MEISSEN. K. Sachsen. Amtshauptstadt.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
Themenbereiche
MEISSEN. K. Sachsen. Amtshauptstadt.

Dom und Schloß. Beide bilden zusammen einen geschlossenen 3eck. Baukomplex in prachtvoller Lage auf einem ringsum freien Felsen über der Elbe. Der Dom ist in seinen OTeilen mit der Umgebung verwachsen, das Lhs. springt frei in den Hof vor, so daß die Fassade dem Ankömmling als erster Haupteindruck entgegentritt. Durch den A. 20. Jh. ausgeführten Zubau zweier Türme (von Carl Schäfer) das historische Bild wesentlich verändert.

Dom. Frgot. Anlage aus M. 13. Jh., langsam fortgebaut unter mehrfachem Wechsel der Bauidee, zuletzt späteste Gotik. 1. Dem ersten Plan gehört der Gr. mit Ausnahme der beiden Chöre; in ihm leben noch rom. Reminiszenzen; das Qsch. aus 3 Quadraten; die WTürme über die Fluchtlinie der Ssch. vorspringend; beides erinnert an Magdeburg. Am Ende des 13. Jh. waren fertig: das Qsch. das erste Joch des Chors mit Sechskappengwb., das erste (östl.) Joch des Lhs., die Türme bis zu 12,3 m H. und wohl noch weitere Teile des Lhs., deren (z. T. schon geformtes) Material im Umbau des 14. Jh. Verwendung fand. Sicher als Basilika begonnen (vgl. außer der Gestaltung des ersten Joches die Spuren der ursp. Dachlinie an der anstoßenden Querschiffswand). Außen am südl. Kreuzflügel schöne frgot. Giebeldekoration. 2. Die 8eckige Johanneskap, (urkundl. 1291, die Inschrift unecht), gelegen im SWWinkel des Qsch.; 2geschossig; das Obergeschoß ursp. freiliegend; in der formalen Durchbildung das beste am ganzen Dom (neben dem Lettner), Fenster aus 15. resp. 19. Jh. — 3. Hallenmäßiger Umbau des Lhs. ca. 1300-1380; der Aufbau des 1. Jochs geschont in der Weise, daß nach Ausbrechung des Oberfensters hinter diesem eine Empore angelegt wurde; Verlängerung des Chors; zum Schluß der SOTurm, sein durchbrochener Helm wohl noch jünger. — 4. Von den um 1400 weitergeführten WTürmen nur das zierliche Reliefmaßwerk unter dem 2. Gurtgesims erhalten; aus derselben Zeit das große (jetzt innere) WPortal in akademisch nüchternem Prunk. — 5. Um 1420-30 wurde vor dieses Portal die Fürstenkapelle gesetzt, in der Gestalt eines Chors von 3 Jochen und 3/8 Schluß; letzte Phase der Hochgotik, die trocken zierliche Behandlung ähnlich der Schloßkap, zu Altenburg. — 6. Seit 1479 das hohe Fenstergeschoß des WBaus, wohl von Arnold v. Westfalen, dem Erbauer der Albrechtsburg; es sollte den (durch den Übergang zum Hallensystem massig vergrößerten) Giebel des Lhs. [pg 266] maskieren; wie der obere Abschluß beabsichtigt war, ist nicht mehr ersichtlich; in der 1. H. des 16. Jh. trug er 3 (wohl hölzerne) Helme, die 1547 abbrannten. Durch den 1904 begonnenen Ausbau steinerner Doppeltürme wird der überlieferte Charakter der Fassade wie das ganze Baubild des Domberges völlig verändert. — 7. Sakristei ca. 1500-1506. — 8. Begräbniskap. Georg des Bärtigen 1534.

