Wiegenlied im Herbst. Robert Reinick

Sonne hat sich müd’ gelaufen, spricht: „Nun lass ich’s sein!“
geht zu Bett und schließt die Augen und schläft ruhig ein.
Sum, sum, sum,
mein Kindchen macht es eben so,
mein Kindchen ist nicht dumm!

Bäumchen, das noch eben rauschte, spricht: „Was soll das sein?
Will die Sonne nicht mehr scheinen, schlaf’ ich ruhig ein!“
Sum, sum, sum,
mein Kindchen macht es eben so,
mein Kindchen ist nicht dumm!


Vogel, der im Baum gesungen, spricht: „Was soll das sein?
Will das Bäumchen nicht mehr rauschen, schlaf’ ich ruhig ein!“
Sum, sum, sum,
mein Kindchen macht es eben so,
mein Kindchen ist nicht dumm!

Häschen spitzt die langen Ohren, spricht: „Was soll das sein?
Hör’ ich keinen Vogel singen, schlaf’ ich ruhig ein!“
Sum, sum, sum,
mein Kindchen macht es eben so,
mein Kindchen ist nicht dumm!

Jäger höret auf zu blasen, spricht: „Was soll das sein?
Seh’ ich keinen Hasen laufen, schlaf’ ich ruhig ein!“
Sum, sum, sum,
mein Kindchen macht es eben so,
mein Kindchen ist nicht dumm!

Kommt der Mond und guckt herunter, spricht:
„Was soll das sein?

Kein Jäger lauscht?
kein Häschen springt?
kein Vogel singt?
kein Bäumchen rauscht?
kein Sonnenschein?
und’s Kind allein
sollt’ wach noch sein? —
Nein, nein, nein!
Lieb’ Kindchen macht die Augen zu,
lieb’ Kindchen schläft schon ein!“ —

Robert Reinick (1805-1852) deutscher Maler und Dichter
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust und Freude