Josephinens Haar

Josephinens Haar. Napoleons Zärtlichkeit für Josephine gränzte Anfangs an Anbetung. Sie war aber auch eine der unwiderstehlichsten Frauen jener Epoche, und verband mit dem gebildetsten Geiste all die Sinne fesselnde Grazie einer Kreolin. Josephine war das erste Weib, das er liebte. Er weihte seiner Liebe nur eine einzige Stunde, jene während des Frühstückes, die andere Zeit des Tages gehörte dem Staate. Er nahm bei Josephine das Frühstück ein, eine Brühe, zwei Coteletten und ein Stück Obst, dazu kam ein trauliches Gespräch, ein liebevolles Hingeben. Welch ein angenehmes Frühstück. — Eines Tages gewahrte der Haushofmeister, als er eben die Brühe auf den Tisch setzte — schaudervoll! — ein Haar, das in dem Napfe schwamm! Ihn wieder wegzutragen, war schon zu spät! Auch würde dadurch ein Verdacht rege gemacht sein! vielleicht wird das unglückliche Haar nicht bemerkt! Es hieß geduldig abwarten. Vielleicht kommt ein guter Gedanke zur Entschuldigung. Aber Napoleon sah Alles gleich selbst und so gewahrte er auch mit seinem Luchsauge das — Er schießt einen Blick, schrecklicher als der Blitz, auf den armen Haushofmeister. Dieser fasst sich — der gute Gedanke war gekommen — und sagt: „Sire, es ist ein Haar der Kaiserin, ich sah, wie es in den Napf fiel.“ — Auf diese Worte legte sich das Ungewitter, das Haar wurde auf einen Teller gelegt, und dem Kaiser schmeckte die Brühe nur um so besser. Der Haushofmeister nahm es aber nicht so leicht, als sein Gebieter. Das ganze Küchenheer wurde zusammenberufen; man forschte nach dem Schuldigen, um ihn zu bestrafen und wegzujagen. Das Corpus delicti war da, und es ergab sich leicht, dass das Haar einem rotköpfigen Küchenjungen gehörte. Josephine hatte pechschwarzes Haar.