Vorwort

„Ich bitte, man wolle von meinem Namen schweigen und sich nicht lutherisch, sondern christlich nennen. Was ist Luther? Ist doch die Lehre nicht mein; so bin ich auch für niemand gekreuzigt. Paulus wollte es nicht leiden, dass sich die Christen paulisch oder petrisch nannten, wie käme ich arger stinkender Madensack denn dazu, dass man die Kinder Christi nach meinem heillosen Namen nennen sollte? . . . Ich bin und will keines Menschen Meister sein. Allein Christus ist unser Meister.“

So dachte er, und musste doch alles allein vollbringen. Ja, allein. Sie wollten und erharrten es ja alle, aber es konnte keiner helfen als er. Denn in ihm war, was das allerwichtigste Geheimnis der Größe ist, weit über den Geist: die Kraft, die mächtige Natur. Ein anderer, ein noch so umfassender und tiefer, noch so feiner, erkennender Geist wäre im Beginn schon gescheitert und verloren gewesen, ohne die seelische Kraft des Müssens und des Beharrens, die in diesem bleichen Mönche gewaltig war. Das antike Bild des Altlas, der den ungeheuersten Druck ohne Zusammenbrechen erträgt, das ist das Gleichnis der Männer der aller ersten geschichtlichen Größe. Aber es ist es nur zu einem Teil und reicht nicht zu. Denn es schließt nur das Aushalten der riesenhaften, unabsehbar weiterwährenden Spannung in sich, nicht den Zwang zum aktiven Vollbringen, der dahin führt, solches auf sich zu nehmen und noch darunter handelnd weiterzuwirken.


Beiderlei Kraft aber, die des kategorischen Müssens und die des Durchhaltens, führte Luther, wie auch Bismarck, auf die Ehre, die er Gott ließ, zurück. Denn der ganz Große ist auch demütig und bescheiden, weil er ganz allein nur fachlich ist. Er verspürt wohl und fühlt das zornige Toben der persönlichen Gewalt in ihm; er könnte gar nicht anders, als inne werden: dass er erkennender, fähiger als andere, dass er aus einer ganz persönlichen Bestimmung zur Tat und Befreiung berufen ist. Aber so stellt er auch gleich die Frage, warum er, gerade er? Und er beruhigt sich darin, sich als das Werkzeug zu erkennen. Auch dies aber ist notwendig, und alles schließt sich zum Kreise: denn indem er dem höheren, Außenseienden die Ehre gibt, wird die Macht in ihm nun erst gestählt und ganz unerschütterlich. Er braucht das zum Letzten gesteigerte Selbstvertrauen nicht mehr in seiner anfechtbaren Menschlichkeit zu suchen und auf seinen Wert zu wägen, da er es aus den reinsten und zuverlässigsten Quellen der Kraft, aus alles lenkender ewiger Weisheit begreift.

„Ich habe die Standhaftigkeit, die ich zehn Jahre lang an den Tag gelegt habe gegen alle möglichen Absurditäten, nur aus meinem entschlossenen Glauben . . . Wenn ich nicht ein stramm gläubiger Christ wäre, wenn ich die wundervolle Basis der Religion nicht hätte, so würden Sie einen solchen Bundeskanzler gar nicht erlebt haben." So sprach Bismarck, in seiner Art sich auszudrücken, einige Wochen nach dem Tage von Sedan. Er hat dasselbe noch oftmals wiederholt und ist aus jeglichem Hin- und Herwenden zurückgekommen auf die ,,Unterwerfung unter eine stärkere Macht. Ich bin mir jener starken Macht bewusst, die weder willkürlich noch launenhaft ist.“ Aus ihrem Willen habe er in seinem Diplomatengewerbe auszuhalten gehabt; sonst hätte er es wohl bald, an Personen und Dingen verzweifelnd, aufgegeben.

Und Luther sprach es so: „Man muss gewiss in Gott sein, und je gewisser der Mensch in ihm ist, desto besser hilft er ihm. Solche Leute nehmen dann alles mit Freuden auf, was ihnen von Gott zugesandt wird, es sei gut oder böse. Denn sie wissen, dass es von ihm kommt, und achten alles gering, woraus sie sonst gehofft haben . . . . Und sie bleiben Bekenner, wenn sich gleich die ganze Welt dawider legte.“

,,Niemand lasse den Glauben daran fahren, dass Gott durch ihn eine große Tat will . . . . Solch Glaube ist lebendig, der dringt durch und ändert den ganzen Menschen. Dieser Glaube vermag alles und besteht allein.“

„Jeder einzelne Christ ist ein solcher Mann, wie Christus selbst aus Erden gewesen ist, und kann die ganze Welt in göttlichen Sachen regieren, jedermann helfen und nützen, kurzum die größten Werke tun, die auf Erden geschehen.“
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Luther