Lust und Freude

Wer Gelegenheit gehabt hat, die Freude zu beobachten, welche Kinder von 6 bis 9 Jahren an dem Vortrage eines wirklich kindlichen Gedichtes haben, oder wer jemals den Eindruck empfangen hat, den der einfache und doch ausdrucksvolle Vortrag eines solchen Gedichtes aus dem Munde eines Kindes auch auf den Erwachsenen macht, der hat wohl mit uns das Verlangen empfunden, das auf diesem Gebiete bereits Vorhandene und für das bezeichnete Alter Nutzbare für den Gebrauch in Schule und Haus zur Hand zu haben. Hierdurch zu der vorliegenden Sammlung veranlasst, haben wir uns bei unserer Arbeit von dem Bestreben leiten lassen, den Anforderungen zu genügen, welche nach unseren Erfahrungen von Lehrern und Lehrerinnen gemacht werden, wenn sie Gedichte für ihre 6 bis 9 jährigen Zöglinge suchen in der Absicht, den Unterricht in einer dem Kindessinn entsprechenden Weise zu beleben und dabei unter Lust und Freude die Liebe des Kindes zu seiner Muttersprache zu wecken, zu nähren und zu stärken. Kindliche Frömmigkeit, sinnige Freude an der Natur, Einfachheit und Natürlichkeit der sprachlichen Form, die, ohne ins Kindische zu fallen, sich vereinigt mit Beweglichkeit und Leichtigkeit der Darstellung — das sind die Eigentümlichkeiten, welche einem Gedichte Aufnahme Seitens der Lehrer und Erzieher und Eingang in das Herz des Kindes sichern. Indem wir von diesen Gesichtspunkten bei unserer Sammlung ausgingen, glaubten wir hoffen zu dürfen, auch mancher Mutter, die bemüht ist, die Entwickelung eines frommen, frischen Jugendlebens zu fördern, eine willkommene Gabe zu bieten.

In Betreff des Anhanges sei bemerkt, dass wir ihn nicht für einen wesentlichen Teil unserer Sammlung ansehen, indes glauben, durch diese Beigabe den Wünschen vieler Eltern und Lehrer entgegengekommen zu sein.

Sollte die Aufnahme dieses Büchleins uns zeigen, dass wir den Zweck der Deklamation, d. h. des Besprechens, Lernens und ausdrucksvollen Vortrages schöner Gedichte durch unsere Sammlung haben fördern helfen, so würden wir uns für die darauf verwendete Zeit und Mühe reichlich belohnt fühlen.

Berlin, im Juli 1860.
Die Herausgeber.