Luther an unsere Zeit, oder Worte Luthers, welche von unserm Zeitalter besonders beherzigt zu werden verdienen

Kapitel 116. Luthers milde Urteile über die Juden aus den Jahren 1519 und 1523
Autor: Bretschneider, Karl Gottlieb Dr. (1776-1848) deutscher protestantischer Theologe, Erscheinungsjahr: 1817
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Luther, Reformation, Juden, Judentum, Christentum, Glauben, Religion, Kirche
Aus der Vorrede

Als ich mich entschloss, zu besserer Einsicht in das Wesen der durch Luther bewirkten Reformation der Kirche die Schriften dieses großen Mannes durchzulesen; so fand ich eine Menge von Stellen, die mir in unserer Zeit einer besonderen Beherzigung wert zu sein schienen. ...

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„Daher (wegen der Hoffnung der Judenbekehrung) ist das Wüten einiger Christen (wenn die anders noch Christen können genannt werden) verdammlich, welche meinen, sie tun Gott daran einen Dienst, wenn sie die Jüden (Juden) auf das gehässigste verfolgen, alles Böse über sie denken, und bei ihrem beweinenswürdigen Unglück ihrer noch mit dem äußersten Hochmut und Verachtung spotten; da sie vielmehr sollen, nach dem Exempel diese Psalms (Ps. 14, 10.) und Pauli (Röm. 9, 1. 2.), von Herzen über sie traurig sein, sie bedauern und ohne Unterlass für sie beten. – Dergleichen gottlose Christen tun sowohl dem christlichen Namen als Volke durch diese Tyrannei nicht geringen Abbruch, und sind an der Gottlosigkeit der Juden schuldig: sintemal sie dieselben durch dieses Exempel der Grausamkeit gleichsam mit Gewalt vom Christentume zurücke treiben, da sie sie viel mehr sollten mit aller Freundlichkeit, Geduld, Gebt, Sorgfalt herbeiziehen. Und dieser ihrer Wut verteidigen noch einige sehr abgeschmackte Theologi, und wenn reden ihnen das Wort; indem sie aus großer Hochmut daher plaudern, die wären der Christen Knechte und dem Kaiser unterworfen. – Ich bitte euch darum, sagt mir, wer wird zu unserer Religion übertreten, wenn es auch der allersanftmütigste Mensch wäre, wenn er siehet, dass er so grausam und feindselig, und nicht allein christlich, sondern als viehisch von uns traktiert wird? – Die meisten Passionsprediger tun nichts anders, als dass sie der Juden Mutwillen, so sie an Christo verüben, sehr schwer und groß machen und die Herzen der Gläubigen wider sie verbittern, da sie das Evangelium einzig und allein damit umgehet, dass es uns in diesem Stücke die Liebe Gottes und Christi einzig und allein aufs höchste anpreise.“

(Auslegung der 22 ersten Psalmen, Jahr 1519. 4. Thl. S. 1152 f.)

„Die Päpste, Bischöfe, Sophisten und Mönche haben bisher also mit den Juden gefahren, dass wer ein guter Christ wäre gewesen, hätte wohl mocht ein Jude gewesen. – Denn sie haben mit den Juden gehandelt als wären es Hunde und nicht Menschen, haben nichts mehr konnt tun, denn sie schelten und ihr Gut nehmen, wenn man sie getaufe hat, keine christliche Lehre noch Leben hat man sie beweiset etc. Und wenn wir gleich hoch rühmen, so sind wir dennoch Heiden, und die Juden von dem Geblüte Christi, wir sind Schwäger und Fremdlinge: sie sind Blutsfreunde, Vettern und Brüder unseres herrn“
(Schrift, dass Jesus Christus ein geborner Jude sei, Jahr 1523. 20. Thl. S. 2231 f. – am Schlusse dieser Schrift S. 2265 heißt es:)

„Darum wäre meine Bitte und Rat, dass man säuberlich mit ihnen umginge, und aus der Schrift sie unterrichtete; so mögen ihrer etliche herbeikommen. Aber nun wir sie nur mit Gewalt treiben, und gehen mit Lügentheidungen um, geben ihnen Schuld, sie müssen Christenblut haben, dass sie nicht stinken, und weiß nicht was des Narrenwerks mehr ist, dass man sie gleich wie Hunde hält; was sollen wir gutes an ihnen schaffen? Item, dass man ihnen verbeut, unter uns zu arbeiten, handtieren, und andre menschliche Gemeinschaft zu haben, damit man sie zu wuchern treibet; wie soll sie das bessern? Will man ihnen helfen, so muss man christlicher Liebe Gesetz an ihnen üben, und sie freundlich annehmen, mit lassen werben und arbeiten, damit sie Ursach und Raum gewinnen, bei und um uns zu sein, unsre christliche Lehre und Leben zu hören und sehen.“

Bretschneider, Karl Gottlieb (1776-1848) deutscher protestantischer Theologe

Bretschneider, Karl Gottlieb (1776-1848) deutscher protestantischer Theologe

Martin Luther als Mönch. Holzschnitt von Lukas Cranach

Martin Luther als Mönch. Holzschnitt von Lukas Cranach