Thrin Wulfen.



... So ist sie in der Nachbarschaft viel herumgestrichen und herumgeflogen auf Schelmstuecke und Diebsschliche, und es ist ihr lange genug gluecklich gegangen. Der Pastor zum Zudar, der Herr Manthey hiess, hat die meiste Not mit ihr gehabt, und auch wohl deswegen, weil er dem Boesen selbst den Krueckstock reichte, womit er ihn ueberholen konnte, da er mehr ins Buch der vier Koenige guckte als in Bibel und Evangelienbuch. Einmal ist Thrin Wulfen zu seiner Frau gekommen und hat ihr eine Stiege Eier gebracht, und sie und die Frau Pastorin haben einander viel erzaehlt und sind sehr herzig und heimlich miteinander geworden, so dass die Frau Pastorin endlich die Thrin, als sie Ade gesagt, umhalst hat. Da ist ihr aber geschehen, dass sie vor Schrecken ohnmaechtig worden und wie tot hingefallen ist. Denn was hat sie gesehen? Vor ihren sehenden Augen und unter ihren greifenden Haenden ist die Thrin ploetzlich eine rote Fuechsin geworden und hat ihr mit den Vordertatzen die Wangen gestreichelt und mit der Schnauze das Gesicht geleckt und dabei recht fuerchterlich greinig und freundlich ausgesehen. Das hat die Pastorin spaeter vielen Leuten erzaehlt; wie es aber weiter geworden, hat sie nicht gewusst; denn als sie wieder zur Besinnung gekommen, war die Thrin weg und auch keine Spur von ihr und der roten Fuechsin mehr da als der Geruch der fuechsischen Kuesse in ihrem Gesichte und ein paar leichte rote Streifen, womit sie sie bei der umhalsenden Liebkosung gekratzt hatte. Zuerst hat die Frau Manthey die Geschichte aus Furcht verschwiegen und erst nach Verlauf von Jahren erzaehlt. Auch Pastor Manthey ist inne geworden, dass er gegen die losen und leichten Kuenste der Thrin sich nicht mit der gehoerigen geistlichen Ruestung gewaffnet hatte, und dass sie an ihn durfte; er hat bemerkt, dass ihm ein Dieb an seine Schinken und Wuerste kam, und das ist auch die Thrin gewesen. Denn wie manche Nacht ist sie als Katze in Wiemen und Keller und Speisekammern geschlichen und hat sich eine Wurst, eine Spickgans oder ein Stueck Schinken nach Hause getragen! Endlich war es ruchbar geworden, dass man oft eine unbekannte graue Katze durchs Dorf laufen gesehen und dass auch andern Leuten auf eine aehnliche, unbegreifliche Weise manches abhanden gekommen war. Da lauerte der Pastor des Abends und in der Fruehe oft genug auf mit einem geladnen Gewehr; aber nimmer hat er den schleichenden Dieb erwischen koennen. Endlich aber ist ihm die Katze mal in dem Garten in den Wurf gekommen, als er Sperlinge schiessen wollte, und er hat ihr unverzagt aufs Leder gebrannt und sie mit humpelndem Fuss ueber den Zaun springen und jaemmerlich miauen gehoert. Der Schaefer aber, der hinter dem Garten eben mit den Schafen vorbeitrieb, als der Mantheysche Schuss fiel, hat erzaehlt, es sei neben ihm ein altes Weib ueber den Weg hingehinkt, die habe jaemmerlich gewinselt und geheult, und sie habe ihm geklagt, des Kruegers grosser Hund habe ihr den Fuss blutig gebissen. So sei sie ueber die Zudarsche und Schoritzer Heide fortgehumpelt, und man habe ihr Gewinsel noch lange aus der Ferne hoeren koennen. Und das war wirklich die Thrin aus Guenz gewesen; der Pastor hatte ihr das linke Bein durchschossen.


Dieser geistliche Schuss gab einen grossen Glueckswandel. Thrin lag wohl ein Vierteljahr elend im Bette; dann sah man sie wieder, aber sie humpelte mit einem lahmen Beine und erzaehlte den Leuten, sie sei beim Aepfelschuetteln vom Baum gefallen und habe sich dabei das Bein verrenkt. Nun ging es ihr aber schlimm. Weil sie nicht mehr so flink auf den Fuessen war als sonst, so konnte sie, wann die Begier zu hexen mit ploetzlicher Luesternheit in ihr aufstieg, nicht mehr geschwind zu andern oder zu Fremden kommen, sondern musste ihr Eigenes behexen. Da ward denn fast taeglich irgend etwas verdreht, gelaehmt oder umgebracht. Bei Tauben, Huehnern und Gaensen fing es an, und mit dem grossen Vieh hoerte es auf. Und wieviel der alte Jochen Wulf sie auch pruegelte, das half alles nichts; die Hexenlust ist ein unausloeschlicher und unbezwinglicher Trieb. Als also alles Federvieh verdorben oder erwuergt war, da ist die Kunst ueber die Ferkel und Laemmer hergefahren, darauf an die Kaelber und Schafe, endlich an die Kuehe und Pferde. Der Bauer hat nun immer wieder neues Vieh kaufen muessen, und in solcher Weise ist in ein paar Jahren der Reichtum vergangen und das ungerechte Teufelsgut zerronnen. Ja, ihr eignes, einziges Kind hat sie zum Krueppel hexen muessen; und der alte Wulf ist aus Angst, dass ihm zuletzt aehnliches widerfahren moege, in die weite Welt gegangen und ist auf immer ein verschollener Name geblieben. Einige erzaehlen aber, die Thrin habe ihn verwandelt und habe wegen seiner Suende die Macht dazu gehabt, weil der alte Schelm um ihre Hexerei gewusst und die Fruechte davon gehehlt und mitgenossen habe; und so muesse er nun als ein greulicher Werwolf rundlaufen und die alten Weiber und Kinder erschrecken. Die Thrin aber sei nach der Flucht des Wulf als eine arme Bettlerin aus der Wehr geworfen und habe zuletzt in Puddemin gewohnt, sei aber zuzeiten immer noch hin und wieder als eine lahme Katze oder Fuechsin umgegangen oder habe als eine lahme Elster auf Baeumen und Daechern herumgehuepft; endlich aber sei sie vor das Gewehr eines Freischuetzen geraten, wodurch die Katzengestalt fuer immer festgemacht worden. So haben viele Leute sie oefter als eine wilde, graue Katze an dem Guenzer Teiche sitzen gesehen, auch als kein Haus mehr dastand; auch haben andere es dort um die Mitternacht haeufig miauen und prusten und pfuchsen gehoert, dass ihnen vor Grauen die Haare zu Berge standen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Märchen und Sagen