Ein fataler Irrtum

Ein fataler Irrtum. Der nachstehende pikante Vorfall ereignete sich vor Kurzem in Lyon. Herr D., Kaufmann, wohnt in der zweiten Etage eines Hauses, und seine Zimmer sind genau so angelegt, wie in der ersten Etage. Vor einigen Tagen nun kam Herr D. gegen zwölf Uhr in der Nacht nach Hause, wie ihm dies bisweilen geschah; er irrte sich in den Etagen und stieg nur eine Treppe hinauf, statt zwei. Zufällig öffnete auch sein Schlüssel die Eingangstüre zur ersten Etage; er trat hinein; die ganz gleiche Einrichtung des Corridors und der Türen unterhielt seinen Irrtum, und er begab sich geraden Weges in das Schlafgemach. Hier suchte er auf dem Kamine das Feuerzeug, dessen er sich gewöhnlich bediente, aber, erste Täuschung, dies Gerüche befand sich nicht an der gewöhnlichen Stelle. D. hatte ferner an den Wänden seines Zimmers mehrere Gemälde; diese suchte er bei dem Scheine der Laterne im Hofe zu erkennen, welche das Zimmer schwach beleuchtete; neue Täuschung, die Gemälde waren auch verschwunden. Nun zweifelte D. nicht mehr an seinem Unglücke; ein kalter Schweiß bedeckte alle seine Glieder; er war bestohlen worden. Augenblicklich fing er an aus vollem Halse: „Diebe! Diebe!“ zu schreien, und einen Höllenlärm zu machen, um die Nachbarn zu wecken. Der eigentliche Mieter der ersten Etage, der ganz ruhig in seinem Bette schlief, wurde durch den Lärm erweckt, und glaubte nun seiner Seits bestohlen zu werden, wesshalb er ebenfalls um Hilfe zu rufen begann. Der wahre und der falsche Mietsmann hielten einander gegenseitig für den Dieb, fielen über einander her, und begannen in der Finsternis einen erbitterten Kampf, der noch nicht beendigt war, als die durch den Lärm und das Geschrei geweckten Nachbarn mit Licht herbeikamen. Da klärte sich Alles auf; der Herr D. aus der zweiten Etage erkannte seinen Irrtum, entschuldigte sich gebührend bei dem Herrn der ersten Etage, den er im rechtmäßigen Besitze seines Schlafgemachs gestört, und jeder begab sich in sein Bett, zufrieden, mit der Angst davon gekommen zu sein.