Die Unterirdischen in den Neun Bergen bei Rambin.

In den Neun Bergen bei Rambin wohnen nun die Zwerge und die kleinen Unterirdischen und tanzen des Nachts in den Bueschen und Feldern herum und fuehren ihre Reigen und ihre Musiken auf im mitternaechtlichen Mondschein, besonders in der schoenen und lustigen Sommerzeit und im Lenze, wo alles in Bluete steht; denn nichts lieben die kleinen Menschen mehr als die Blumen und die Blumenzeit. Sie haben auch viele schoene Knaben und Maedchen bei sich; diese aber lassen sie nicht heraus, sondern behalten sie unter der Erde in den Bergen, denn sie haben die meisten gestohlen oder durch einen gluecklichen Zufall erwischt und fuerchten, dass sie ihnen wieder weglaufen moechten. Denn vormals haben sich viele Kinder des Abends und des Morgens locken lassen von der suessen Musik und dem Gesange, der durch die Buesche klingt, und sind hingelaufen und haben zugehorcht; denn sie meinten, es seien kleine singende Waldvoegelein, die mit solcher Lustigkeit musizierten und Gott lobeten--und dabei sind sie gefangen worden von den Zwergen, die sie mit in den Berg hinabgenommen, dass sie ihnen dort als Diener und Dienerinnen aufwarteten. Seitdem die Menschen nun Wissens dass es da so hergeht und nicht recht geheuer ist, hueten sie sich mehr, und geht keiner dahin. Doch verschwindet von Zeit zu Zeit noch manches unschuldige Kind, und die Leute sagen dann wohl, es hab's einer der Zwerge mitgenommen; und oft ist es auch wohl durch die Kuenste der kleinen braunen Maenner eingefangen und muss da unten sitzen und dienen und kann nicht wiederkommen. Das ist aber ein uraltes Gesetz, das bei den Unterirdischen gilt, dass sie je alle fuenfzig Jahre wieder an das Licht lassen muessen, was sie eingefangen haben. Und das ist gut fuer die, welche so gefangen sitzen und da unten den kleinen Leuten dienen muessen, dass ihnen diese Jahre nicht gerechnet werden, und dass keiner da aelter werden kann als zwanzig Jahre, und wenn er volle fuenfzig Jahre in den Bergen gesessen haette. Und es kommen auf die Weise alle, die wieder herauskommen, jung und schoen heraus. Auch haben die meisten Menschen, die bei ihnen gewesen sind, nachher auf der Erde viel Glueck gehabt: entweder, dass sie da unten so klug und witzig und anschlaegisch werden, oder dass die kleinen Leute, wie einige erzaehlen, ihnen unsichtbar bei der Arbeit helfen und Gold und Silber zutragen.

Die Unterirdischen, welche in den Neun Bergen wohnen, gehoeren zu den braunen, und die sind nicht schlimm. Es gibt aber auch schwarze, das sind Tausendkuenstler und Kunstschmiede, geschickt und fertig in allerlei Werk, aber auch arge Zauberer und Hexenmeister, voll Schalkheit und Trug, und ist ihnen nicht zu trauen. Sie sind auch Wilddiebe, denn sie essen gern Braten. Sie duerfen aber das Wild mit keinem Gewehr faellen, sondern sie stricken eigene Netze, die kein Mensch sehen kann; darin fangen sie es. Darum sind sie auch Feinde der Jaeger und haben schon manchem Jaeger sein Gewehr behext, dass er nicht treffen kann. Das glauben aber bis diesen Tag viele Leute, dass nichts eine groessere Gewalt ueber diese Schwarzen hat als Eisen, worueber gebetet worden, oder was in Christenhaenden gewesen ist. Solche Schwarzen wohnen hier aber gar nicht.


In zwei Bergen wohnen von den weissen, und das sind die freundlichsten, zartesten und schoensten aller Unterirdischen, fein und anmutig von Gliedern und Gebaerden und ebenso fein und liebenswuerdig drinnen im Gemuete. Diese Weissen sind ganz unschuldig und rein und necken niemand, auch nicht einmal im Scherze, sondern ihr Leben ist licht und zart, wie das Leben der Blumen und Sterne, mit welchen sie auch am meisten Umgang halten. Diese niedlichen Kleinen sitzen den Winter, wann es auf der Erde rauh und wuest und kalt ist, ganz still in ihren Bergen und tun da nichts anders, als dass sie die feinste Arbeit wirken aus Silber und Gold, dass die Augen der meisten Sterblichen zu grob sind, sie zu sehen; die sie aber sehen koennen, sind besonders feine und zarte Geister. So leben sie den trueben Winter durch, wann es da draussen unhold ist, in ihren verborgenen Klausen. Sobald es aber Fruehling geworden und den ganzen Sommer hindurch, leben sie hier oben im Sonnenschein und Sternenschein sehr froehlich und tun dann nichts als sich freuen und andern Freude machen. Sobald es auch im ersten Lenze zu sprossen und zu keimen beginnt an Baeumen und Blumen, sind sie husch aus ihren Bergen heraus und schluepfen in die Reiser und Stengel und von diesen in die Blueten und Blumenknospen, worin sie gar anmutig sitzen und lauschen. Des Nachts aber, wann die Menschen schlafen, spazieren sie heraus und schlingen ihre froehlichen Reihentaenze im Gruenen um Huegel und Baeche und Quellen und machen die allerlieblichste und zarteste Musik, welche reisende Leute so oft hoeren und sich verwundern, weil sie die Spieler nicht sehen koennen. Diese kleinen Weissen duerfen auch bei Tage immer heraus, wann sie wollen, aber nicht in Gesellschaft, sondern einzeln, und sie muessen sich dann verwandeln. So fliegen viele von ihnen umher als bunte Voegelein oder Schmetterlinge oder als schneeweisse Taeubchen und bringen den kleinen Kindern oft Schoenes und den Erwachsenen zarte Gedanken und himmlische Traeume, von welchen sie nicht wissen, wie sie ihnen kommen. Das ist bekannt, dass sie sich haeufig in Traeume verwandeln, wenn sie in geheimer Botschaft reisen. So haben sie manchen Betruebten getroestet und manchen Treuliebenden erquickt. Wer ihre Liebe gewonnen hat, der ist im Leben besonders gluecklich, und wenn sie nicht so reich machen an Schaetzen und Guetern als die andern Unterirdischen, so machen sie reich an Liedern und Traeumen und froehlichen Gesichten und Phantasien. Und das sind wohl die besten Schaetze, die ein Mensch gewinnen kann.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Märchen und Sagen