Was die Leute dazu sagen

Warum auch — ich hab' die Nacht von Rindersuppe geträumt!“ sagte die Flore, unsere alte Köchin.

„Es scheint ja ein sehr anständiger Herr zu sein,“ sagte die Mine, das Stubenmädchen. Auch der feinste Besenstiel setzt leicht Schwielen ab. Dennoch hatte die Mine ein ungemein zartes Gefühl in der innern Handfläche, sie war im Stande, ohne hinzusehen, allein vermöge dieser zarten Fühlung zu unterscheiden, ob es ein großes Fünf- oder ein kleines Zehngroschenstück war, was ihr freundlich in die Hand gedrückt wurde.


„Das muss ich doch gleich melden gehen,“ sagte die Aufwartfrau zwar nicht, aber sie ließ Alles stehen und liegen und rannte spornstreichs zu Rademachers hinüber. Eine halbe Stunde später ging die Jette von Engelrechts zum Kaufmann Lassanke an der Ecke nach zwei Matjesheringen und traf dort Rademachers Dore, die Kapern holte, Frau Rademacher hielt keine Kapern mehr vorrätig, sie verdarben doch nur. „Wissen Sie auch schon, Dorchen?“ sagte die Jette mit dem stets behaglichen Gefühl, brühwarm etwas ganz Neues berichten zu können. „Sie meinen wohl die Verlobung von Fräulein Agathchen?“ — „Ja, also Sie wissen es auch schon!“ — „Ach wie lange!“ — „Na, Dorchen, bei Ihnen kommt man aber auch nie mit was an, und der Schivke sagte mir doch, er hätte nur eben den Brief hingetragen.“



„Wäre ich reich, sagte der bescheidene Herr Bockholz, Ferdinands Kollege, oder dies einzig liebenswürdige Wesen ein Dienstmädchen, so hätte ich sie mir bei Gott! Von keinem Alborn und keinem Teufel nehmen lassen, und wäre er Negierungsrat oder Rittergutsbesitzer. Aber sie ist ein hochgebildetes Mädchen, ich bin ein armes Tier, und Esel will Esels Futter, sagte der reiche Mann, als er sich den Mund wischte nach dem Rehbraten.“

„Ehen werden im Himmel geschlossen,“ sagte Frau Jascheck, die Mutter Aureliens. Aurelie aber hätte gar nichts gesagt, sondern wäre ganz blass geworden und rasch ins andere Zimmer gegangen, sagte die Schneiderin, die in der Nebenstube saß und den folgenden Tag bei Perwitts nähte, wo sie es erzählte, die Perwitt'schen Mädchen haben es wieder unfern Mädchen erzählt, und so kam es denn richtig rund um, wie sichs für eine schöne Klatschgeschichte gehört.

„Wenn es nur wahr ist!“ sagte jener Sonderling, aber das sagte er immer, ja er sagte es nicht nur, sondern der wunderliche Heilige hatte sich diese, seiner Meinung, nach goldnen Worte unter Glas und Rahmen in Frakturschrift über sein Sopha gehängt, zu steter Mahnung an die Unzuverlässigkeit alles menschlichen Wissens von den ältesten Überlieferungen an bis zu den jüngsten Neuigkeiten des Tages.

„Gott segne das liebe Paar,“ sagte Tante Malchen.

— „Wenn er sie nicht glücklich macht, soll ihm ein heiliges Kreuz-Donnerwetter auf den Kopf fahren,“ sagte unser frommer Onkel Major.

„Also wirklich! das freut mich ja ungeheuer,“ sagte Gertrud Rademacher, feuerrot vor Überraschung und frohester Erregung, sie klatschte in die Hände, sprang im Zimmer herum und wurde zuletzt ganz ärgerlich über ihren Bruder, welcher die anziehende Neuigkeit ungleich ruhiger aufnahm. In der Tat, sollte eine Verlobung nur dann Gültigkeit haben, wenn die jungen Freunde, ja selbst die Brüder der Braut ebenso darüber jubeln, wie ihre Freundinnen, so würden bald gar keine Brautringe mehr bestellt werden, was doch schade wäre. Der Goldschmied will auch leben!

„Sie werden im Anfange keine großen Sprünge machen können“, sagte Onkel Paustian. „Ich glaube nicht, dass sein Vater ihnen jetzt schon was geben wird. Aber das schadet nichts, der alte Mann, der Großvater ist über Siebzig, und wenn der mal die Augen zumacht, hinterlässt er Alborn's ein schönes Vermögen. Sie macht doch eine gute Partie.“

„Die macht jedes Mädchen, welches einen braven Mann bekommt, den es gern nimmt, der arbeiten kann und will, und sie nicht bloß mit Süßholz, Vergissmeinnichtsalat, gebratenen Nachtigallen, Mondschein und einem Herzen voll Liebe zu beköstigen denkt,“ sagte Herr Engelrecht.

