Kaiser Joseph II.

Kaiser Joseph II. besah einst das Schloss des Grafen **. Bei dem Gang durch die Zimmer bot er der Frau vom Hause seinen Arm an. Sie schien darüber erstaunt, er aber sagte: „Madame, die Schönheit ist überall Königin.“

Kaiser Joseph II.fuhr allein und incognito in der Nähe von Wien spazieren. Er sah einen alten Offieier zu Fuß neben sich traben, und bot ihm eine Stelle in seinem Wagen an. Der Offizier stieg ein, und Joseph fragte, wohin? „Zum Frühstück bei einem guten Freunde.“ — „Was gibts da? Kaffee?“ — „Höher hinauf!“ — „Coteletten, Schinken?“ Die Antwort war immer: „höher rauf!“ — Endlich riet der Kaiser auf ein Spanferkel, der Offizier nickte ihm freundlich zu und rief: „Getroffen!“ — Nach einer Pause fragte er den Kaiser: „Sie scheinen zu dienen?“ — „Ja!“ — „Vermutlich Cadett?“ — „Höher rauf!“ — „Unterlieutenant?“ — „Höher rauf!“ — „Oberlieutenant? Capitain?“ — „Höher rauf! höher rauf!“ — Der Offizier stieg bis zum Feldmarschall, rief endlich aus: „Sie sind wohl gar unser gnädigster Kaiser selbst.“ — „Getroffen!“ Den Offizier traf mehr als ein Los — er erhielt eine ansehnliche Gnadenpension.


Joseph II.Als das Lustspiel „der Fähndrich“ den 30. Sept. 1782 zum dritten Male und bei überfülltem Hause in Wien gegeben wurde, ließ Joseph“ II., noch ehe das Stück zu Ende war, den damaligen Intendanten Freiherrn von Kienmayer in seine Loge rufen und sagte zu ihm: „Lange und unsre Adamberger spielen heute vortrefflich; lassen Sie die Beiden meine Zufriedenheit wissen und schenken Sie ihnen in meinem Namen den ganzen Betrag der heutigen Einnahme.“

— Ein Rabulist dachte ein Amt zu erhaschen und ging sicheren Trittes zum Kaiser, ihn fragend: „Eure Majestät, so eben höre ich allgemein die fröhliche Nachricht, dass Eure Majestät mir die erledigte Stelle zugewiesen haben.“ Joseph antwortete kalt: „Lassen Sie die Welt reden, ich weiß sicher, dass es unwahr ist, und zweifle nicht, Sie werden bald erfahren, dass nichts an dem Gerüchte ist.“

Kaiser Joseph als Kunstrichter. Der Kaiser besah sich kurz vor seiner letzten Krankheit noch einmal die Bildsäulen im Schönbrunner Garten. Die Gruppe vom Bildhauer Prokopp, welche den flüchtenden Aeneas mit Anchises und Ascanius vorstellt, fesselte lange die Aufmerksamkeit Josephs. Der Kaiser fragte seinen Begleiter Patuzzi, ob ihm nicht der rückwärtige Fuß des Aeneas unter der Bürde seines Vaters zu sehr ausgestreckt erscheine. Hierauf erwiederte Patuzzi: „Euer Majestät, die Furcht vermehrt augenblicklich die Kräfte.“,— „Wohl,“ sagte der Monarch, „aber die Furcht macht keinen Fuß länger als den andern.“

Im Controllorgane der Wiener Hofburg, in welchem Kaiser Joseph II. Audienzen zu erteilen pflegte, erschien einst eine Frau mit einem so enormen Reifrocke, dass Alles von ihr zurück wich. Als sie mit aller möglichen Prätension vor den Kaiser trat, schlug ihr derselbe das Gesuch ab und sagte: „Madame, zum Himmel führt nur ein Weg und der ist schmal. Mit Ihrem Rocke können Sie auf demselben nicht fortkommen. Dies sage ich zu Ihrem Besten. Adieu.“

