Artigkeit

Artigkeit. Ein Kutscher einer reisenden böhmischen Herrschaft trat, als diese bei Tische saß, in den Speisesaal, um sich zu erkundigen, ob sie zur Abfahrt bereit sei, und meldete: „Ew. Gnaden, Pferd meinige haben's schon fressen; wann Sie haben's auch, kann me weiter fahren.“

— Bei dem Abmarsch eines Kommandos aus einem Dorfe, wo es eine Zeit lang cantoniert hatte, sagte der Hauptmann zu der versammelten Gemeinde: „Lasst es den Soldaten nicht entgelten, dass einer unter ihnen war, der die Gastfreundschaft verletzte und sich durch Dieberei entehrte. Gedenket unser im Besten, wie wir uns stets Eurer guten Aufnahme erinnern werden.“ — Einer aus der Gemeinde wollte recht artig antworten und sagte daher: „Leben Sie und Ihr Volk wohl und glücklich. Nicht der Soldat stahl, sondern der Mensch, und Menschen sind wir Alle!“


Artigkeit. Ein Herr hatte ein sehr hässliches Fräulein geheiratet. Am Hochzeitstage wollte er ihr etwas recht Zärtliches sagen: „Ich versichere Sie, meine Beste, so hässlich Sie sind, so werde ich Sie doch lieben, als wenn Sie ein Engel an Verstand wären.“

— Ein angebender Jurist klagte einem Freunde über die schlechten Aussichten im Staatsdienste. „Ei, so werde Advokat; durch Fleiß, ein Bisschen Leutseligkeit und Artigkeit erwirbst Du Dir gewiss Dein Auskommen,“ tröstete ihn der Freund. „Schon recht, das mag sein, aber artig bin ich nicht gerne.“ — „Je nun, dann musst Du eben Justizrat werden.“

— Ein Reisender, welcher mit Extrapost fährt, lässt den Postillon an einer Dorfschenke anhalten, und schickt ihn hinein, einen Schnaps zu holen. Der Postillon kommt mit dem Glase in der Hand heraus und sagt zu seinem Passagier, indem er es hinreicht: „Hier, mein Herr, aber er sieht mir nicht besonders aus, kosten Sie nur einmal; wenn er gut ist, lass ich mir auch einen geben.“