MÜHLHAUSEN. Pr. Sachsen Kreisstadt.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
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MÜHLHAUSEN. Pr. Sachsen Kreisstadt.

Von den 11 K., die Mühlhausen im Ma. besaß, sind jetzt 5 im kirchlichen Gebrauch.

S. Blasien. Pfarr-K. der Altstadt. 1227 in Besitz des deutschen Ordens gelangt. Ältere Baugeschichte unbekannt. Der vorauszusetzenden rom. Basilika könnte der WBau bis zu dem in Höhe von 14,5 m liegenden Rundbogenfries entstammen. Von dieser Linie ab entwickeln sich zwei Türme. Von reicher und stattlicher Erscheinung, beide 8seitig, unter sich in Umriß und Abmessungen gleich, in der Unterteilung und den Einzelheiten verschieden. Der nordwestl. ähnelt in Komposition und Einzelheiten durchaus dem südwestl. der Liebfrauen-K. in [pg 282] Arnstadt; offenbar dieselbe Werkstatt. Er hat 3 Geschosse von je 4,5 m Höhe, sein Partner nur 2 von je 6,7 m Höhe. Am nördl. Turm springen die Geschosse um ein weniges zurück. am südl. Turm stehen sie lotrecht übereinander. Beiden gemeinsam ist die Verstärkung der Ecken durch Bündel von je 3 Runddiensten, die sich mit den kräftigen Gesimsen verkröpfen und in jedem Geschoß auf halber Höhe mittels Ringsteinen in die Wand eingebunden sind. Während die Außenarchitektur des WTurms sich in sprom., und zwar sehr reichen Formen hält, die zu einem Baubeginn bald nach 1227 passen, ist die aus der Vorhalle zur Turmtreppe führende Tür frgot. im Charakter von Maulbronn und Walkenried. Am STurm (vollendet ca. 1260) nimmt auch die Außenarchitektur frgot. Schmuckformen auf (mit speziellen Anklängen an Laon), wie auch die lotrechten Linien gegenüber den wagrechten stärker betont sind, worauf schon die veränderte Stockwerkteilung hinzielte. Im sp. 14. Jh. wurde der Fassadenzwischenbau erneuert, unten ein tiefes Portal, der Oberbau dürftig, mit quergestelltem Satteldach geschlossen. Ferner erhielten die Ecken starke kreuzförmige Strebepfll. und noch später in der Mitte eine formlose Strebemauer. — Um 1260 die Erneuerung der K. mit dem Chor und Qsch. begonnen. Übergangsformen mit Anklängen an Walkenried. Die ursp. Absicht eines basilikalen Aufbaus bald verlassen. — Das Lhs. ist Hallenkirche von 5 Jochen, im Msch. doppelt so breit wie die Ssch. Pfll. rund mit 4 alten und 4 jungen Diensten; die Deckplatten rund, unter ihnen als Kapt. ein ringsumlaufender Blätterkranz; die Scheidbgg, stark gestelzt. Die hohen weiten Fenster 3teilig, Maßwerk aus Vier— und Dreipässen. — Am Äußern haben besonders die Stirnseiten des Qsch. reiche Ausbildung empfangen; im S ein in 4 Rücksprüngen gegliedertes, ornamentarmes Portal, von einem oben abgestutzten Giebel überstiegen; darüber Rosenfenster, dessen Maßwerk aus einfachen Kreisen. An den Ecken diagonal gestellte Strebepfll. mit Fialenkrönung. Die Mauer sonst ungegliedert, nur der Giebel mit Stabwerk besetzt; an den Schenkeln abgeschwungene Kantblumen. An der nördl. Front fortgeschrittenere Formen; der Wimperg des Portals im Lichten ausgearbeitet, die Rose bedeutend größer und aus 14 radianten Blättern gebildet; vor dem Giebeldreieck freistehendes Pfostenwerk. Weiter stehen kleinere Giebel über jedem Joch des Lhs. (quergestellten Sschiffsdächern entsprechend) und umziehen sogar den Chor, abwechselnd mit den Fialen der Strebepfll., woraus eine doch wieder etwas monotone Lebhaftigkeit entsteht. Beeinträchtigt werden die Proportionen durch die mehr als 1 m hohe Aufschüttung [pg 283] des ehemals als Begräbnisplatz benutzten Geländes. — Großer Schnitzaltar E. 15. Jh. — Steinerner Levitensitz A. 14. Jh. — Steinerne Kanzel E. 15. Jh. — Taufstein 1596. — Epitaph des Hermann von Heylingen † 1422, der Gekreuzigte mit Maria und Johannes, am Fuß der betende Stifter. — An Stelle des ehemaligen Lettners eisernes Gitter von 1707. — Unter den Altargeräten der Sakristei mehreres bmkw.

