Eine Soirée in einer Londoner Bettlerschenke

Das englische Witzblatt „Punch“ entwirft mit kräftigen Zügen ein Bild von dem Treiben einer gewissen Bettlerklasse in London, die von dem Ertrage ihres Geschäftes ganz komfortable lebt.

— Er sagt: Die Straßenbettler, die in ihrem Berufe so unmutige Gesichter machen, und sich stellen, als wären sie in die Tiefe der Verzweiflung ganz versunken, haben ihre fröhlichen Stunden, in denen sie komfortabel leben, und den armen Fabrikarbeiter geringschätzig betrachten. Sie pflegen zu Vierzigen und Fünfzigen in eigenen Schenken zusammen zu kommen und da die ganze Nacht, bei Roastbeefs, Puddings, Porter und Ale in Saus und Braus zuzubringen. Bisweilen erlustigen sie sich sogar mit dem Tanze — gespielt — um Geld gespielt — wird bei jeglicher Zusammenkunft. Einige Neugierige haben sich in Bettlerlumpen gehüllt, und wollten solch einer Soirée beiwohnen, wurden aber, als nicht zur Gesellschaft gehörig, auf eine höchst unsanfte Weise abgewiesen. Ein ehemaliger Aufwärter einer solchen Schenke, der zufällig in die Dienste des Lord E. trat, enthüllte, die Mysterien dieser Bettlerschenken.


— In dem Augenblicke, als die Bettler die Schenke betreten, legen sie mit ihren zerlumpten Oberkleidern auch ihren Charakter ob und erscheinen wie sie wirklich sind. Da kann man Wunder aller Art sehen. Diejenigen, welche kaum eine Stunde vorher schon mit einem Fuße im Grabe zu stehen schienen, sind wie durch einen Zauberschlag hergestellt und freuen sich auf eine bachantische Weise ihres Lebens. In einem Winkel der Vorhalle sieht man 30 — 40 Krücken, welche den ganzen Tag notwendig waren und den folgenden Tag wieder notwendig sein werden, jetzt aber ganz nutzlos sind. Diejenigen, welche sich ohne Krücken gar nicht und mit denselben nur mühsam bewegen konnten, gehören meist zu den gewandtesten Tänzern; — denn der Tanz ist eines der Hauptvergnügungen dieser „lustigen Bettler.“ In jeder Hand findet man ein Glas, und Toaste werden häufig ausgebracht, besonders an Geburtsfesten der sehr ehrenwerten Mitglieder. Man findet da ein Dutzend Personen, mit Augen, so klar und scharf wie Adleraugen, die den ganzen Tag über stockblind waren. Jene, welche auf der Straße so elend waren, dass man erwarten musste, sie würden noch vor dem Abende im Sorge liegen, jubeln und singen laszive Lieder. Jeder Arzt würde ihnen ein Leben von wenigstens 40 Jahren versprechen.

Dort sitzt Einer in der Ecke, schlägt den Takt mit dem Fuße und jubelt so laut, dass man ihn aus Allen heraushört. Es ist derselbe, der den Tag über wie eine Schnecke auf der Straße herumkroch und jeden Vorübergehenden in jammernden Tönen um eine milde Gabe bat. Da konnte er, wie es schien, ohne die größte Anstrengung kein lautes Wort herausbringen. Gewöhnlich sind die Blinden, Lahmen und Gichtbrüchigen die größten Schreier. Diese Soirées währen weit über Mitternacht hinaus, und wenn es einige der ehrenwerten Mitglieder unbequem finden, nach ihren Wohnungen zu gehen, oder ihnen die Füße in Folge des übermäßigen Genusses der Spirituosen, den Dienst versagen, so erwarten sie gleich in der Schenke den Anbruch des Tages und treten ihr lukratives Geschäft wieder an.

— Die meisten von ihnen würden beim Theater ihr Glück machen: denn sie sind durchweg treffliche Mimiker und haben es in der Verstellungskunst weiter gebracht, als mancher Bühnenjünger noch einer Reihe von Jahren und vielen Studien es bringt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mannigfaltigkeiten