Inneres. — Lettner frgot. 2. H. 13. Jh. Das Laubornament, an die Naumburger Schule anschließend, ersten Ranges; aus derselben Zeit die steinerne Rückwand der Chorherrensitze; die Balustrade und die seitliche Erweiterung des Lettners nach 1350; die einst ca. 50 Altäre des Doms großenteils verschwunden; einer in der Dorf-K. zu Boritz. — Hochaltar. Gemaltes Triptychon mit Anbetung der Könige, ca. 1520. Der Meister des singulären, sehr hervorragenden Werkes steht der niederländischen Kunst nahe (jedenfalls nicht A. Dürer!). — Lettneraltar, unter Einfluß Cranachs; eher von diesem selbst das Triptychon mit dem Schmerzensmann in der S. Georgskap, bez. 1534. — Im Stirnfenster des Chorhaupts Glasgemälde aus 13. Jh. — Sakramentshäuschen mit Tabernakel ca. 1506. — Chorstühle unter steinernen Baldachinen E. 13. Jh. — An der OWand des Qsch. Spuren von Wandgemälden des 14. Jh., Jüngstes Gericht. — Kanzel 2. H. 16. Jh. — Statuen aus 2. H. 13. Jh.: a) an der Wand des Chors ein Fürstenpaar, traditionell Kaiser Otto I. und Kaiserin Adelheid, wohl als Anfang einer Stifterreihe gedacht, nach dem Muster Naumburgs, wohin auch der Stil weist; gegenüber Johannes und Donatus; b) aus derselben Werkstatt die 3 Statuen der Johanneskap., tüchtige und anziehende Arbeiten. — Aus A. 15. Jh. der massenhafte Schmuck des WPortals in einer fleißigen kleinlichen Manier; besser das südl. Seitenportal. — Die Gräber der Fürstenkap. In der Mitte Tumba des Stifters, Friedrichs des Streitbaren † 1428, ausgeführt ca. 1430-40; der Tote vollplastisch auf einem Brokatteppich, das Kurschwert in der Hand, an den Langseiten 24 kleine gravierte Figuren, Klagemänner und Wappenhalter; Werkstatt nicht nachzuweisen. Ringsum die ehernen Grabplatten von 9 weiteren Mitgliedern des sächsischen Hauses. Diese sämtlich aus der Vischerschen Werkstatt in Nürnberg. Sigismund von Sachsen, Bischof von Würzburg † 1472, Flachrelief; 1472 lebte noch Hermann V. und war Peter V. noch nicht zwanzig Jahre alt; bei der großen Ähnlichkeit mit der 1496 verfertigten Platte des B. Job. Rot in Breslau wird die Entstehung später anzusetzen sein. Dagegen könnte das Denkmal [pg 267] Kurfürst Friedrich des Guten † 1464, gravierte Platte (gleich allen folgenden), und die in der Kirche befindliche Platte des B. Kaspar v. Schönberg † 1463 von Hermann V. herrühren. Von Peter Kurfürst Ernst † 1486 und die in der Kirche befindliche Gedenktafel für den Domherrn Heinrich Strecker † 1486. Seinem Sohne Hermann d. J. werden von Buchner zugeschrieben: Albrecht der Beherzte † 1500, Amalie von Bayern † 1502, Sidonie † 1510, Friedrich † 1510; sie gehören zum Besten, was auf diesem Gebiete in Deutschland je geleistet worden. Erheblich geringer Friedrich II. und Johann, ausgeführt um 1540 (von derselben Hand Barbara in in der Georgenkap.). — Grabplatten im Langhause: Bischof Dietrich III. von Schönberg † 1472, im Charakter der Vischerschen Werkstatt; Sandsteinplatte des Bischofs Johann V. von Weißenbach † 1487; Hochreliefplatte (Epitaph) für denselben, Bronzeguß aus einer sächsisch-thüringischen Werkstatt, aus der im Naumburger Dom die Platten für Dietrich von Schönberg und Andreas von Könritz. — Georgenkapelle: Triptychon von L. Cranach. Marmorrelief der Grablegung, ausgezeichnete Arbeit um 1530. Bronzereliefplatte Herzog Georgs † 1539, gravierte Platte der Herzogin Barbara † 1534.

Kreuzgang. Sehr klein, im Winkel zwischen dem Chor und südl. Quersch. Der älteste Teil der nördl. Flügel und Maria-Magdalena-Kap. vor 1274; die übrigen Flügel 1491.

