Wiegenlied im Sommer. Robert Reinick

Vom Berg herabgestiegen
ist nun des Tages Rest;
mein Kindlein liegt in der Wiegen,
die Vöglein all’ im Nest;
nur ein ganz klein Singvögelein
ruft weit daher im Dämmerschein:
„Gut’ Nacht! gut’ Nacht!
lieb’ Kindlein, gute Nacht!“

Das Spielzeug ruht im Schreine,
die Kleider auf der Bank,
ein Mäuschen ganz alleine
es rasselt noch im Schrank,
und draußen steht der Abendstern
und winkt dem Kind aus weiter Fern’
„Gut’ Nacht! gut’ Nacht!
lieb’ Kindlein, gute Nacht!“


Die Wiege geht im Gleise,
die Uhr pickt hin und her,
die Fliegen nur ganz leise
sie summen noch daher.
Ihr Fliegen lasst mein Kind in Ruh!
Was summt ihr ihm so heimlich zu,
„Gut’ Nacht! gut’ Nacht!
lieb’ Kindlein, gute Nacht!“

Der Vogel und die Sterne,
die Fliegen rings umher,
sie haben mein Kind schon gern’
die Engel noch viel mehr.
Sie decken’s mit den Flügeln zu
und singen leise: „Schlaf’ in Ruh’!
„Gut’ Nacht! gut’ Nacht!
lieb’ Kindlein, gute Nacht!“

Robert Reinick (1805-1852) deutscher Maler und Dichter
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust und Freude