Luthers Ehe. 1525.

Die Ehelosigkeit der Geistlichen hatte zu einer Zeit Eingang gefunden in der Kirche, in der die Trübheit des alt ägyptischen Volksgeistes sich über die Christenheit verbreitete. Die Lehre des Heilandes ist heilig und ernst, schließt aber den Frohsinn nicht aus. Die Natur stellt uns nur Geschöpfe dar, welche Freude am Dasein haben, und der Mensch ist bei einer heiteren Anschauung des Lebens mehr geeignet, Gott im Geiste und in der Wahrheit zu dienen, als bei einer trüben. Außer die er allgemeinen Richtung zur Trübheit, welche von Ägypten ausging, waren es aber auch die Verhältnisse und Zustände des christlichen Abendlandes, welche die Ehelosigkeit überhaupt und die Ehelosigkeit der Geistlichen insbesondere begünstigten. Wäre sie indessen von den Päpsten nur nicht zwangsweise eingeführt und der Zölibat zum Gesetz erhoben worden, so würde mit den veränderten Zeitverhältnissen sich auch das durch Natur, Vernunft und Religion gebotene Recht der Ehe allmählich wieder Ansehen und Geltung verschafft haben. Allein das römische Papsttum musste seiner ganzen Natur nach jedes in seinem Dienste stehende Mitglied der Kirche, also jeden Geistlichen zu vereinzeln und von seiner Volkstümlichkeit zu trennen bemüht sein. Es musste darnach trachten, dass es keinen deutschen, englischen, französischen Bischof oder Priester gäbe, sondern nur römische. Nun bindet aber nichts so sehr an Volk und Staat wie die Ehe. Frau und Kinder sind es, welche mit dem Manne gleichsam einen Staat im Staate bilden, und von einseitigen und abstrakten Richtungen, wie sie die römische Kirche verfolgt, entfernt halten. Deshalb bestanden die Päpste im Mittelalter auf der Ehelosigkeit der Priester, und deshalb bestehen sie noch heute darauf. Mit der Aufhebung des Zölibats würde es in Frankreich, Spanien, Italien u. s. w. bald keine römische, sondern eine französische, spanische und italienische Kirche geben.

Luther hatte im Verlaufe seines Kampfes mit dem Papsttume diese Wahrheit erkannt, und sich schon seit dem Jahre 1520 dauernd zu Gunsten der Ehe der Geistlichen ausgesprochen. Für seine Person dachte er an keine Verheiratung, doch freuete er sich, wenn er hörte, dass hier und da ein Geistlicher es gewagt hatte, in den Ehestand zu treten. Von der Verheiratung der Ordensgeistlichen wollte er Anfangs nichts wissen, weil sie ihre Gelübde freiwillig geleistet und deshalb auch an dieselben gebunden bleiben müssten; allein in der Folge erkannte er, dass die Freiwilligkeit nur dem Scheine nach vorhanden gewesen, und die Menschen, von den Vorurteilen der Zeit beherrscht, dazu geführt worden wären. Viele Mönche hatten bereits ihre Klöster verlassen, sich bürgerlichen Gewerben gewidmet und sich verheiratet, während die Nonnenklöster noch streng verschlossen blieben. Nun ging aber das Gerücht, welches trotz vieler Übertreibungen im Einzelnen doch im Ganzen wohl begründet war, es wären die Jungfrauen hinter den Klostermauern mehr Gefahren und Versuchungen ausgesetzt als im Schoße ihrer Familien oder auch in der weiten Welt. Als er daher vernahm, dass die Jungfrauen eines ihm wohlbekannten adligen Zisterzienser Nonnenklosters, Nimtzschen bei Grimms sich seiner Lehre zugewandt hätten und von dem Ordenszwaage entbunden zu werden wünschten; so veranlasste er einen angesehenen Bürger zu Torgau, die Befreiung dieser Nonnen zu bewirken. Es gelang, und am 7. April 1523 trafen sie in Wittenberg ein. Es waren deren neun, sämtlich edlen sächsischen Familien entsprossen, unter denen sich auch Katharina von Bora befand. Luther hatte für Aller Unterkommen und Unterhalt zu sorgen, und sie machten ihm manche Beschwerde: zuerst wollte er es ihren Verwandten melden, ob diese sie aufnehmen möchten; wenn nicht, wollte er sie anderswo unterbringen, und es waren ihm deshalb auch schon von einigen Seiten Zusagen geschehen; auch gedachte er einige von ihnen, wenn es anginge, zu verheiraten. Inzwischen kam es darauf an, sie acht bis vierzehn Tage zu unterhalten, und deshalb bat er seinen Freund Spalatin, er solle doch bei seinen reichen Hofleuten etwas Geld für ihn betteln; auch den Kurfürst könne er angehen, dass er etwas dazu beitrage. „O, ich wills fein heimlich halten und Niemand sagen“, setzt er hinzu, „dass er mir selber etwas für die abtrünnig gewordenen Klosterjungfrauen gegeben hat.“


