Luthers Eltern

Auf seiner Wartburg hat der verstorbene Weimar-Eisenachische Landesherr zwei Gemälde des Lukas Cranach aufhängen lassen, die der Meister mit ersichtlicher Freude als Mensch und als Künstler gemalt hat. Die Eltern seines Freundes, des Dr. Martin Luther, sind es. 1527, als sie zum Besuch ihres berühmten Sohnes die Reise von Mansfeld nach Wittenberg taten, haben sie ihm für diese Bildnisse sitzen müssen.

Mann und Frau — es ist der erste Eindruck, sie passen für einen so hochberühmten Maler der Fürsten und der großen Herren eigentlich nicht recht. Der Vater Hans in seiner Pelzschaube mit dem entschlossen den Mund zukneifenden Porträtiergesicht bringt zwar eine ganz leidliche bürgerliche Würde zuwege. Mit Fug und Rechte auch ohne dass er der Vater des Dr. Luther ist — ein Punkt, der sogar nicht ohne manche Bitterkeit war. Ein erbloser Bauernsohn war er gewesen, und da er seinem Bruder nicht als Knecht im Gehöft dienen mochte, ging er lieber fort. Dennoch blieb man auf die Abkunft stolz, oder dieser Stolz wurde wenigstens in Martin wieder lebendig, „ich bin eines Bauern Sohn,“ sagt er mit Nachdruck, „mein Vater, Großvater und Ahn sind rechte Bauern gewesen.“ — Der Name Luther hat nichts mit „lauter“ zu tun, wie gute Leute früher etymologisiert haben, sondern ist der altgermanische Name Lothar.


So war Hans Luther von seiner Heimat Möhra (unweit Salzungen im Meiningenschen) in die Fremde abgekommen und ein Bergmann geworden. In dem gräflich Mansfeldischen Städtchen Eisleben arbeitete er in den Kupfer- und Silbergruben zu der Zeit, als sein Sohn Martin geboren wurde, der älteste von vielen Geschwistern. Wenig danach war er nach Mansfeld weitergegangen, und hier beginnen die eigenen Eindrücke des jungen Martin. In Mansfeld ist dann der Vater, als ein fleißiger, sparsamer, mit sich, wie mit den Seinigen harter Mann, zu Wohlstand gekommen. Er konnte Pächter zweier Schmelzöfen von der gräflichen Herrschaft werden, die dieses Bergregal ausübte, hatte sich in der Hauptstraße sein eigenes Haus gebaut und stand in Ehrenämtern der städtischen Gemeinde. — Nach alledem sieht dieser Kopf aus. Ein echtes Bauerngesicht thüringisch-fränkischen Schlages, wo sie so ganz anders sind, als im behäbigen Niedersachsen oder auch in Oberbayern. Ein Leben voll ehrbarer Plage und Strenge liegt darin, das die Haut in unzählige grobe Falten gezogen hat, aber darüber dann endlich auch die Lasur einer späten Genugtuung und Zufriedenheit. Der Mutter freilich reicht es zu dieser nicht mehr; in ihr ist die Verschüchterung ihres ganzen Lebens stecken geblieben. Enge, mühselige Leute, mit bräunlichen gegerbten Gesichtern, aber durchdauernd aus zäher, gesund ursprünglicher Kraft. Immer wird uns bei dem Bildnis dieser in ihrer antiquierten Tracht des bescheidenen Standes gemalten Margret Luther einfallen, wie sie nach Martins erzählender Erinnerung aus dem Walde heimkommt mit der Trage Holz auf dem gebogenen Rücken, so habe sie ja auch das Holz gleich selber eingetragen, „damit sie uns erzogen hat“.

Das sind diese Eltern: mit dem Willen, aus ihrem Hauswesen und ihren Kindern etwas zu machen, und der Vater übt die Zucht vertretungsweise durch den mageren Arm seines gehorsamen Eheweibes noch. Wir dürfen dies als ein sehr Wichtiges für des späteren Mannes Luther Wesen nicht übersehen und es hier nicht beiseite lassen. Ob er wohl all das Schöne über Eltern und Kinder gesprochen hätte, hätte so bitter ihn nicht die Erinnerung an die eigene Kindheit gelehrt? Ihr Eltern, reizt eure Rinder nicht zum Zorn! schrieb er später in den Katechismus. Lasst die Furcht nicht in der Kindheit bei einem Menschen einreißen, dass er sie nie wieder in sich ausrotten mag, „denn weil sie zu einem jeglichen Wort des Vaters oder der Mutter erzittern, so fürchten sie sich auch hernach ihr Leben vor einem rauschenden Blatte. Der große, offene Mann, der immer nur daran denkt, wie er bessere Einsicht wirkt, verhehlt es nicht, wenn er Anlass dazu sieht: solche Kinder werden den Eltern gram.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Luther
Abb. 003. Luthers Vater. 1527. Gemälde von Lukas Cranach. (Die Datierung von Hans Luthers Tod ist nachträglich von anderer Hand daraufgesetzt. Solche Benutzung des Porträts zur späteren Hinzufügung von Erinnerungsnotizen geschah häufig.)

Abb. 003. Luthers Vater. 1527. Gemälde von Lukas Cranach. (Die Datierung von Hans Luthers Tod ist nachträglich von anderer Hand daraufgesetzt. Solche Benutzung des Porträts zur späteren Hinzufügung von Erinnerungsnotizen geschah häufig.)

Abb. 004. Luthers Mutter. 1527. Gemälde von Lukas Cranach

Abb. 004. Luthers Mutter. 1527. Gemälde von Lukas Cranach

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