S. Marien. Pfarr-K. der Neustadt. Reste einer vor 1200 begonnenen Basilika im 2türmigen WBau. Nur der nördl. Turm unverstümmelt, im Typus von S. Blasien. Spgot. Zwischenbau mit bar. Oberbau, so daß die Fassade (vor Zerstörung des südl. Turmes) schließlich dreitürmig war. — Im übrigen ist die K. völlig Neubau des 14. Jh. Genauere Baudaten fehlen. Der einheitliche Charakter des Innern läßt auf eine nicht zu lange Bauzeit schließen. Der Chor 1328 vollendet. — Hallenkirche mit einer für dieses System ungewöhnlich reichen Grundrißgliederung. Das Lhs. ist bei 5 Schiffen und 5 Jochen etwas breiter als lang (26,3 : 28,4; der Breitenüberschuß fällt auf das Msch.). Es folgt ein Qsch., das über die Fluchtlinie der Ssch. nicht vorspringt, also nur durch seine größere Breite von den übrigen Jochen sich unterscheidet. Im O setzen sich die inneren Ssch. als Nebenchöre (1 quadratisches Joch und Schluß aus 8 Eck), das Msch. als Hauptchor (3 rck. Joche und 8 Eck-Schluß) fort. Die tief ausgekehlten Pfll. von individueller Bildung. Statt der Schlußsteine dienen mehrfach tief herabhängende, mit Blättern besetzte Stengel. — Dem Äußeren mangelt, wie allen Hallenkirchen, die klare Bewegung der Massen; dafür ist Ersatz in besonders reichem Schmuck gesucht. Über jeder Fensterachse ein in Maßwerk aufgelöster Giebel; das Motiv trat zuerst an der Liebfrauen-K. in Arnstadt auf; dort mit Beschränkung auf den Hauptchor; hier in der regelmäßigen Wiederholung wird es monoton, vollends durch die Fortsetzung am Lhs. (im einzelnen einfacher, als Staffelgiebel ohne Maßwerk). Dieselbe, aus der Profanarchitektur entlehnte Form des Staffelgiebels an den Qsch. Fronten. Das Portal des südl. Qsch. fungiert als Hauptportal; darüber, zwischen die Eckstreben eingespannt, ein Altan.

Ausstattung. Hauptaltar mit spgot. Flügelschrein, in der Mitte Marienkrönung, auf den Flügeln je 6 Heilige in 2 Ordnungen, gemalte Außenflügel, Predella jünger. Dahinter S. Nikolausaltar (versetzt). Im nördl. Ssch. 2 gemalte Triptycha. Steinerner Levitensitz M. 14. Jh. Ratsstuhl 1604. In den Chorfenstern beschädigte Glasgemälde [pg 284] aus 14. Jh. Skulpturen: Der Schmuck des Hauptportals in den Münzerischen Unruhen zerstört: An der Brüstung des Altans 4 Statuen, sich herabbeugend, nach der örtlichen Überlieferung der Kaiser und die Kaiserin mit Gefolge, die alljährlich in effigie die Huldigung des Rats entgegengenommen hätten. Zwischen den Fensterbgg. in 4 gesonderten Figuren die Anbetung der h. drei Könige. An der Spitze des Giebels Jüngstes Gericht in verkürzter Darstellung. — Am Teilungspfosten des nördl. SPortals eine Heilige mit Kirchenmodell.

S. Jacobi. Ehemals got. Hallenkirche. Nach Brand 1592 ohne Gwbb. wiederhergestellt. Die jetzigen Holzdecken 1732. Von Interesse jetzt nur das mit ziemlichem Aufwand durchgebildete Äußere. Die WFassade über ungegliedertem Unterbau 2 Türme, der nördl. quadratisch, der südl. 8eckig, gleichzeitig die beschieferten Helme, welche von 4 Erkertürmchen begleitet sind, die ihren Platz ungewöhnlicherweise an den geraden Seiten des 8Ecks haben. Die in der Mitte einer jeden Langseite angeordneten Türen sind mit den Fenstern zusammenkomponiert, letztere mit reichem Maßwerk des 14. Jh.

S. Kiliani. Unbedeutender Bau des 14. Jh.

Allerheiligen. 2. H. 14. Jh. Ursp. einfach rck., sp. nördl. 1 Schiff unter Schleppdach hinzugefügt. Unverhältnismäßig hoher WTurm, unten schlank quadratisch, oben 2 8eckige Geschosse und welsche Haube.

Kloster-K. der Büßerinnen der h. Magdalena ord. S. Augustini. Jetzt Turnhalle.

Barfüßer-K. Ankunft der Franziskaner 1225, Baubeginn 1232. 1sch. Rck. von 54 m L. und 11,5 m Br., mit kurzem wenig eingezogenem Chor; also Typus der reinen Predigtkirche. Flache Decke. Fenster nur an der SSeite, hier auch die 3 Türen. Im südöstl. Winkel zum Chor schlanker 8eck. Turm. Rck. 75 : 10,6 m. Der ältere westl. Teil in schlechtem Bruchsteinmauerwerk und ohne Strebepfll., der östl. Teil besser. Jetzt Packhof.

[Prediger-K. beg. 1289, im 18. Jh. abgetragen; war eine 3sch. 10 Joch lange Hallenkirche.]

Hospital-K. Ganz kunstlos; jetzt Magazin.

S. Petri. E. 14. Jh. Ehemals kleine Hallenkirche, mit eingezogenem Chor, jetzt der Gwbb. beraubt und auch sonst entstellt.

S. Georg. A. 14. Jh. Rck. ohne gesonderten Chor. Sorgfältiger Quaderbau mit gutem Maßwerk an den Fenstern, von denen 3 an der östl. Schlußwand. Die an beiden Langseiten angeordneten Türen mit den Fenstern zusammengezogen, in einfacherer [pg 285] Fassung das Motiv der Jakobi-K. — Angebaut eine 6eckige Kap. in guter Arbeit des sp. 14. Jh.

S. Martini. Voll. 1360. Kleiner flachgedeckter Bau mit jüngerem aus dem 6Eck geschlossenem Chor.

S. Nikolai. Die größte der Vorstadtkirchen, das 3sch. Innere verbaut, jetzt mit Holzdecken. Das Äußere ganz schlicht. Der im südl. Chorwinkel stehende Turm im Unterbau romanisierend frgot.

Rathaus. Planloses Aggregat verschiedenartiger Räumlichkeiten. Die Renss. Teile 1605 mit malerischem Hof.

Stadtbefestigung. Erhebliche Teile erhalten.