„Und er macht doch auch keine ganz schlechte Partie,“ sagte Tante Paustian. Sie war eine Cousine von unserer Hausfrau und glaubte es sich daher schuldig zu sein, für die Ehre der Familie einzutreten.

„Mein liebes Kind“, sagte wieder Herr Paustian, „das ist solche Sache. Ich habe nichts dagegen, allerdings es sind ja recht wohlhabende Leute — das heißt, nach hiesigen Begriffen. Wer bei uns Bäcker und Fleischer bezahlt, der ist wohlhabend, und wer gar dem Schuster und Schneider nichts schuldig bleibt, gilt für reich. Vergiss jedoch nicht, man muss auch immer nach dem Divisor fragen. Je mehr liebe Kinderchen, desto fetter die Brühe, heißt das Sprüchwort nicht.“

„Jedenfalls wird es keine Vernunftheirat,“ sagte der junge Wiedemann.

„Du bist wohl mehr für Unvernunftheiraten,“ sagte Herr Wiedemann Vater, und wenn das der eigene Vater des noch sehr jungen Mannes sagte, so wird er doch auch wohl seinen guten Grund dazu gehabt haben.

„Wenn ich nur keinem neugebackenen Bräutigam mehr zu gratuliren brauchte! Mir ist dabei immer, als sähe ich um seinen Hals ein feines Fädchen, so fein wie es die Taschenspieler bei manchen ihrer Kunststücke brauchen. Das feine Fädchen wird aber immer stärker und stärker und zieht sich immer fester und fester zusammen, bis der Glückliche am Ende selbst merkt, aus was für gutem Hanf die Schlinge angefertigt ist, mit der er sich hat einfangen lassen.“ Und da der Herr, der das sagte, noch nicht vermählt, auch nicht mehr so ganz jung war, so schien die Besorgnis leider nur zu begründet, er würde am Ende überhaupt niemals unter die Haube kommen. Denn „mit dem Heiraten ist es wie mit dem Einkochen der grünen Erbsen“, sagte unser alter Nachbar und Hausfreund. „Gar zu jung und weich — das taugt nicht mal bei den Mädchen, bei den jungen Burschen nun schon gar nicht, aber klapperhart und dürr vor Überreife müssen die Schoten freilich auch wieder nicht werden.“

Und so wurde denn das frohe Ereignis nach allen Richtungen hin gründlich besprochen. Acht Tage lang war die neue Verlobung das Stadtgespräch. Da wurden bei Richters die Hühner gestohlen. „Wissen Sie schon?“ — „Ach, es ist nicht möglich!“ — „Ja, ja, die Sache ist faktisch.“ — „Aber wie denn? —“ „O höchst einfach und zweckentsprechend — über den Zaun gestiegen, ein Loch in das Fachwerk des Stallgebäudes gestoßen, hinein gekrochen und vollständig rein Tisch gemacht. Nicht eine Feder haben sie zurück gelassen, vom alten Hahn bis zum jüngsten Keichel, das noch die Eischale mit sich herum trägt, die ganze Hühnerfamilie mußte daran glauben. Ich habe auch schon meine Frau instruiert, sie soll ums Himmels willen auf dem nächsten Markt keine Hühner kaufen, wenigstens keine bereits gerupften — sonst ...“



„Meinen Sie, dass einer Unannehmlichkeiten davon haben könnte, auch ohne zu wissen, dass das, was man kauft, nicht auf redlichem Wege erworben ist?“ — „Einmal das, und dann denken Sie sich, man setzt sich zu Tische, der Braten wird aufgetragen — ah, Kapaunen! und sie scheinen ja recht groß und schön zu sein, aber beim ersten Bissen kriegt man die bastzähen Muskelfasern des ehrwürdigen Stammvaters vom Richter'schen Hühnerhof zwischen die Zähne, während die Herren Diebe ganz gemütlich die delikatesten jungen Hühner schmausen — auch billig, denn die Butter zum Braten und den Speck zum Spicken hat sich das Rackerzeug natürlich wieder wo anders gestohlen, und die kleine Bemühung, sowie Gewissensunkosten rechnen sie sich nicht.“

„Hahaha! Sehr gut — die armen Richters!“ — Von der neuen Verlobung redete kein Mensch mehr. Und das mag sich jeder gesagt sein lassen zum Trost oder zu kläglicher Selbstbescheidung bei Zeiten, der das Glück oder Unglück hat, gelegentlich in aller Leute Munde zu sein.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Liebesgeschichten
Bin ich ihm schön genug?

Bin ich ihm schön genug?

Bei der Kleiderprobe

Bei der Kleiderprobe

alle Kapitel sehen