Marokkanische Rifpiraten. 1880

Aus: Illustrierte Zeitung Nr. 2798. 13. Februar 1897.
Autor: Fuchs, Richard, Erscheinungsjahr: 1897

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Piraten, Seeräuber, Rifpiraten, Marokko, Enterversuch, Überfall, Rauchsignale
Es vergeht kein Jahr, in dem nicht Marokko in unliebsamer Weise die Aufmerksamkeit der zivilisierten Welt auf sich lenkt. Die ganze marokkanische Küste ist von Schiffern aller Nationen gefürchtet und gemieden, denn hier die Seeräuberei noch in der ungeniertesten, frechsten Weise betrieben. Einer der gefürchtetsten Punkte war und ist noch heute das weit in die See hinausragende Cap Tresforcas (drei Galgen). Was nützt es, dass die Spanier dort das befestigte Melissa haben, die spanische Herrschaft reicht eben nicht über Kanonenschussweite hinaus. In der großen Bucht, die sich von hier bis Atalaya hinzieht, ist bereits eine ganze Menge von Segelschiffen spurlos verschwunden. Es ist immer die selbe Geschichte: die von Westen kommenden Fahrzeuge geraten beim Kreuzen des Nachts zu nahe an die Küste und werden durch die hier häufigen Windstillen festgehalten. In diesem Fall kann nur eine zur rechten Zeit einsetzende brise helfen, wenn nicht zufällig ein spanisches oder englisches Kanonenboot in der Nähe kreuzt. Sobald ein hilfloses Fahrzeug von den lauernden Rifkabylen*) entdeckt wird, werden auf den höheren Punkten der Küste Rauchsignale entzündet, um die Bande zusammenzurufen, und alsbald hat das Schiff einen Angriff der in ihren Booten schnell herbeirudernden, bis an die Zähne bewaffneten Rifpiraten zu erwarten.

Dass die Räuber nicht immer leichtes Spiel haben, zeigt folgender Vorfall. Ende der siebziger Jahre ging die marseiller Brigg Jeanette mit 42 italienischen Arbeitern nach dem Senegal. Es waren wetterharte Gesellen, meist Calabresen, jeder einzelne bewaffnet mit Revolver, Messer und ihrem Werkzeug, dem mit langem Stiel versehenen flachen Beil. Außerdem befand sich ein gutes kleines Geschütz an Bord. Widrige Winde hatten den Kapitän zum Kreuzen gezwungen, und eines Morgens befand man sich unter der felsigen Küste südlich von Mocador. Gegen 10 Uhr waren die ersten Piratenboote am Schiff. Sie wurden von einem Hagel von Revolverkugeln empfangen, auch das Geschütz blieb nicht untätig. Zweien der Boote wurde der Boden zerschossen, und das Kaffeebraune Gesindel suchte durch Schwimmen aus der gefährlichen Nähe der Brigg zu entkommen. Sehr praktisch bewiesen sich die langen Beile bei einem unternommenen Enterversuch. Der ganze Kampf hatte keine zehn Minuten gedauert, dann hasteten die Boote, von den Schüssen des kleinen Geschützes verfolgt, dem rettenden Lande zu. Kurz darauf entführte ein aufkommender günstiger Nordost die glücklichen Sieger.

*) Die Rifkabylen (mazirisch Irifiyen) sind ein am Rifatlas und an der Tangerküste lebender Berberstamm (Kabylen) in Marokko. Die Sprache ist Tarifit. Quelle: Wikipedia

Piraten, Rauchsignale der Rifpiraten an der Marokkanischen Küste

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Piraten, Überfall eines Kauffahrteischiffes durch Rifpiraten an der marokkanischen Küste

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Angriff der Barbaresken

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