Die richtige alte Jungfer

Wie jedes Jahr feierte auch diesmal Tante Malchen das Weihnachtsfest mit uns, und wie jedesmal blieb sie auch dieses Jahr am Sylvesterabend lieber still allein für sich. — Über ihrem Schreibtisch hingen drei Pastellbilder. Das eine war der selige Assistenzrat, dem Malchen jedoch nicht sehr ähnlich sah, obwohl sie es stets gern hörte, wenn ältere Leute, die den würdigen Herrn noch gekannt, versicherten, die Augen habe sie doch ganz vom Vater, auch „so was ums Profil“. Dachte man sich am zweiten, einem Frauenbildnis, die Haartracht — sie war ähnlich wie wir sie an den Porträts der Königin Louise sehen — in Malchens glatten, tief herabgehenden Scheitel umfrisiert, die Stirn ein wenig flacher, den Mund kleiner und die behagliche Fülle von Gesicht und Brust in etwas sprödere Linien zusammen gezogen, so waren Mutter und Tochter nicht zu verkennen. Aus dem Rahmen des dritten Bildes endlich — es nahm den Platz in der Mitte, dicht unter den beiden andern ein — schaute ein junger Mann im blauen Rock, dessen Schnitt nach jetziger Mode ziemlich plump erscheinen würde, in gelblicher Weste mit Perlmutterknöpfen und hoher, weißer Halsbinde , deren kleinlich verkniffene Schleife in ein paar desto schöner gestickte Zipfel ausging. Er hatte schwarzbraunes weichgelocktes, nicht sehr volles Haar, feine Züge, eine zarte Röte und jene eigentümlich vergeistigte Klarheit des Blickes, die schon so mancher anscheinend blühenden Lebenskraft ein verhängnisvolles Vorzeichen war. Den Mund fanden Andere leider stark verzeichnet, Malchen aber nicht, und hielt sie vollends die Hand über den untern Theil des Gesichts, immer höher und höher, bis zuletzt fast gar nichts mehr zu sehen blieb, so war es „sprechend“.



Malchen bekränzte alle drei Bilder mit Immergrün, und dann nahm sie aus einem innern Schubfach ihres Schreibtisches, das mit seinem besonderen kleinen Schlüssel aufgeschlossen werden mußte, eine Mappe, welche wieder ein noch kleineres Schlüsselchen öffnete — es mochten wohl Wertpapiere sein, die mit dieser außerordentlichen Sorgfalt aufbewahrt wurden, und das waren sie auch wirklich — für Malchen. Sie würde die alten Briefe um keinen Preis hingegeben haben, und hätte man ihr jeden Stockflecken im vergilbten Papier mit Gold belegt. Wie oft hatte sie diese Zeilen schon gelesen — sie las sie immer wieder, Wort für Wort, vom Datum bis zum letzten und allerletzten Gruß, für den nur noch ein Plätzchen auf der Innenseite des Couvertüberfalls offen geblieben, und mehrere dieser schmalen, länglich dreieckigen Couvertstückchen waren sauber abgeschnitten und mit himmelblauer Seide dem Hauptdokument angeheftet, damit ja nichts, auch nicht das geringste Bruchteilchen der kostbaren Reliquien verloren gehen könne. Mit der nämlichen rührenden Pietät und peinlichen Eigenheit war für ein paar andere kleine Einlagen gesorgt. Einer der Briefe enthielt ein ganz vertrocknetes Blümchen, der winzige Kelch wie der Stengel waren traurig zusammengeschrumpft, man erkannte in den kümmerlichen Überresten die ursprüngliche Farbe gar nicht mehr und kaum noch die lieblich bescheidenen Formen der duftigen kleinen Erstlings-Blüten des Frühlings — vor zwanzig Jahren. „Das erste selbstgepflückte Veilchen“ stand auf dem Umschlag. Ein zweiter eben so kleiner Umschlag — beide waren nicht größer als eine Visitenkarte — trug die Aufschrift: „Mühlitten, den 3. August 1823.“ Malchen konnte sich wieder nicht genug freuen und wundern, dass darin der Vierklee — das Zeichen des einst in frohen Iugendtagen gefundenen und, ach nur zu bald wieder verlornen Glücks — noch immer sich so gut hielt. War es wirklich ein Wunder zur Stärkung des tröstlichsten Glaubens oder eine freundliche Täuschung oder — einfach dadurch zu erklären, dass der vierblätterige Klee kunstgerechter als das Veilchen auf Watte gepresst worden? Gleichviel, es tat der lieben Seele so wohl, auch noch im erstorbenen Grün ferner Vergangenheit etwas Unverwelkliches zu erblicken! Nachdem Malchen all' der teuren Heimgegangenen mit stiller Erbauung gedacht, verwahrte sie ihre Schätze wieder und schrieb dann noch bis zur ersten Stunde des neuen Jahres. Es waren Lebensrückblicke, sowie allerlei gottselige Betrachtungen. „Und so kann ich ja nur dankbar auf meine Tage blicken, schloss sie. Ohne Kampf ist mein Leben zwar nicht — und soll es nicht fein. Allein prüfe ich mich genau, so finde ich die Quelle von Kummer, Ungeduld und Missmut meistenteils im eigenen schwachen Herzen — in zu hohen Ansprüchen nach verschiedenen Seiten hin. Wollte ich nur stets das Zeitliche dem Ewigen unterordnen und aller Eitelkeit der Welt entsagen, läge mir nur an des Herrn Wohlgefallen Alles, an dem der Menschen weniger, und liebte ich die Menschen recht selbstlos — und nur um Gotteswillen, nicht um meinetwillen, gewiss, mein innerer Friede würde festeren Bestand haben, immer reiner und ungetrübter werden. Doch kommt dieselbe Einsicht wohl auch in andern Lebenslagen. Alles in Allem muss ich nicht trotzdem wahrhaft staunen, wie reich der Herr mich noch gemacht, und wie viel Er mir doch noch zu lieben gegeben!“ —

