Luthers Geburt. 1483

Im 15. Jahrhundert lebte in dem Dorfe Möhra an der Werra in Thüringen, zwischen Eisenach und Salzungen, ein Bauer Heine Luther, welcher drei Söhne hatte, von denen aber nur zwei namentlich bekannt sind, Heintz oder Heinrich und Hans. Der Ältere erbte den Bauernhof, und seine Nachkommen sind noch jetzt daselbst und in der Umgegend ansässig. Der Jüngere, Hans, wandte sich auf die Arbeiten in den nahe liegenden Bergwerken und wurde rücksichtlich seines Erbes mit einer geringen Geldentschädigung abgefunden. Er war ein strebsamer Mensch. In dem nahen Eisenach lernte er eine Jungfrau kennen, Margarethe Lindemann, die in Neustadt an der Saale im Würzburgischen geboren, deren Vater aber zur Zeit in Eisenach ansässig war. Diese heiratete er, und übersiedelte sich aus unbekannten Gründen nach dem 16 Meilen von Möhra entfernten Städtchen Eisleben in der Grafschaft Mansfeld. Er hoffte hier wohl auf eine ergiebigere Quelle des Verdienstes in den Bergwerken. Die Übersiedelung fand vermutlich im Herbste des Jahres 1483 statt. Hier wurde ihm Montag den 10. November Abends nach 11 Uhr ein Sohn geboren, der am folgenden Tage in der Peterskirche daselbst getauft und nach dem heiligen Martin von Tours, dessen Erinnerung der 10. November gewidmet ist, Martin genannt wurde.

Näheres wissen wir nicht, wie denn überhaupt die Nachrichten über die Familie und die Kindheit Luthers mit Allem, was dazu gehört, nur spärlich vorhanden sind. Sechs Monate nach der Geburt Martins zogen die Eltern nach dem zwei Stunden entfernten Städtchen Mansfeld hinüber, wo sie bis zu ihrem Tode verblieben, und wo Luther denn auch seine ganze Kindheit zugebracht hat. Beide Eltern müssen damals noch jung gewesen sein, denn der Vater stirbt 1530, als der Sohn bereits 47 Jahr alt war, ohne dass erwähnt würde, er sei besonders alt gewesen, im Gegenteil schreibt ihm der Sohn, da er von der Krankheit des Vaters hört, er möge doch nach Wittenberg herüber kommen, damit er, Martin Luther, und seine liebe Ehefrau ihn recht pflegen könnten. Die Mutter des Reformators starb ein Jahr nach ihrem Manne, 1531, und auch bei ihr wird ein besonders hohes Alter nicht hervorgehoben.


Die Familie lebte nach den Angaben des Sohnes zu Anfang in äußerst dürftigen Verhältnissen. Er sagt: „Meine Eltern sind erstlich recht arm gewesen. Mein Vater war ein armer Hauer und die Mutter hat ihr Holz auf dem Rücken getragen, damit sie uns Kinder erzogen haben. Sie haben's sich lassen blutsauer werden; jetzt täten es die Leute fürwahr nimmer.“ Bei einer stark sich vermehrenden Familie konnte es unter den gegebenen Umständen auch kaum anders sein. Es ist höchst wahrscheinlich, dass Martin noch zehn Geschwister gehabt hat, drei Brüder, von denen zwei zwischen 1501 und 1505 an der Pest gestorben sind und nur Einer übrig blieb, Jakob, der den Reformator auf dem Zuge nach Worms begleitete, und sieben Schwestern, von denen eine, Barbara, 1520 stirbt, während von den andern ihre Gatten bekannt sind.