Obwohl ihm die Versorgung nicht leicht wurde, und er bei dieser Gelegenheit über die Kargheit der Wittenberger, die er seine Capernaiten nennt, klagt, so gelang ihm sein Vorhaben doch völlig. Katharina von Bora, die damals 24 Jahre alt war, wurde von einem wohlhabenden Juristen Reichenbach als Pflegetochter angenommen. Ihre Eltern scheinen tot gewesen zu sein, denn sie werden nirgends erwähnt. Luther gefiel sie anfangs nicht, und er sagte später einmal bei Tische in ihrer Gegenwart: „Wenn ich vor dreyzehn Jahren hätte freyen wollen, so hätte ich Eva Schönfeldin genommen, die jetzt der Doctor Basilius, der Medicus in Preußen, hat. Meine Käthe hatte ich dazumal nicht lieb; denn ich hielt sie verdächtig, als wäre sie stolz und hoffährtig. Aber Gott gefiel es also wohl; der wollte, dass ich mich ihrer erbarmte. Und ist mir, Gott Lob! wohl geraten. Denn ich habe ein fromm, getreu Weib, auf welche sich des Mannes Herz verlassen darf, wie Salomo sagt, Sprüchw. 31, 11. Sie verdirbt mir's nicht.“

Indessen vergingen noch zwei Jahre, ehe Luther zum Entschluss kam, sich überhaupt zu verheiraten. Noch im Herbste 1524 suchte er Katharinen anderweitig zu vermählen, was sie aber entschieden zurückwies; es scheint, dass sie eine heimliche Neigung für Luther gehegt habe. Er selbst wird von den verschiedensten Seiten her aufgefordert, seine Lehre durch die Tat zu bestätigen und in die Ehe zu treten, schreibt aber noch am 30. November 1524 an Spalatin: „Wie mein Herz bis daher gestanden und noch stehet, wird nichts daraus werden, dass ich ein Weib nehmen soll. Nicht, als ob ich mein Fleisch oder mein Geschlecht nicht empfände, denn ich bin nicht von Holz und Stein; sondern mein Sinn steht nicht auf's Heiraten, weil ich täglich den Tod erwarte und das wohlverdiente Urteil eines Ketzers. Darum will ich weder Gott ein Ziel seines Werkes in mir setzen, noch auch auf meinem eigenen Sinn bestehen; ich hoffe aber, Gott werde mich nicht lange leben lassen.“

Am 2. Juni 1525 ermahnte er den Kurfürsten Albrecht von Mainz, sich in den ehelichen Stand zu begeben, wozu wichtige Gründe vorhanden wären, das Bistum zum weltlichen Fürstentum zu machen und den falschen Namen und Schein geistlichen Standes fallen und fahren zu lassen. Zugleich schrieb er an seinen Schwager Doktor Johann Rühel in Mansfeld, der kurmainzischer Rat war: „Und ob Seine Kurfürstliche Gnaden abermal würde sagen, wie ich zuvor auch gehöret hab, warum auch ich nicht ein Weib nähme, der ich Jedermann dazu reize; sollet ihr antworten, dass ich immer noch gefürchtet, ich sei nicht tüchtig genug dazu. Doch wo meine Ehe Seiner Kurfürstlichen Gnaden eine Stärkung sein möchte, wollt ich gar bald bereit sein, Seiner Kurfürstlichen Gnaden zum Exempel vorher zu traben, nachdem ich doch sonst im Sinn bin, ehe ich aus diesem Leben scheide, mich in dem Ehestande finden zu lassen, welchen ich von Gott gefordert achte; und soll's nichts weiter denn eine verlobte Josephsche sein.“ Jetzt ist er auch bereits entschlossen, um des Beispiels willen in jedem Falle zu heiraten, denn er sagt später in seinen Tischreden: „Das hatte ich bei mir, ehe ich ein Weib nahm, ganz und gar beschlossen, dem Ehestand zu Ehren. Wenn ich ja unversehens hätte sollen sterben oder itzt auf dem Todbette wäre gelegen, so wollt ich mir haben lassen ein frommes Mägdlein ehelich antrauen, und derselbigen wollte ich darauf zween silberne Becher zum Mahlschatz und Morgengabe gegeben haben.“