Ja, auch Malchen hatte ihre Liebesgeschichte gehabt, die sehr glücklich anfing, aber traurig endete. Sie war verlobt, und der begabte, hoffnungsvolle junge Mann starb. Nachher bewarb sich noch ein anderer wackerer Mann um sie, und hätte er nur etwas länger gewartet — wer weiß, was geschehen wäre, aber es war noch zu früh. Dann kam keiner mehr; die Jahre vergingen, und so wurde es zu spät, die schöne liebenswürdige Amalie wurde ganz sachte und allgemach unsere gute fromme Tante Malchen: —

Tante Malchen, die sich die jungen Leute gar nicht anders denken konnten, als nicht jung —
Tante Malchen, mit den unzähligen feinen Schrammen und Schrämmchen im Gesicht, die samt und sonders so sehr gewöhnt, immer nur freundlich zu lächeln, dass sie sich gegen jeden unfreundlichen oder gar ein bisschen boshaften Zug gleichsam aufs Äußerste zur Wehr setzten, denn das war nun einmal gänzlich wider Natur und Strich dieser menschenfreundlichsten aller Krähenfüßchen, die je ein altes liebes Gesicht schraffierten —

Tante Malchen, die allgemein Beliebte, überall Begehrte und stets Willkommene, die aber dessen ungeachtet doch nie die zarteste Fühlung dafür verlor, wo ihre Gegenwart gerade am meisten notwendig, nützlich, angenehm oder überflüssig war —



Tante Malchen, die alle Geburts- Tauf- Hochzeits- und Sterbetage unseres, wie so vieler anderer Häuser mit unfehlbarer Sicherheit im Kopfe hatte und insofern den Ehrentitel eines alten „Haus- und Geschichtskalenders“, den sie sich selbst scherzend beigelegt, vollkommen verdiente —

Tante Malchen „mit der glücklichen Hand“, der, was sie auch säen und pflanzen mochte, immer gut auf- und fortging, die in jeder bekannten Manier nähte, strickte, stickte und häkelte, und wenn etwas Neues aufkam, „Alles gleich konnte, so wie sie's nur einmal sah“ —

Tante Malchen, die zartsinnige Blumenfreundin, deren trauliches Stübchen zu keiner Zeit des Jahres den heitern Schmuck von etwas Blühendem entbehrte, und bei der selbst in den kürzesten, trübsten Tagen, wo Niewand anders mehr Blumen hatte, es doch noch immer mindestens nach Reseda und — Fleckwasser roch; denn sie war „sehr, sehr eigen und sauber“ —

Tante Malchen, die Begr?nderin unserer Kinderbewahranstalt und eins der eifrigsten Vorstandsmitglieder der Armenschule —

Tante Malchen, die in den Hütten der Armut so gut Bescheid wusste, wie in den Krankenstuben ihrer Freunde — Gott lohn' es der barmherzigen Samariterin!