Später, als die jüngeren Glieder der Familie mitarbeiten und für sich selbst sorgen konnten, hob sich der Wohlstand des Vaters. Er gelangte zu einigem Vermögen und zu Achtung und Ansehen bei seinen Mitbürgern. Seine ernste, treue, feste Gesinnung, ob sie auch wohl an Härte und Schroffheit grenzte, machte ihn zu einem zuverlässigen und unerschütterlichen Manne, und er wurde deshalb als Vertreter der Stadt in den Rat gewählt. Bei seinem Tode hinterließ er außer seinem Wohnhause zwei Schmelzöfen und über 1.000 Thaler bares Geld, was für jene Zeit schon eine sehr bedeutende Summe war. Frau Margarethe war nicht minder geachtet als ihr Mann nur noch allgemeiner geliebt. Melanchthon, der die Eltern Luthers wohl kannte, denn sie waren 1520 mit ihren Töchtern zu seiner Hochzeit und 1525 zu ihres Sohnes Hochzeitsfeste nach Wittenberg gekommen, sagt von ihr: sie habe „viel Tugenden gehabt, die einer ehrlichen Frau zustehen, und sei insonderheit berühmt gewesen ihrer Zucht, Gottesfurcht und ihres fleißigen Gebets halber, dass auch alle andre ehrliche Weiber auf sie, als auf ein Exempel der Tugend und Ehrbarkeit, gesehen.“ Luther hegte während seines ganzen Lebens ein lebendiges Gefühl der Ehrerbietung und des Dankes für seine Eltern, das sich an vielen Stellen seiner Briefe und seiner Tischreden ausspricht und auch sonst in Worten und Taten mannigfach wahrnehmbar ist. Einst bei einer Fastnachtslustbarkeit in Wittenberg, an der sich Luther aber gar nicht beteiligte, sondern selbst die Besuchenden nicht einmal annahm, wurde ihm eine Schar junger Leute gemeldet, die sich als Bergleute verkleidet hatten und mit Schurz und Schlägel angetan waren. Als er dies hörte, rief er: „Die lasst mir herein, das sind meine Landsleute und sind meines lieben Vaters Schlägelgesellen! Den Leuten, weil sie die ganze Woche unter dem Boden stecken in bösen Wettern und Schwaden, muss man bisweilen ihre ehrliche Ergötzung und Erquickung zulassen.“ Er empfing sie zuvorkommend und blieb den ganzen Abend in großer Heiterkeit mit ihnen zusammen.

Weil seine Eltern Hans und Margarethe hießen, so meinen Viele, dass die Frage des alten Katechismus in dem Abschnitt, der von der Trauung handelt, „Hans, willst du die Grete haben?“ daher genommen sei, und dass er damit das Verfahren und die Ehe seiner Eltern gewissermaßen als mustergültig habe aufstellen wollen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Luther - Ein deutsches Leben
Abb. 003. Luthers Vater. 1527. Gemälde von Lukas Cranach. (Die Datierung von Hans Luthers Tod ist nachträglich von anderer Hand daraufgesetzt. Solche Benutzung des Porträts zur späteren Hinzufügung von Erinnerungsnotizen geschah häufig.)

Abb. 003. Luthers Vater. 1527. Gemälde von Lukas Cranach. (Die Datierung von Hans Luthers Tod ist nachträglich von anderer Hand daraufgesetzt. Solche Benutzung des Porträts zur späteren Hinzufügung von Erinnerungsnotizen geschah häufig.)

Abb. 004. Luthers Mutter. 1527. Gemälde von Lukas Cranach

Abb. 004. Luthers Mutter. 1527. Gemälde von Lukas Cranach

Abb. 006. Das Geburtshaus zu Eisleben. Das Haus brannte 1689 bis auf das untere Stockwerk ab, wurde aus freiwilligen Beiträgen wieder erbaut und 1693 als Freischule für weisen errichtet. 1817 nahm Friedrich Wilhelm III. Haus und Schule in beständigen königlichen Schutz.

Abb. 006. Das Geburtshaus zu Eisleben. Das Haus brannte 1689 bis auf das untere Stockwerk ab, wurde aus freiwilligen Beiträgen wieder erbaut und 1693 als Freischule für weisen errichtet. 1817 nahm Friedrich Wilhelm III. Haus und Schule in beständigen königlichen Schutz.

Abb. 005. Peter- und Paulkirche zu Einleben. Erbaut von 1489 ab an der Stelle der Peterskapelle, in der Luther getauft wurde. Der Turm in den unteren Teilen älter; auch der Taufstein aus der Kapelle ist noch vorhanden.

Abb. 005. Peter- und Paulkirche zu Einleben. Erbaut von 1489 ab an der Stelle der Peterskapelle, in der Luther getauft wurde. Der Turm in den unteren Teilen älter; auch der Taufstein aus der Kapelle ist noch vorhanden.

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