Inzwischen waren die äußeren Verhältnisse Luthers nicht von der Art gewesen, einen eigenen Hausstand zu begründen. Er hatte kein Gehalt von der Universität, er nahm kein Honorar für seine Vorlesungen von den Studierenden, ja er war bis zu seinem Tode nicht zu bewegen, von den Buchhändlern etwas für seine Schriften anzunehmen, obwohl ihm bedeutende Summen angeboten wurden; denn was er umsonst von Gott empfangen hätte, wolle er auch umsonst Andern mitteilen. Was er an zahlreichen Geschenken erhielt, gab er an Bittende und Hilfesuchende wieder fort, wie er es unbekümmert empfangen hatte. Er behielt davon nicht einmal so viel, dass er seine Kleidung davon beschaffen konnte und war in dieser Beziehung immer auf die Geschenke des Kurfürsten angewiesen.

Am 20. Sonntage nach Trinitatis 1524 nämlich hatte er seine Mönchskutte ausgezogen und einen schwarzen Predigerrock, der seitdem bei den evangelischen Geistlichen im Gebrauch geblieben ist, zu tragen angefangen, zu welchem ihm der Kurfürst das Tuch mit den Worten geschickt hatte: er solle sich daraus einen Predigerrock, eine Mönchskappe oder, so es ihm gefiele, eine Hispanische Kappe machen lassen. Es sollte dies wohl ein Spott über die Mönche sein. In derselben Zeit unterhandelte er mit Friedrich dem Weisen über sein Verbleiben im Kloster, das er schon lange allein mit dem Prior Eberhard Brisger bewohnte. Der Letztere begehrte jetzt aber auch, es zu verlassen, und ganz allein mochte Luther nicht darin bleiben. Der Kurfürst überredete ihn aber dennoch dazu, und überließ es ihm sogar später zu völligem Eigentum. Auch war er nie ganz vereinsamt darin, denn es strömten dauernd Fremde herzu, die um ihres evangelischen Bekenntnisses willen aus Amt und Besitz vertrieben waren, und denen er wenigstens freie Wohnung und meist auch wohl einen dürftigen Unterhalt gewährte. Viel konnte er damals jedenfalls nicht reichen, da ihm erst Johann der Standhafte, der Nachfolger des Kurfürsten Friedrich des Weisen, der am 5. Mai 1525 gestorben war, ein Jahresgehalt von 200 Gulden aussetzte, das später auf 300 Gulden erhöht wurde. Auch müssen ihm nachmals noch einige Nebeneinnahmen zugeflossen sein, denn er erwähnt gelegentlich einmal, dass sich sein Einkommen auf 400 Gulden belaufe, doch geschieht dies erst lange nach seiner Verheiratung.