Mit einem Wort, Tante Malchen war das gerade Gegenteil von der „richtigen alten Jungfer wie sie im Buch steht“, und wie sie — das gebildete Lustspielpublikum noch immer nicht müde wird, auf das Herzlichste zu belachen.

Einst hatte die Gute auch uns die bange Sorge um ein teures Leben mit wahrhaft schwesterlicher Liebe und Treue tragen helfen. „Malchen, das werde ich dir nie vergessen!“ sagte die Hausfrau, indem sich die Hände der Beiden zu still innigem Druck und die Augen in einem paar so recht aus Grund der Seele aufleuchtenden Blicke begegneten. Und wie dann Malchen — sie hatte schon den Mantel um, den schwarzen Hut auf und die Handschuhe an — jedem von uns freundlich zunickte, und die kleine behende Gestalt elastischen Schritts, mit der ihr eigenen, ich möchte sagen, ein wenig pedantischen Zierlichkeit, sich rasch zur Türe bewegte, um ein Haus weiter zu gehen zu derselben segensreichen Wirksamkeit — denn bei Rademachers konnte man leider auch wieder eine geschickte und unermüdliche Pflegerin nur zu gut brauchen — da sahen wir ihr alle mit dankbarer Rührung nach, und mehr als gewöhnlich bedauerte ich, nicht der Papst zu sein. Ich hätte sie gar zu gern in aller Form heilig gesprochen.

Nur in einer Beziehung mußte man sehr vorsichtig mit Malchen sein und ihr ums Himmels willen seine Erkenntlichkeit nicht etwa durch große Geschenke bezeigen, das konnte sie nun einmal nicht vertragen.

„Malchen, Sie sind ein peinlicher Wurm. sagte die Großmutter, aber jedes Tierchen hat sein Manierchen! Gut bleiben wir Ihnen doch — nicht wahr, Kinder?“

Ein Widerspruch von dieser Seite her war denn auch in der Tat kaum zu besorgen. Und wie die „goldene kleine Tante“ selten von einem auswärtigen Besuch zurückkehrte, ohne neue, sehr anziehende und ausführliche Berichte über irgend „ein entzückendes Dingchen“, mitzubringen, von dessen Liebenswürdigkeit wir bisher viel zu wenig erfahren, ja von dessen Vorhandensein in dieser wunderlichen Welt wir wohl gar nur durch die Geburtsanzeige Kenntnis erhalten hatten — so ließ es auch umgekehrt die liebe Jugend wahrlich nicht daran fehlen, Malchens warme Gesinnungen auf das Herzlichste zu erwidern. „Tante, warum ziehst du eigentlich nicht ganz zu uns“ — „Tantchen, du bist reizend“ — „Tante Malchen, weißt du, du siehst wirklich noch aus, als wärst du nicht älter, wie Achtzehn, wenn man deine hübsche Figur — von hinten her sieht.“ Solche und ähnliche, ebenso schmeichelhafte wie aufrichtige Beteuerungen waren etwas ganz Alltägliches. Ja, Bernhard, als er „noch klein war“, erklärte ihr einst: „liebe Tante, wenn ich mal heirate — der junge Mann schien noch nicht ganz fest entschlossen, obwohl er damals bereits fünf Jahre alt, und stark ins sechste ging — so heirate ich keine andere als dich, oder sie muss wenigstens auch Malchen heißen.“ Bald darauf verreiste Malchen für ungewöhnlich lange Zeit, sie blieb, glaube ich, ein ganzes Jahr, wo nicht noch länger fort. Als sie nun zurückkam, war die Begrüßung mit ihrem kleinen Verehrer allerdings eigentümlich. Früher hatte Bernhard es gar nicht anders gekannt, als der geliebten Tante mir nichts dir nichts an den Hals zu fliegen bei jedem Wiedersehen. Das tat er jetzt doch nicht mehr. Und der Blick, mit dem ihn Malchen musterte von Kopf bis zu Fuß, war auch nicht sehr geeignet, zu ermutigen. Dann sagte sie: „o geh' nur, geh', ich sehe schon, du bist sehr unartig geworden.“ Der gute Junge fühlte sich tief verletzt. Sehr natürlich, da er noch nicht begriff, einerseits, dass auch die herzlichste Liebe keineswegs anziehender wird durch einen Mund voller Zahnlücken, einen Schorf zwischen Lippe und Nase, und ein so bunt gesprenkeltes Gesicht, als wären die Sommersprossen mit dem Maurerpinsel darüber ausgespritzt, so wie andererseits, dass es immerhin politischer ist, einen Liebhaber bei Zeiten laufen zu lassen, als hinterher zu erleben, dass er von selbst läuft.