Joseph. In jener geistgährenden Zeit und bei seiner Zugänglichkeit war der Kaiser häufig von Projektanten belagert. Ein gewisser Baron Calisius stellte ihm vor, es sei doch sehr zu bedauern, dass Komorn so sehr den Erdbeben ausgesetzt bleibe; er wisse ein Mittel, welches er für unfehlbar halte. „Nun heraus damit,“ sagte Joseph. Der Baron fuhr also fort: „In ganz Egypten weiß kein Mensch etwas vom Erdbeben; das kommt gewiss von den Pyramiden her; ihr Druck verhindert das Beben des Erdreichs.“ Der Kaiser lachte. „Nun,“ sprach er, „und da wollen Sie Komorn mit Pyramiden umgeben? Meinetwegen, versuchen Sie es, ich habe nichts dawider.“ — „Ja,“ entgegnete der Baron, „die Sache kostet Geld; sie wird circa, 400.000 Gulden kosten.“ Der Kaiser sah den Projektanten ernsthaft an und sprach: „Nun gut, unternehmen Sie das Werk auf Subscription; was aber meinen eigenen Beitrag dazu betrifft, so muss ich Ihnen sagen, dass selber erst dann erfolgt, wenn die erste Pyramide fertig ist, und ich sie mit eigenen Augen gesehen habe. Servus.“ — Ein anderer Planmacher, der ein Ingenieur war, legte dem Kaiser das Projekt vor, seine Staaten vor feindlichen Einfällen zu sichern. Das Mittel dazu war, sämtliche Grenzen zu unterminieren, um den Feind sogleich und unvermutet in die Luft zu sprengen. So etwas klingt unglaublich. Ohne Zweifel erledigte der Kaiser auch diese Proposition mit einem kurzen „Servus.“ — Jemand wies dem Kaiser eine Dreschmaschine, mittelst welcher ein einzelner Mensch so viel dreschen könne, als gewöhnlich vier Leute. Schweigend betrachtete Joseph das Modell und schob es dann dem Erfinder mit den Worten zu: „Aber wer wird den andern drei Dreschern, die erspart werden, und ihren Weibern und Kindern Brod geben?“

Kaiser Joseph II. Ein bejahrter österreichischer Offizier, der von seiner mageren Pension die Bedürfnisse seiner Familie zu bestreiten sich außer Stande sah, ging zum Kaiser Joseph, machte ihm eine Darstellung seiner dürftigen Lage, und erregte sein Mitleid durch die Äußerung, dass er zehn Kinder zu ernähren hätte. Der Kaiser überzeugte sich gern von der Wahrheit dessen, was ihm berichtet wurde, und achtete es nicht unter seiner Würde, wiewohl verkleidet, sich in die Wohnung des Offiziers persönlich zu verfügen, um zu sehen, ob er denn auch wirklich die Wahrheit gesprochen. Allein anstatt zehn Kinder fand er deren elf. „Wie kommt es denn, dass hier elf Kinder sind, und nicht zehn?“ fragte der Kaiser voll Verwunderung. „Es ist eine arme Waise,“ sagte der Familienvater, „die ich aus Mitleid in mein Haus genommen habe.“ Diese Wohltat, von Einem gespendet, der selbst der Wohltaten bedürftig war, rührte den hochherzigen Fürsten dergestalt, dass er allen Kindern eine namhafte Unterstützung anwies.