Unter diesen Umständen gedieh sein Entschluss, einen Hausstand zu gründen, zur Reife, und ohne die Sache mit einem Freunde vorher näher besprochen zu haben, begab er sich am 13. Juni 1525 um die Mittagsstunde mit Dr. Bugenhagen, dem Maler Lukas Kranach, dessen Frau, dem Propst Jonas und dem Professor Dr. Apel in die Wohnung des Stadtschreibers Reichenbach und hielt um Katharina von Bora an. Sie war so überrascht, dass sie den Antrag für Scherz hielt, gab dann aber gern ihre Einwilligung, und die Trauung wurde unmittelbar darauf durch Dr. Bugenhagen vollzogen, und am folgenden Tage ein kleines Gastmahl gehalten. Die eigentliche Hochzeit wurde aber erst vierzehn Tage später, am 27. Juni gefeiert, und erließ Luther dazu ein Einladungsschreiben an Dr. Rühel, Johannes Thür und Caspar Müller in Mansfeld, worin es heißt: — „Denn es mir selbst ahnt, Gott werde mir einmal zu seiner Gnade helfen. So hab ich auch aus Begehr meines lieben Vaters mich verehelicht, und um dieser Mäuler willen, dass nicht verhindert würde, mit Eile beigelegen; bin Willens auf Dienstag über acht Tage, den nächsten nach St. Johannis Baptistä, eine kleine Freude und Heimfahrt zu machen. Solchs habe ich Euch als guten Freunden und Herren nicht wollen bergen, und bitte, dass Ihr den Segen helft drüber sprechen. Und dieweil die Läufte also stehen, habe ich nicht durft Euch dazu bitten und zu fordern zu erscheinen. Wo Ihr aber von gutem Willen selbst wolltet oder könntet samt meinem lieben Vater und Mutter kommen, möget Ihr selbst wohl ermessen, dass mirs eine besondere Freude wäre; und was Ihr mitbrächtet von guten Freunden zu meiner Armut, wäre mir lieb. —

Ferner schrieb er dem Marschall Johann von Dolzig:

„Es ist ohne Zweifel mein abenteuerlich Geschrei vor Euch kommen, als sollt ich ein Ehemann worden sein. Wiewohl mir aber dasselbige fast seltsam ist und selbst kaum glaube, so sind doch die Zeugen so stark, dass ichs denselben zu Dienst und Ehren glauben muss und vorgenommen, auf nächsten Dienstag mit Vater und Mutter, samt andern guten Freunden, in einer Kollation dasselbe zu versiegeln und gewiss zu machen. Bitte derhalben gar freundlich, wo es nicht beschwerlich ist, wollet mich treulich beraten mit einem Wildpret und selbst dabei sein und helfen das Siegel aufdrucken mit Freuden und was dazu gehöret.“

Auch das Schreiben an den Superintendenten Amtsdorf in Magdeburg ist erhalten und lautet:

„Es ist also wahr, dass ich ganz plötzlich mit Katharinen zusammengetan worden bin, ehe ich hören musste, wie das Geschrei darüber losging, wie das so Brauch ist. Denn ich hoffe, dass ich nur noch kurze Zeit zu leben habe. So hab ich auch diesen letzten Gehorsam meinem Vater, der Solches von mir begehret, in der Hoffnung, Gott werde mir Kinder bescheren, nicht wissen abzuschlagen. Zugleich wollte ich durch mein Beispiel bestätigen, was ich gelehrt habe, da ich finde, dass Viele bei so hellem Lichte des Evangeliums doch noch kleinmütig sind. So hat es Gott gewollt und getan. Ich bin weder verliebt noch brünstig, doch liebe ich mein Weib.“

Näheres über die Feier am 27. Juni wissen wir nicht. Der Rat der Stadt schickte zum Feste 4 Maß Malvasier, 4 Maß Rheinwein und 6 Maß Frankenwein; der Preis ist in den noch vorhandenen Stadtrechnungen mit 33 Gulden verzeichnet: der Malvasier kostet 20, der Rheinwein 6 und der Frankenwein 7 Gulden. In die Wirtschaft, die nun erst beginnt, denn bis dahin war die junge Frau im Reichenbachschen Hause geblieben, schickte der Rat noch ein Fass Einbecker Bier und eine Anweisung auf freien Wein aus dem Ratskeller auf ein Jahr, wofür in den Stadtrechnungen 3 Thaler 4 Groschen 6 Pfennige aufgeführt werden. Die Universität schenkte ihm einen prächtigen vergoldeten silbernen Kelch mit Deckel. Unter den sonstigen Geschenken sind am Bemerkenswertesten zwei Eheringe, welche der Nürnberger Ratsherr Wilibald Pirckheimer von dem berühmten Goldschmied Albrecht Dürer hatte arbeiten lassen. Der Ring Luthers ist mit einem Diamanten und einem Rubin, den Sinnbildern der Treue und der Liebe, geschmückt und enthält außer den Buchstaben M. L. D. die Worte: WAS.GOT.ZU.SAMEN.FIEGET.SOL.KEIN.MENSCH.SCHEIDEN. Der andere, welchen Katharina getragen, hat oben einen, in einen runden kegelförmigen Kasten gefassten, ziemlich großen Rubin, und besteht aus einem Haupt- und zwei Nebenreifen, die fest mit einander verbunden und rings herum mit Vorstellungen aus der Leidensgeschichte Jesu, in durchbrochener und erhabener Arbeit, verziert sind; worunter sich die bis zu den Muskeln ausgearbeitete Figur des Gekreuzigten besonders auszeichnet. Der erstere befindet sich jetzt auf der Wolfenbüttelschen Bibliothek, der letztere ist in Privathänden.