Malchens schönes Verhältnis zu den Töchtern pflegte festeren Bestandes, und namentlich zur Zeit der Konfirmation von hoher Bedeutsamkeit zu sein. Brachte sie dann ein gewisses Buch religiösen Inhalts, ihre „Betrachtungen“ mit, um den Mädchen daraus vorzulesen, und unser alter Freund und Töchterlehrer war auch gerade da, so ging es dem Philosophen seltsam. Er nahm sich jedesmal ernstlich vor, zu schweigen, und darauf schwieg er denn richtig — doch nicht, sondern wandte sich mit echt somatischer Feinheit an die Freundin! „nun, mein liebes Malchen, kommen Sie schon wieder mit Ihrem Jagdjunker?“ Die strenge Richtung der Betrachtungen war ihm gewiss noch lange nicht strenge genug, ich schloss dies wenigstens aus dem unpassenden Scherznamen, den er dem Buche gegeben und den er so erklärte: „ein rechtes Andachtsbuch muss doch schwarz gebunden sein, dies aber trägt ein leichtfertiges grünes Kleid, noch dazu mit Golddruck.“ —

Aurelie Jäscheck verblühte schnell, sie selbst fühlte es und schien oft sehr niedergedrückt. Unserer Agathe tat sie in der Seele leid, und dies schöne Mitgefühl verklärte sich immer mehr, ja es kam wahrer Freundschaft nahe, als die glückliche Braut plötzlich an der früheren Gefallsüchtigen und vermeintlichen — Nebenbuhlerin zu ihrer größten Freude eine gänzliche innere Umkehr wahrzunehmen glaubte. Und dem schien wirklich so zu sein; sonst hätte man Aurelie doch sicherlich nicht fortwährend mit Malchen zusammen gesehen.

„Sie lernt wohl alte Jungfer bei der Tante,“ sagte unser Ferdinand. Er kam aber schön an! Die Mutter schalt, der Vater verteidigte ihn noch viel beschämender: „du hast ganz recht, mein Sohn, da es auch den besten jungen Mädchen, wenn sie nicht heiraten, gar leicht passiert, alte Mädchen zu werden, so wüsste ich nicht, an wem sich deine Schwestern für diesen Fall ein schöneres Vorbild nehmen könnten, als an eurer lieben Tante,“ und der Onkel Major setzte in seiner Weise der wohlverdienten Abfertigung zum Schluss noch einen kleinen sanften Drucker auf: „jedenfalls tut die Aurelie gescheiter, mit der Malchen zu verkehren und sich nach der zu richten, als wenn sie ihrer eigenen Tante nachschlachtete; ich habe selbiger zwar in grauer Vorzeit schmählich den Hof gemacht, aber Wahrheit über Alles! Jetzt hat meine alte Flamme doch Schrullen und Mucken — na, es ist nicht auf 'ner Kuhhaut zu beschreiben.“

Nur mit innerem Widerstreben berichte ich dies unzarte Wort, allein es hat den großen Vorteil, kräftig daran zu erinnern, dass es mitunter auch ältere Fräulein gibt, deren Beispiel nicht unbedingt zur Nachfolge reizt. Sonst — wer steht mir denn dafür, dass nicht am Ende sämmtliche junge schöne und liebenswürdige Mädchen, die dies lesen, hingerissen vom leuchtenden Musterbilde einer „richtigen alten Jungfer“ in unserem Sinne, die glänzendsten Partie'n ausschlagen, nur weil sie sich auf Grund dieses Kapitels in den Kopf setzten, gleichfalls so eine Art „Tante Malchen“ zu werden.

