Der Ursprung von Gardelegen.

Beckmann Th. V. Kap. IV. S. 5. 18. 36.

Ueber die Altmark II. 267.


Rüdemann Historicorum Palaeo-Marchicorum Collectiones.

Die Stadt Gardelegen ist anfänglich ein kleiner Flecken gewesen, und hat aus wenigen Häusern bestanden, die zerstreut auf dem Felde gelegen und zwar nicht an der jetzigen Stelle, sondern weiter nördlich dem Dorfe Lüffingen zu in der Gegend, wo ehedem das alte Schloß gelegen war, welches, da die Wenden lange Zeit davor gelegen und es nicht gewinnen konnten, den Namen Isernschnibbe erhalten. Als aber die neue Stadt gebaut war, hat man diese Stelle Olden Gardelef genannt, und ein großes steinernes Kreuz mit einer Inschrift an derselben ausgerichtet, wohin man ehedem alljährlich am Sonntag Eraudi eine feierliche Procession unternahm.

Der Ort, wo jetzt die Stadt liegt, ist aber vor Zeiten ein großer Sumpf und dichtes Gebüsch gewesen, durch welches die Milde und Lausebeck geflossen und haben darin Buschklepper und Räuber ihre Schlupfwinkel gehabt, die dem Lande großen Schaden zufügten. Wie nun die alten Gardeleber kühne Männer waren und sich besonders den Räubern furchtbar machten, weshalb es auch noch in einem alten Liede heißt:


Gardelef du leyst dort an der Heyde.
Du achtest deine Feinde gar klein u.s.w.


so geschah es einst, daß sie einen dieser Räuber gefangen bekamen, und von ihm die Nachricht erhielten, wo jene ihr Raubnest hätten, zugleich erfuhren, daß es ein bequemer und gar guter Ort wäre, eine Stadt dahin zu bauen. Da hat man sich denn aufgemacht, den Ort untersucht und alles angezeigter Maaßen befunden, und den Entschluß gefaßt, dort eine neue Stadt anzulegen. An der Stelle des jetzigen Marktes hat man dann den Ausang gemacht und von da herunter nach dem alten Gardelef zuerst die Stendalische Straße gebaut. Darauf hat man vom Markte an die Straße, die nach S. Nicolas Kirche führt, dann die lange Magdeburgische Straße und die Burgstraße, auch die Rittergasse gebaut, welche so tief gelegen, daß man, um nicht im Kothe stecken zu bleiben, große Steine dahin geworfen, auf denen man vom einen zum andern hat springen müssen. Die Sandstraße ist zuletzt gebaut worden und hat ihren Namen daher bekommen, daß man den auch hier gar sumpfigen Grund mit Sand erhöhte. Natürlich ist dies erst im Laufe mehrerer Iahre geschehen und die Stadt erst allmählig zu einer solchen geworden.

Andere erzählen noch, vor dem Soltischen Thore an der oben angegebenen Stelle habe sich jener Räuber aufgehalten und dort seine Höhle gehabt. Da thaten sich die Dörfer Sassendorf und Neseritz mit Gardelegen zusammen und entdeckten endlich seinen Aufenthalt mittelst der dahingehenden Pferdespuren; dort belagerten sie ihn so eng, daß er sich endlich entschloß, sich ihnen zu ergeben, wobei er jedoch die Bedingung machte, daß man ihn nicht auf eine schmähliche Weise zu Tode bringen möchte, wohingegen er fortan einen besseren Lebenswandel zu führen versprach. Das ist ihm denn auch bewilligt worden, doch hat er zu Ehren des H. Georg eine Kapelle vor dem Salzwedeler Thore bauen müssen, die noch steht. An diesem Orte ist daher noch in späterer Zeit das Volk alljährlich einmal zusammen gekommen, und man hat zum Andenken der Befreiung von gedachtem Räuber eine Beisteuer für die Armen gesammelt, woraus endlich das Hospital zu S.Georg entstanden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Märkische Sagen und Märchen