Die zu Kälbern gewordenen Kühe

Die zu Kälbern gewordenen Kühe. Als zur Zeit der ersten Feldzüge in Italien Napoleon dahin abging, hatte er für die Armee eine Heerde von 10.000 Stück Rindvieh angekauft, welche er einem Intendanten, dessen Name hier nichts zur Sache tut, bis zu seiner Rückkehr zur Fütterung übergab. Als sich der Intendant mit seinen 10.000 Stück Rindvieh allein sah, stiegen folgende Reflexionen in seinem Gehirne auf: „Der Teufelsmann will Italien erobern; aber man erobert Italien nicht so leicht, wie man ein Glas Wasser austrinkt. Um einen solchen Hauptstreich auszuführen, braucht er wenigstens eben so viel Zeit, als ein Kalb bedarf, bevor es eine Kuh wird.“ Die Folge dieses Raisonnements, welches allerdings vortrefflich gewesen wäre, hätte an der Spitze der Armee ein Mann, wie dieser Intendant, gestanden, war, dass besagter Intendant die 10.000 Stück Rindvieh auf dem Markte verkaufte, eine gleiche Anzahl Kälber dafür ankaufte, den gewonnenen Überschuss in seine Tasche strich, und sich mit dem oft wiederholten Ausrufe beruhigte: „Beim Teufel! man erobert nicht Italien, wie man ein Glas Wasser trinkt.“ Allein das Sprichwort: Wer ohne den Wirt die Rechnung macht, muss sie zweimal machen, bewährt sich stets, welches um so mehr hier der Fall sein musste, wo Napoleon der Wirt war. Denn fast in derselben Zeit, welche man braucht, um ein Glas Wasser zu trinken, hatte Napoleon Italien überwunden. Er kam zurück und verlangte sein Rindvieh. Es war hier an keinen Aufschub, an keine Verzögerung zu denken. Der unverschämte Intendant kam mit seinen 10.000 Kälbern zum Vorschein und sprach: „General, hier sind sie!“— „Wahrhaftig,“ begann Bonaparte, „Ihr seid ein kühner Schurke! Das weiß ich wohl, dass zu jeder Zeit aus Kälbern Kühe werden, aber das hier ist das erste Mal, wo ich erfahre, dass aus Kühen Kälber geworden sind. Ihr verdient gehangen zu werden, mein Herr Intendant, und dies soll auch geschehen.“ Dieser ließ sich das Ding nicht noch einmal sagen, sondern setzte sich auf die Post, und fuhr auf und davon. Im Jahre 1815 blieb der Kaiser bei einer Revue vor einem Soldaten stehen und sagte: „I, was! . . . was macht Ihr denn hier? ich habe Euch ja vor zehn Jahren in Italien aufhängen lassen!“ — „Sire,“ antwortete der Intendant, denn er war es, „Eure Majestät muss es doch nicht getan haben; indessen stehe ich immer noch Ew. Majestät ergebenst zu Diensten.“ Der Kaiser musste lachen und verzieh dem Intendanten.