Das Missverständnis wäre fatal!

Nein, nein — meine lieben jungen Damen, so habe ich's ja gar nicht gemeint und kann's gar nicht so gemeint haben. Denn bei aller Achtung und Ehrerbietung vor Malchen und jeder, die ihr gleicht, dürfte Niemand tiefer davon durchdrungen sein als ich, dass auch eine richtige deutsche Hausfrau — wie es Gott sei Dank noch recht viele gibt — gar nicht zu verachten ist. Warum wollen Sie den braven jungen Mann also nicht nehmen, wenn Sie ihn lieb haben, und er hat Sie auch lieb und sein gutes Auskommen, und die Eltern erlauben es? Und lassen Sie ihn auch nicht allzu lange zappeln! „Dies ist nämlich unangenehm,“ sagte der junge Hecht an der Angel, riß sich los und nachher wollte er gar nicht wieder anbeißen. Aber noch ein anderes kleines Bedenken drückt mich. Wird Malchen es auch nicht übel nehmen, dass ich sie ohne ihr Wissen und Wollen hier so schön abgemalt habe, wie sie da leibt und lebt? Und vor allen Dingen wird sie nicht fragen, auf welche Weise ich denn zu ihrem Tagebuche gekommen bin, aus dem ich in der Tat so frei gewesen, eine Stelle wörtlich auszuschreiben? Doch vielleicht gelingt es mir, der unbequemen Gewissensfrage vorzubeugen durch eine allgemeine Bemerkung.



Alle Welt fordert heute zu Tage Naturwahrheit der Darstellung in Bild und Schrift — meinethalben, ich habe grundsätzlich nichts dagegen, ja ich für meine Person zeichne sogar am liebsten nach der Natur, obwohl ich je länger je mehr finde, dass das auch nur halbwegs leidlich und verständig zu tun schwerer ist, als sich die aller unnatürlichsten und unsinnigsten Phantasien aus dem Daumen zu saugen. Kommt man aber und klopft bei guten Freunden oder Freundinnen an, um sie höflich zu bitten: „nun haltet gefälligst selbst mal still, dass ich mir das Nötige aufschreibe zum Signalement, damit euch die Leute nachher doch auch hübsch erkennen“ — gehorsamer Diener, da ist keiner zu Hause, weder das süßeste Bräutchen, und der verliebteste Bräutigam, noch die allerfrömmste liebe Heilige von Tante. Was bleibt einem schließlich übrig, wenn man nicht etwa nur immer und ewig das teure langweilige eigene Porträt vorführen will, als es ungefähr auf die Manier zu machen, wie jene glücklichen Arkadier, von denen ein Reisender erzählt. Er fragte, wo sie denn in ihrem landschaftlich entzückenden, aber sehr armen Hochtal außer Milch und Honig auch noch das weiße Brod und den guten Wein herbekämen. Erst krengelten, wie wir sagen, die biedern Söhne der Natur mehr oder weniger, und machten allerlei schöne Redensarten über ein gewisses Mädchen aus der Fremde, welches die Gefälligkeit hätte, sie so reell zu verproviantieren, da ihnen mit Blumen, Früchten und andern zarten Gaben dort oben in ihren rauen Bergen leider nicht gedient sei. Als sie jedoch der erfahrene Mann, der besser wusste, wo Barthel Most holt, auslachte — rückten sie endlich mit der idyllischen Wahrheit heraus - „je nun, Herr, a' bissel muss m'r selber ha'n, a' bissel betteln und a' bissel — stehlen.“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Liebesgeschichten