Als einst Kaiser Joseph der II., als bloßer Privatmann gekleidet, in den Straßen von Wien spazieren ging, sah er ein junges Mädchen, welches weinte, und ein Päckchen unter dem Arme trug. Er fragte sie, was sie trage, wo sie hingehe, und was an ihrer Betrübnis Schuld sei. Die junge Person erzählte ihm ihre große Not, und dass einige Kleidungsstücke ihrer unglücklichen Mutter das Letzte seien, womit sie sich zu helfen hoffe. „Ach! wenn nur mein Vater noch lebte!“ sagte sie. „Wenn er wenigstens, nachdem er sein Blut so oft für das Vaterland vergossen, die Belohnungen erhalten hätte, die man ihm für seine Dienste schuldig war.“ Der Monarch, ohne sich zu erkennen zu geben, sagte zu ihr, der Kaiser sei gewiss nicht von ihrer unglücklichen Lage unterrichtet: er würde ohne Zweifel geeilt haben, sie zu erleichtern, wenn man ihn durch eine Bittschrift damit bekannt gemacht hätte. „Wir haben es mehrere Male getan,“ antwortete ihm die junge Person, „und der Herr, den wir gebeten hatten, unsere Bittschrift vorzulegen, hat uns immer gesagt, er habe nichts auswirken können.“ — „Man wird Sie hintergangen haben,“ setzte der Fürst hinzu; „der Kaiser liebt die Gerechtigkeit zu sehr, als dass er die Witwe und die Tochter eines Offiziers, welcher ihm brav gedient hat, dem Elende Preis geben sollte. Machen Sie eine neue Bittschrift; ich will sie selbst übergeben; bringen Sie sie mir an den und den Ort im Schlosse, und wenn alles wahr ist, was Sie sagen, so wird sich Ihr Schicksal bald ändern.“ Er tat noch mehr, um sie nicht ohne Hilfe fortgehen zu lassen, fragte er sie, wie teuer sie die Kleider zu verkaufen gedenke, und bat sie, in Erwartung des Ausgangs ihrer Sache, die doppelte Summe anzunehmen. Es wäre schwer die Freude zu beschreiben, mit welcher das junge Mädchen zu ihrer Mutter eilte, um ihr das Geld zu überbringen, und ihr den Vorfall zu erzählen. An den Zügen, mit welchen sie den Helden ihrer Geschichte abschilderte, erkannten einige Verwandte und ihre Mutter den Kaiser. Das Mädchen war darüber ganz bestürzt; der Gedanke, dass sie so frei gesprochen habe, versetzte sie in eine Art von Verzweiflung, und sie konnte sich nicht entschließen, den andern Tag ins Schloss zu gehen; ihre Verwandten schleppten sie dahin; sie kam zitternd daselbst an, und als sie in ihrem Wohltäter den Kaiser erkannte, sank sie ohnmächtig nieder. Nachdem sie wieder zu sich gekommen war, überreichte ihr der Kaiser, — welcher sie den Tag zuvor um den Namen ihres Vaters und des Regiments, unter welchem er gestanden, befragt, und alles mit ihrer Aussage übereinstimmend gefunden hatte, — auf die höflichste Art ein Dekret zu einem Gnadengehalte, der so groß war, als der Gehalt, den ihr Vater gehabt hatte, und wovon die Hälfte auf sie fallen sollte, im Fall sie ihre Mutter verlöre. Er bezeugte hierauf, wie leid es ihm tue, dass er ihre Lage nicht früher erfahren habe; und seit diesem Vorfalle hat er einen Tag in der Woche festgesetzt, wo Jedermann verstattet wurde, mit ihm zu sprechen.

Joseph II. Im Januar 1787 begegnete Kaiser Joseph in der Burg einem Hofrat, der einen ziemlichen Pack Schriften unter dem Arme trug. „Sie tragen schwer,“ sagte der Monarch, und zog vier Bogen aus der Tasche. „Sehen Sie,“ sagte er, „ich trage aber schwerer! in diesen vier Bogen sind die schweren Sünden von zwölf untreuen Beamten verzeichnet.“

Als Kaiser Joseph II. Russland bereisete, wollte er durchaus nicht in irgend einem Krongebäude wohnen. Zufällig war damals noch kein Gasthof in Czarskoe Selo. Die Kaiserin Katharina ließ also, um den Kaiser zu täuschen, an einem sehr schönen, ihrem Hofgärtner gehörigen Hause ein Gasthofsschild anbringen. Es war darauf ein Spinnrocken gemalt mit der Überschrift in russischer Sprache: „Katharina's Spinnrocken“. Joseph II. stieg in dem Hause ab, und hatte nicht die geringste Vermutung von einer Täuschung. Erst lange nachher erfuhr er, welche Bewandtnis es mit dem Wirtshause zum Spinnrocken gehabt habe.

