Der Schauspieler als Barbier
Der Schauspieler als Barbier. „Voriges Jahr,“ so erzählt ein Schauspieler, „logierte ich zu Frankfurt im Weidenhofe. Ich hatte damals Geld, und wenn ich Geld habe, sticht mich der Hafer. Nun hatte ich kurz zuvor in Wiesbaden einen alten Barbier gespielt und war mit Allem, was zu dieser Rolle gehört, versehen. So klopfte ich denn eines Morgens, vollständig als Bartkratzer ausgerüstet, in dem Stockwerke, wo ich wohnte, rechts und links an zwei Türen an. „Kein Barbier gefällig?“ — „Wünschen der Herrn rasiert zu werden?“ — Ein Dutzend Herren nahmen mich an; ich seifte sie kunstmäßig ein. „Mein Gott!“ rief ich dann, „ich habe auf Nummer so und so mein Messer liegen lassen; in einer Minute bin ich wieder hier.“ Nachdem so das Dutzend glücklich angeweißt war, warf ich meine Perücke ab, wechselte den Rock und bemalte mich selber. Mittlerweile waren meine Kunden auf die Hausflur gelaufen und schrieen nach dem Barbier. Ich mischte mich unter sie und tobte und fluchte am ärgsten unter Allen, indem ich vom Weidenhof, von den Frankfurter Bürgermeistern etc. Genugtuung für diesen Hohn verlangte. Der Wirt, die Kellner, die Stubenmädchen und an zwanzig andere Gäste eilten herbei, ja sogar die Barbiere, die im Weidenhofe die Bärte der Gäste abzunehmen pflegten, stellten sich, ihre Unschuld beteuernd, ein. Ein unbeschreibliches Gelächter erhob sich bei dem Anblick der dreizehn Eingeseiften. Der Wirt bemühete sich vergebens, mich zu besänftigen. Man fragte und forschte hin und her, aber die Sache blieb ein Geheimnis, das ich jetzt, da sie verjährt ist, zum ersten Male an's Licht ziehe.“
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Konversations-Lexikon für Geist, Witz und Humor - Band 1 - B