Charaktere verschiedener Nationen

Charaktere verschiedener Nationen. (Deutsche, Engländer, Franzosen, Italiener und Spanier.) In Paris erschien vor mehreren Jahren ein mit Holzschnitten verzierter Bogen auf einer Seite bedruckt, der das Leben und die Sitten der Nationen von Europa enthielt. Hören wir die Quintessenz der Urteile der Franzosen über sich und ihre Nachbarn.

In der Religion ist der Deutsche ungläubig, geht aber zuweilen mit dem größten Gebetbuche in die Kirche, der Engländer ist devot, der Franzose eifrig, der Italiener voll Ceremonieen, der Spanier bigott.


Im Werthalten: Der Deutsche treu, der Engländer sicher, der Franzose leichtsinnig, der Italiener listig, der Spanier betrügerisch.

Im Ratgeben: Der Deutsche langsam, der Engländer entschlossen, der Franzose übereilt, der Italiener fein, der Spanier, verwahrt sich durch Cautelen.

Von Gestalt ist der Deutsche groß, der Engländer wohl gewachsen, der Franzose wohl aussehend (de belle mine), der Italiener mittelmäßig, der Spanier zum Erschrecken.

In der Kleidung ist der Deutsche ärmlich, der Engländer prächtig, der Franzose veränderlich, der Italiener lumpicht, der Spanier bescheiden.

In der Liebe: Der Deutsche versteht nicht zu lieben (!), der Engländer liebt hier und da ein wenig, der Franzose überall, der Italiener weiß, wie man lieben muss, und der Spanier liebt wirklich.

In Sitten: Der Deutsche bäuerisch, der Engländer grausam, der Franzose gewandt, der Italiener höflich, der Spanier stolz.

Im Bewahren eines Geheimnisses: Der Deutsche vergisst, was man ihm sagt, der Engländer verschweigt, was er sagen, und sagt, was er verschweigen sollte, der Franzose plaudert Alles aus, der Italiener spricht kein Wort, der Spanier ist sehr geheimnisvoll.

Die Eitelkeit: Der Deutsche prahlt wenig, der Engländer verachtet Alles, der Franzose rühmt Alles (?), der Italiener schätzt das Geringe gering, der Spanier rühmt nur sich selbst.

In Beleidigungen und Wohltaten: Der Deutsche tut weder Gutes noch Böses, der Engländer Beides ohne Ursache, der Franzose vergisst Beides, der Italiener ist schnell zum Wohltun, aber rachsüchtig, der Spanier gegen Beides gleichgültig.

Im Essen und Trinken: Der Deutsche ein Trunkenbold, der Engländer ein Leckermaul, der Franzose delikat, der Italiener mäßig, der Spanier knauserig.

Im Gespräch: Der Deutsche redet wenig und schlecht, aber schreibt gut, der Engländer redet schlecht, schreibt aber auch gut, der Franzose spricht und schreibt gut, der Italiener redet gut, schreibt viel und gut, der Spanier redet und schreibt wenig, aber gut.

In der Art, sich zu präsentieren: Der Deutsche sieht aus wie ein Damian, der Engländer gleicht weder einem Narren, noch einem Weisen, der Franzose ist étourdi, der Italiener klug, sieht aber aus wie ein Narr, bei dem Spanier ist es umgekehrt.

In Gesetzen: Die deutschen Gesetze sind so so, der Engländer hat schlechte Gesetze, befolgt sie aber gut, der Franzose hat gute Gesetze, befolgt sie aber schlecht, der Italiener und Spanier haben auch gute Gesetze, jener befolgt sie nachlässig, dieser streng.

Die Weiber sind in Deutschland Hausfrauen, in England Königinnen, in Frankreich Damen, in Italien Gefangene und in Spanien Sklavinnen.

Mutig ist der Deutsche wie ein Bär, der Engländer wie ein Löwe, der Franzose wie ein Adler, der Italiener wie ein Fuchs, und der Spanier wie ein Elephant.

In den Wirtschaften ist der Deutsche ein Pedant, der Engländer ein Philosoph, der Franzose weiß von Allem ein wenig, der Italiener ist ein Professor, und der Spanier ein tiefer Denker.

Endlich (hört!) die Ehemänner sind in Deutschland Herren (?!), in England Knechte, in Frankreich Gefährten, in Italien Schüler, und in Spanien Tyrannen.

Man sieht, dass wir Deutsche uns eigentlich am wenigsten zu beklagen haben, und wenn der Verfasser nur die abscheuliche Verläumdung weggelassen, dass wir nicht zu lieben verständen, und so in den Tag hinein behauptet hätte, dass wir als Ehemänner Herren wären, so könnten wir mit unserer Charakteristik leidlich zufrieden sein.