Junot, Andoche

Junot, Andoche, geb. 1771, wurde in der französischen Revolution Grenadier. Als Napoleon im Lager vor Toulon war, verlangte er einen Sergeanten, der einige ihm zu diktierende Anordnungen fertig schreiben könne. Junot ward ihm geschickt und schrieb auf der Böschung einer eben aufgeworfenen Batterie, gegen welche die Feinde ein heftiges Feuer unterhielten. Eben war er fertig, als eine Kugel neben ihm einschlug, und ihn ganz mit Erde bedeckte. „Schön,“ sagte er ganz gelassen, „da brauche ich keinen Streusand.“ Diese Kaltblütigkeit gefiel dem eben so kaltblütigen Napoleon. Er verlor den Sergeanten nie aus den Augen und es ist bekannt genug, dass dieser später bis zum Herzogsrange (von Abrantes) stieg.


Junot, Napoleons erster General-Adjutant, bildete in Arras eine erlesene Heerschau, die bei der Landung in England, von ihm befehligt, an der Spitze des Heeres fechten, und diesem den Weg bahnen sollte. Noch gefielen sich damals die französischen Soldaten in voller Frisur mit puder- und pomadenreichen Zöpfen, welche Jenem verhasst waren, und um deren Abschaffung er den ersten Konsul anging. Napoleon aber wollte diese anstößige Veränderung dem freien Willen der Truppen anheim gestellt wissen; Junot, den sie liebten, ließ desshalb der Division seinen innigen Wunsch bekannt werden, auch verschwanden sofort 2.000 Zöpfe, doch veranlasste der Groll und die Neckerei der Widerstrebenden Zwietracht und Händel. Hieraus versammelte er die Masse, hielt, ihrer Gunst und Achtung gewiss, eine eindringliche, seinem Zwecke geltende Rede, und abermals wurden ihm zu Liebe 1.500 Zöpfe abgeschnitten. Eines Morgens bittet ein junger Grenadier um Gehör und wird vorgelassen. Er ist groß, schön, von angenehmer Bildung, aber noch frisiert und stark gepudert, neigt sich mit Anstand, doch verlegen, da ihn Junot des gedachten Haarputzes wegen scheel ansieht, und antwortet auf die Frage nach seinem Begehren: „Mein General, ich wünschte, mit Ihrer Erlaubniß, zu wissen, ob dos Abschneiden der Haare wirklich verordnet ward, denn der Tagesbefehl sagt nichts davon.“ — „Ich habe es weder geboten noch verlangt!“ entgegnete Jener, „habe nur gebeten und gehofft, dass meine Grenadiere, in denen ich meine Brüder, Kinder und Freunde sehe, mir, der ich so viel für sie tat, diesen Beweis von Anhänglichkeit geben, mir eine Hand voll Haare opfern würden, da diese Entbehrung sie nichts kostet, wohl aber Jedem nützlich ist.“ Er sprach in diesem Sinne beweglich fort, und beschloss die Antwort mit der nochmaligen Frage nach dem eigentlichen Begehren. Der junge Mann war gerührt, trat ihm näher und sagte mit wankender, fast weinerlicher Stimme: „Herr General, es gibt gewiss in der ganzen Division kein Herz, das Ihnen ergebener wäre, als das meine, auch bin ich weder unfolgsam noch halsstarrig, und will es Ihnen jetzt beweisen. Als ich von meiner guten geliebten Mutter schied, sollte ich die Haare abschneiden, und sie ihr zum Andenken überlassen, was ich ablehnte. Ich habe auch ein Schätzchen,“ fuhr er erröthend fort, „das sich ein Halsband von ihnen wünschte, und nicht einen Strähn erhielt, denn meine Haare sind mir zu wert; ich würde sie wohl selbst dem Napoleon versagen, sehe aber wohl, dass sie jetzt fallen müssen, denn die ganze Compagnie fügte sich Ihnen zu Liebe, und ich, der sie mehr als Andere ehrt, sollte mich weigern? Das darf Nichtsein!“ Er zog bei diesen Worten eine gewaltige Scheere aus der Tasche, reichte sie dem General dar, und sagte: „Doch erbitte ich mir es zur Gnade, dass Sie — aber sie selbst — den ersten Schnitt tun, denn das Opfer, wenn es ein solches ist, wird mir dann minder weh tun.“ Junot zögerte betroffen und bewegt, als ihm der Jüngling den herrlichsten blonden Lockenkopf, den er noch je gesehen, zuneigte, und riet ihm ab, doch jener bestand auf der Hingabe und dem Ansprüche; es entspann sich ein Zwist der Opferlust mit der Ablehnung, und der General ward endlich zum Vorschneider.