, wo folgendes Verzeichnis Genfischer Merkwürdigkeiten zu lesen war:
1. Das Portal der Peterskirche.
2. Die Vereinigung der Arve und Rhone.
3. Das Naturalienkabinet des Herrn von Saussüre.
4. Herr Bonnet.
5. Herr Bourrit.
Da Sie noch nichts von seinen Werken gelesen haben, fuhr ich hierauf fort, so rathe ich Ihnen in den Buchladen zu gehen und sich etwas davon zeigen zu lassen; zum Beispiele die Naturbetrachtungen. Lesen Sie einige Kapitel dieses Werks, und Sie werden dann nicht nur weniger verlegen seyn, wenn er Ihnen etwa die Frage thun sollte, ob Sie mit seinen Schriften bekannt sind, sondern überdem auch noch sehr viel Wohlgefallen an dieser Lektüre finden.

Er dankte mir für diesen Rath, den er zu befolgen versprach und verliess mich, nachdem er den Namen von Bonnets Wohnort sorgfältig in sein Taschenbuch eingetragen hatte.

Gestern Nachmittags, als Bonnet eben Schach spielte, wurde ein Fremder eingeführt, den ich sogleich für den Mann von gestern erkannte. Bonnet empfieng ihn mit der herzlichen und zuvorkommenden Güte, die Du an ihm kennst, und nöthigte ihn auf den Sopha. Nachdem der Faden des Gesprächs durch die gewöhnlichen Formeln, von wannen? und wohin? angesponnen war, that Bonnet die Frage an ihn:
,,Sie haben sich wahrscheinlich auch mit der spekulativen Philosophie beschäftigt?"
Der Fremde. Nein, das nicht; aber ich habe gestern alle Ihre Werke gesehn.
Bonnet. Gesehen? - Hier hielt er etwas inne, fuhr aber in der Meinung, der Fremde, der das Französische sehr schlecht sprach, habe sich im Ausdrucke geirrt, sogleich fort: Nun, es wurde mich freuen, wenn meine Schriften von einigem Nutzen für Sie gewesen waren. Hat vielleicht irgend etwas darin einen vorzüglich lebhaften Eindruck auf Sie gemacht?
Der Fremde. Ja, das sind besonders die Gletscher; denn sie sind ganz vortreflich natürlich, (excellens naturels, war sein Ausdruck.) Man braucht kein Oedipus zu seyn, um hier sogleich zu errathen, dass er im Buchladen Bourrit, der auch auf seiner Liste stand, mit Bonnet verwechselt, und man ihm daher dessen Alpenreisen gezeigt hatte, worin die Kupfer seine Aufmerksamkeit wahrscheimlich am stärksten angezogen haben mochten. Bonnet merkte den Irrthum sogleich, und es war mir rührend, wie er, anstatt die Verlegenheit des Fremden (hundert andre hätten dies an seiner Stelle gethan) zu einer pikanten Scene zu benutzen, mit einem unbeschreiblichen Ausdrucke von Güte und Schonung, dem Gespräche plötzlich eine andre Wendung gab und ihn nach seiner Heimath, seiner Familie, ja sogar nach seinen Hunden und Pferden fragte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Matthissons Briefe