Mutter und Kind. Robert Reinick

Mütterlein, sprich:
Warum liebst du dein Kindlein doch so inniglich?
Aber die Mutter spricht:
„Das weißt du nicht?!
Weil’s fromm ist allzeit,
nicht weint und nicht schreit,
und lustig ist’s auch,
wie ’s Vöglein im Strauch.
Doch geht es zur Ruh’,
lacht’s freundlich mir zu,
und wenn es erwacht,
da küsst’s mich und lacht;
drum lieb ich’s so sehr,
wie nichts auf der weiten Erde mehr.“

Kindlein, o sprich:
Warum liebst du dein Mütterlein doch so inniglich?
Und das Kindlein spricht:
„Das weißt du nicht?!
Weil’s mich hegt und pflegt,
auf den Armen mich trägt,
wacht, wenn ich bin krank,
gibt mir Speis’ und Trank,
gibt mir Kleider und Schuh'
und viel Küsse dazu,
und ist mir so gut,
wie’s kein Anderer tut.
Drum lieb’ ich’s so sehr,
kann gar nicht sagen, wie sehr, wie sehr!“


Robert Reinick (1805-1852) deutscher Maler und Dichter
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lust und Freude