Die Verheiratung Luthers machte ein ungeheueres Aufsehen, und wurde von seinen Gegnern dazu benutzt, ihn mit Schmähungen zu überhäufen, und sein ganzes reformatorisches Streben ausschließlich der niedrigsten Sinnenlust zuzuschreiben. Luther, der in dieser Hinsicht viel vertragen konnte, war eine Zeit lang darüber betreten und unruhig; doch sammelte er sich bald wieder und blieb seinem heiteren, zu Humor geneigten Sinne treu. Der Humor ist wie der Ernst und die Treue eine Eigenschaft, welche wesentlich und ursprünglich dem deutschen Volksgeiste angehört. Die romanischen Völker kennen den Humor nicht, und auch bei den Frauen ist er aus natürlichen Gründen viel seltener als bei den Männern.

Die Ehe Luthers war sehr glücklich; sie gehörte sicher zu denen, die im Himmel geschlossen worden sind, d. h. bei denen beide Brautleute sich der Zustimmung Gottes zu ihrer Verbindung bewusst waren, oder bei denen Jeder zwar seinen eigenen, aber zugleich den göttlichen Willen zu vollziehen glaubte, wenn er sich mit dem Andern zu einer gemeinsamen Wirsamkeit fürs Leben und zur Entwicklung des Ewigen vermählte.

Luther schreibt an einen Freund: „Wenn mein Ehestand Gottes Werk ist, was Wunder, wenn sich das Fleisch daran stößt; stößt es sich doch selbst daran, dass Gott der Schöpfer sein Fleisch zum Heile der Welt als Lösegeld und Speise darreicht. Wenn die Welt sich nicht an uns ärgerte, würde ich mich an ihr ärgern und fürchten, das, was wir thun, sei nicht von Gott. Jetzt wo sie ärgerlich und ungeduldig über mich ist, erbaue und tröste ich mich an ihr. Thue Du auch also.“ Von seiner Ehefrau sagte er, er achte sie teurer, denn das Königreich Frankreich und der Venediger Herrschaft, denn ihm ein frommes Weib von Gott geschenkt und gegeben wäre, wie er auch ihr. Demselben Freunde meldet er nach Jahresfrist die Geburt seines ältesten Sohnes und fügt hinzu: „Es grüßet Dich Käthe, meine Rippe, und dankt Dir, dass Du sie mit einem so liebreichen Brief beehrt hast. Sie selbst befindet sich, Gott sei Lob, wohl, und ist mir folgsam und in Allem zu Willen und mehr nütze, als ich zu hoffen gewagt hätte, Gott sei Dank, so dass ich meine Armuth nicht mit eines Krösus Schätzen vertauschen möchte.“ An einem anderen Orte heißt es: „Die höchste Gnade und Gabe Gottes ist es, ein fromm, freundlich, gottesfürchtig und häuslich Gemahl haben, mit der Du friedlich lebst, der Du darfst all Dein Gut, und was Du hast, ja Dein Leib und Leben vertrauen, mit der Du Kinderlein zeugest. — Käthe, Du hast einen frommen Mann, der Dich lieb hat, Du bist eine Kaiserin. Ich danke Gott. Aber zu einem solchen Stande gehöret eine fromme und gottesfürchtige Person.“ — Katharina schloss sich sehr herzlich und kindlich an Luther an, und fast mit kindlicher Einfalt spricht auch er selbst, wie es ihm im Anfange seiner Ehe ganz ungewohnt vorgekommen wäre, nun des Mittags selbander zu essen. Und mit einiger Verwunderung über seine eigene Geduld erzählt er später, wie in dem ersten Jahre der Ehe seine Käthe durch keine weitläufige Hauswirtschaft, noch durch Sorge um ein Kind beschäftigt, sich oft zu ihm gesetzt habe, wenn er arbeitete, und da sie nicht gewusst, was sie reden solle, ihn plötzlich mit der Frage unterbrochen habe: „Herr Doktor, ist der Hochmeister in Preußen des Markgrafen Bruder?“