Kaiser Joseph II. und Mozart. Kaiser Joseph II. schrieb sich selbst für seine schöne Bassstimme zuweilen eine Kleinigkeit, die gewöhnlich sehr gut ausfiel. Einst machte er sich an eine große Arie und ließ sie in eine der kleinen italienischen Opern einlegen, die in seinem Privattheater in Schönbrunn aufgeführt wurden. Es sollte Niemand wissen, sie sei von ihm, aber jeder wusste es, auch Mozart. — „Mozart, was sagt Ihr zu der Arie?“ fragte der Kaiser. — „Je nun,“ antwortete der gutmütige Tonkunstler treuherzig; „die Arie ist wohl gut, aber der sie gemacht hat, doch viel besser.“

Bei der Reise, die Kaiser Joseph II. im Jahre 1773 durch seine Staaten machte, bemerkte er in der Stadt Warasdin in Croatien, unter der herbeigeströmten Menge, die ihn sehen wollte, auch Einen, der über alle Köpfe hervorragte. Diese große lange Figur fiel dem Kaiser auf, er winkte also dem Manne, näher zu treten und fragte ihn: „Wer seid Ihr?“ — „Der Dorfrichter aus**.“ — „Wie viel Schuh habt Ihr?“ — „Ein Paar Schuh, Euer Majestät, und ein Paar Stiefeln.“ Der Kaiser lächelte über dieß Missverständnis, griff in die Tasche und gab dem Befragten drei Dukaten mit den Worten: „Da nehmt das, und kauft Euch auch noch ein Paar Pantoffeln.“

Als Kaiser Joseph II. unter dem Namen eines Grafen von Falkenstein in Paris war, machte es ihm Vergnügen, sich im strengsten Incognito unter das Volk zu mischen, und so besuchte er auch zuweilen das eine oder das andere Kaffeehaus. — Eines Abends befand er sich in einem solchen Hause; einer der Gäste knüpfte mit ihm ein Gespräch an, und machte ihm endlich das Anerbieten, ob er nicht eine Partie Schach spielen wollte? Der Kaiser war es zufrieden. Man setzt sich zum Spiel und der Kaiser verlor. — „Sie müssen mir Revange geben,“ sagte der Kaiser zu dem Gewinner. — „An jedem andern Tage würde ich es mit Vergnügen tun,“ versetzte der Pariser; „aber für heute werden Sie mich entschuldigen. Es ist Zeit in die Oper zu gehen, und ich wünsche den Kaiser zu sehen.“ — „Was sehen Sie an dem,“ entgegnete Joseph; „ich versichere Sie, das ist ein Mensch wie alle andere.“ — „Dem muss ich widersprechen,“ rief der Pariser aus; „mich treibt eine unwiderstehliche Begierde, ihn zu sehen; und nichts soll mich abhalten, diese zu befriedigen. Er ist ein großer Mann.“ — „Also nur desshalb wollen Sie in die Oper gehen?“ fragte der Kaiser. — „Allerdings nur desshalb.“ — „Wenn das ist, mein Herr, so können Sie mir immer Revange geben. Sie sehen den Kaiser vor sich.“

Joseph II. Als Kaiser Joseph II. im Jahre 1786 in Linz war und die Domkirche zum Messehören besuchte, hatte man einen Betstuhl für ihn mit Kissen und Tapeten geschmückt. Diese räumte der Kaiser auf der Stelle eigenhändig weg und sagte: „Vor Gott sind wir Alle gleich!“

Wenn Kaiser Joseph II. sich an öffentlichen Orten zeigte und genau Alles besah, drängte sich an ihn stets eine Menge Menschen. Das war ihm aber nicht recht, und er fragte: „Ist denn heute ein Feiertag?“ Als man verneinte, sagte er barsch: „So geht zum Arbeiten!“