Schloß. Der Hauptbau (seit 1676 »Albrechtsburg« genannt) erbaut 1471 bis ca. 1485 von Arnold von Westfalen (Westveling). Epochemachend in der Geschichte der deutschen Burgarchitektur, die hier im Begriff ist, in den Palast überzugehen. Innere Raumeinteilung nach einheitlichem Plan, in jedem Stockwerk (Keller und 3 Wohngeschosse) alle Räume in gleicher Höhenlage. Bezeichnend für den Meister ist die Enthaltsamkeit im Ornament. Die kunstvoll figurierten Gwbb. haben nur im 1. Geschoß Rippen, in den folgenden scharfgratige tiefbuchtige Zellen. Die sehr großen Fenster verzichten auf Maßwerk, als oberer Abschluß ist der seither in der sächsischen Schule sehr verbreitete Vorhangbogen eingeführt. Andere für die Folgezeit wichtige Motive: die Dacherker des letzten Geschosses und die große in einem Turmgehäuse aus der Fassade vorspringende Wendeltreppe. Höchst originell die Konstruktion: die Widerlager nach innen gezogen, so daß sich tiefe, wie Erker erscheinende Nischen bilden; die Mauerstärken von unten nach oben zunehmend, offenbar um den Schub der Gewölbe durch senkrechte Belastung aufzuheben (ein [pg 268] Gedanke, der im Obergeschoß der Domfassade wiederkehrt). Die Fassade entbehrt der senkrechten Teilungslinien, dafür betonen Gurtgesimse die Bedeutung der Stockwerkgliederung. Also in vielen und wichtigen Punkten Abkehr von der eigentlich got. Weise. Der Ornamentlosigkeit hält die Wage eine mit Bewußtsein geübte (im älteren Schloßbau bloß zufällig zustande kommende) malerische Kontrastierung der Massen. — Die an einigen Bauteilen, Wappensaal des NAusbaues und Ausschmückung des großen Wendelsteins, sich zeigende Einmischung von Renaissanceformen geht auf Jakob von Schweinfurt ca. 1525-30.

S. Afra, gegr. um 1030 als Pfarr-K., seit 1205 Chorherrenstift, durchgreifender Umbau seit 1295. Flachgedeckte Basilika in schlichtesten got. Formen, der 1sch. gerade schließende Chor in gleicher L. mit dem Msch. des Lhs. Die Sakristei Überrest eines rom. Baus (etwa E. 12. Jh.). Um 1390-1400 das südl. Ssch. und der Chor erhöht. Konventsgebäude nach 1600. — Hölzerne Kanzel 1657. Grabsteine des 16. und 17. Jh. in der v. Schleinitzschen Grabkapelle.

Franziskaner-K. (jetzt Stadtmuseum). Erster Bau 1266-72, zweiter (jetziger) 1447-57. Erhalten das Lhs., eine hohe kreuzgewölbte 3sch. Hallenkirche, Msch. doppelt so breit wie die Ssch., abgekantet quadratische Pfll. Der Kreuzgang greift in das südl. Ssch. ein.

Frauen-K. Umbau nach Brand 1447, von O nach W fortschreitend. Hallenkirche mit 1sch. Chor aus 1 Quadrat und 5/8 Schluß; Netzgwb.; in die Ecke zum südl. Ssch. eine Kap. eingebaut, deren Obergeschoß eine Sängertribüne trägt. Das Lhs. mit breiterem Msch. durch Emporen verstellt. Mächtiger WTurm, letztes Geschoß Oktogon mit rundbg. Blendarkaden, ehemals hohes Spitzdach. Msch. und Chor unter gemeinschaftlichem Dach, an den Ssch. quergestellte Dächer über jedem Joch. — Kirchhofstor gut renss. — In der Sakristei Tafelbild 1496.

Johannes-K. und Jakobs-Kap. unbedeutend und jetzt profaniert.

Martins-K., kleiner rom. Bau im Typus der Dorf-K. Das 1sch. flachgedeckte Gemeindehaus, der desgl. Chor und die 1/2kr. Apsis folgen sich in staffelförmiger Einziehung. Einfache Tür an der SSeite in Formen aus A. 13. Jh. Aufgedeckte Wandgemälde aus 13. Jh. (Totentanz?!) 1900 wieder überstrichen.

Nikolai-K. War eine rom. Anlage ähnlich der Martins-K., in got. Zeit umgebaut. Sehr beschädigte Wandgemälde 13. Jh. Interessantes gemaltes Triptychon.

S. Wolfgang, Begräbniskap. im Meisetal, in der Art Arnolds [pg 269] von Westfalen, origineller Gr. mit 2 aus dem 8 Eck gebildeten Apsiden am rck. Schiff.

Rathaus stattlich spgot. seit 1479.

Kornhaus 1520-24 von Meister Jakob von Schweinfurt. — Haus gegenüber dem SEingang des Doms 1526; wohl von demselben; letztes Kämpfen der Got. gegen die Renss. — Auch in der Stadt einige alte Häuser zu beachten, z. B. das Hirschhaus mit gutem Renss.Portal.