Luther war froh, dass ihm seine Käthe nichts zugebracht hatte, sondern arm war, und sagt daher: „Magister G. hat ein reich Weib genommen und seine Freiheit dadurch verkauft. Denn es gehet gemeiniglich also: wenn ein armer Gesell eine reiche bekommt, so will sie Herr sein, und wenn er ihr ein Wort sagt, das ihr nicht gefällt, so wirft sie das Maul auf und rückt ihm auf: Du Stümpler, hättest müssen ein Bettler sein, wenn ich Dich nicht genommen hätte u. s. w.

Von den sechs Kindern, mit denen seine Ehe gesegnet wurde, überlebten ihn nur folgende vier: 1) Johannes, geb. 7. Juni 1526, gest. 1575 als Dr. jur. zu Königsberg, 49 Jahre alt: 2) Martin, geb. 7. November 1531, gest. 1565 als Privatmann, 34 Jahre alt: 3) Paulus, geb. 28. Januar 1533, gest. 1593 als Arzt, 60 Jahre alt; 4) Margarethe, geb. 1534, gest. 1570 als verehelichte von Kulheim, 36 Jahre alt. Zwei Töchter, Elisabeth und Magdalene, starben als Kinder, jene 1528, diese 1542.

Das von Luther wiederhergestellte eheliche Leben der Geistlichen ist für die Entwicklung des Christentums eine wichtige, ja eine notwendige Handlung gewesen; aber sie hat auch für den Bestand der Menschheit und deren Bildung im Allgemeinen eine große Bedeutung. Man hat berechnet, dass die Zahl der Erdbewohner sich dadurch um zehn bis fünfzehn Millionen vermehrt habe. Man könnte nun zwar behaupten, dass diese Vermehrung sich auch auf anderem Wege hätte erzielen lassen, oder dass sie erzielt sein würde, wenn Luther auch nicht durch seine Lehre und sein Beispiel die Aufhebung des Zölibats in der evangelischen Kirche bewirkt hätte. Es ist daher zur Würdigung dieses Verfahrens noch eine andre Seite ins Auge zu fassen. Die Nachkommen der verheirateten Geistlichen sind nicht nur überhaupt Menschen, welche die Zahl der Erdbewohner vergrößert haben, sondern es sind die Gründer gebildeter Familien. Der ganze gebildete Mittelstand, durch den sich das evangelische Deutschland vor dem katholischen auszeichnet, hat hauptsächlich seinen Ursprung in dieser Einrichtung. Die bedeutendsten Männer auf allen Gebieten sind in den letzten drei Jahrhunderten aus den Predigerfamilien hervorgegangen; und dass es z. B. Österreich so ganz an einem gebildeten Mittelstande fehlt, hat in der Ehelosigkeit der Priester seinen Grund. In Wien müssen alle jungen Leute, welche zu ihrem Geschäfte einer gründlichen Schulbildung bedürfen, z. B. alle Gehilfen der Buchhändler, aus dem Norden verschrieben werden. Es gibt daselbst fast gar keine Commis, die geborene Österreicher sind. Der evangelische Geistliche hat mehr, als irgend ein anderer Stand, die Neigung, seine Söhne studieren zu lassen. Wenn nun dieser Umstand auch nicht allein die allgemeinere Bildung der protestantischen Länder hervorgerufen hat, sondern wenn auch andre Ursachen dazu mitgewirkt haben, so ist er doch von unberechenbarem Nutzen gewesen, und wir haben daher Luther auch in dieser Beziehung großen Dank zu sagen. Er hat dadurch wesentlich zur Wiederherstellung natürlicher und rein menschlicher Zustände beigetragen.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Luther - Ein deutsches Leben